Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grün-Schwarz investiert in Polizei
Finanzministerin bringt Haushalt ins Parlament ein – Land kommt ohne neue Schulden aus
STUTTGART (tja) - Ein Haushalt ohne neue Schulden und mehr Geld für die Polizei: So lauten die ersten beiden Schwerpunkte im Haushaltsentwurf von Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne). Sie hat den ersten gemeinsamen Etat von Grünen und CDU am Mittwoch in den Landtag eingebracht. Kritik erntete sie für Pläne, trotz hoher Einnahmen keine Kredite zu tilgen. Stattdessen fließt Geld in die Sanierung von Straßen, Schienen und Gebäuden.
STUTTGART - Die Landesregierung plant für 2017 keine neuen Schulden, will aber auch keine Kredite zurückzahlen. Dieses Vorgehen hat Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Mittwoch im Landtag verteidigt. Sie brachte den ersten Haushalt der grün-schwarzen Regierung ein. Das Parlament berät den Etat ab kommender Woche und will ihn Anfang des nächsten Jahres verabschieden.
Die Pläne der Ministerin hatten im Vorfeld Proteste der Opposition und des Steuerzahlerbundes ausgelöst. Die Kritiker werfen ihr vor, trotz der hohen Steuereinnahmen des Landes keine Schulden abzubauen.
Sitzmann erläuterte am Mittwoch, warum sie ihre Vorgehensweise dennoch für sinnvoll hält. 123 Millionen Euro fließen in einen Topf, aus dem das Land marode Straßen, Brücken und Bahnanlagen ebenso sanieren möchte wie Zentren für Psychiatrie und andere Landesgebäude. Deren zum Teil maroden Zustand interpretiert Grün-Schwarz als „verdeckte Schulden“.
Investitionen sind notwendig „Eine schlechte Infrastruktur kostet uns Wohlstand“, sagte Sitzmann. Einsturzgefährdete Brücken bremsten den Verkehr aus, nicht sanierte Gebäude verursachten hohe Energiekosten. Angesichts niedriger Zinsen lohne es sich daher mehr, an diesen Stellen zu investieren als Schulden zu tilgen. Derzeit steht das Land mit 47 Milliarden Euro in der Kreide.
Erklärtes Ziel von Grünen und CDU ist es, auch künftig ohne neue Schulden auszukommen. Deswegen müssen im kommenden Jahr alle Ministerien einen Sparbeitrag leisten – insgesamt 390 Millionen Euro. Um den Sparbeitrag der Kommunen hatte das Land heftig mit Kreisen, Städten und Gemeinden gerungen. Nun bekommen diese 200 Millionen Euro weniger aus dem so genannten Vorwegabzug. Dieser bezeichnet jene Summe, die das Land jährlich einbehält, bevor es 23 Prozent aller Steuereinnahmen an die Kommunen weiterleitet. Sitzmann nannte diesen Beitrag „angemessen und verkraftbar“. Die Finanzkraft der Kommunen sei in den vergangenen Jahren stärker gewachsen als die des Landes. Rechne man alle Zuschüsse und Sparmaßnahmen gegeneinander auf, ändere sich bei den Kommunen 2017 voraussichtlich wenig, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Vielsagend war am Mittwoch, in welcher Reihenfolge Sitzmann die inhaltlichen Schwerpunkte des Landeshaushaltes präsentierte. An erster Stelle nach dem Schuldenabbau nannte sie Maßnahmen zur Inneren Sicherheit. Das Ressort von Thomas Strobl (CDU) gehört zu den Profiteuren der Etatberatungen. So schaffen Grüne und CDU 381 neue Stellen bei der Polizei und geben 16 Millionen Euro für Ausrüstung aus. An zweiter Stelle nannte Sitzmann klassische grüne Anliegen wie den Klimaschutz sowie die Förderung von Elektrofahrzeugen. Es gelte, Lebensgrundlagen zu schützen und Arbeitsplätze zu erhalten. „260 000 Jobs hängen bei uns am Auto“, mahnte die Ministerin. Im Klartext: Wenn alte Technologien wie der Verbrennungsmotor wegfallen, könnte das zulasten der Industrie in Baden-Württemberg gehen. Deshalb müsse das Land bei der Entwicklung klimafreundlicher Technik weit vorne mitspielen. Die Konsequenz: Die Landesregierung fördert die Entwicklung elektrischer Fahrzeuge und der dazugehörenden Infrastruktur im kommenden Jahr mit acht Millionen Euro. Außerdem fließen sechs Millionen Euro in den Klimaschutz. Weitere Schwerpunkte bei den Landesausgaben sind bezahlbares Wohnen, die Digitalisierung, Bildung sowie die Integration von Flüchtlingen.
AfD, SPD und FDP kritisierten, dass Sitzmann keine Kredite zurückzahlen will. Das gehe zulasten künftiger Generationen. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch bemängelte: „Bei sprudelnden Steuereinnahmen Lehrerstellen zu streichen und das Geld für die Kommunen zu kürzen, ist der falsche Weg.“
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke forderte: „300 Millionen Euro müssten getilgt werden, mehr ist möglich.“AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen sagte: „Die Landesregierung baut ihren Haushalt in gewohnter Weise auf dem Rücken der Kommunen und zukünftiger Generationen auf.“