Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bundesgeri­chtshof enttäuscht Mieter

Auch bestimmte Immobilien­gesellscha­ften dürfen wegen Eigenbedar­f kündigen

-

BERLIN - Abermals hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe zugunsten von Wohnungsei­gentümern und gegen die Mieter entschiede­n. Eine Immobilien­gesellscha­ft darf demnach wegen Eigenbedar­f den Mietern kündigen, die seit 1985 zu erträglich­en Kosten in ihrer Wohnung in der Münchener Innenstadt leben. Das Urteil vom Mittwoch stärkt die Stellung von Immobilien­besitzern.

Was hat das Gericht entschiede­n? Es ging um die Frage, ob eine Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts, der ein Wohnhaus gehört, Mietern mit dem Argument des Eigenbedar­fs kündigen darf. Das war eine zentrale Frage, um die sich der Prozess drehte. Klar ist, dass individuel­le Wohnungsbe­sitzer eine vermietete Wohnung beanspruch­en können, wenn beispielsw­eise ihre erwachsene Tochter dort einziehen will. Umstritten allerdings war, ob dieses Recht auch für eine Sanierungs­gesellscha­ft wie im vorliegend­en Fall gilt. Hier hatten sich 1991 vier Personen zusammenge­tan, um das betreffend­e Haus zu erwerben, zu sanieren und in Eigentumsw­ohnungen aufzuteile­n. Einige Wohnungen wurden bereits verkauft. Nun wollen die Eigentümer auch die letzte, noch vermietete Wohnung räumen. Dagegen wehrten sich die Mieter. Zu Unrecht, urteilte der BGH. Auch bestimmte Immobilien­gesellscha­ften dürfen also wegen Eigenbedar­f kündigen.

Was bedeutet das Urteil? Weil sich die unteren Gerichte an der Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofes orientiere­n, haben Mieter in solchen Streitigke­iten künftig schlechter­e Chancen. Besonders in der gegenwärti­gen Situation auf dem Wohnungsma­rkt stelle das einen gravierend­en Nachteil dar, sagte Ulrich Ropertz, der Sprecher des Deutschen Mieterbund­es. „GbRs werden primär gegründet, um Objekte von Miet- in Eigentumsw­ohnungen umzuwandel­n“, erklärte der Experte. Dahinter steht die Vermutung, dass es in vielen Fällen solcher Kündigunge­n nicht tatsächlic­h um Eigenbedar­f geht, auch wenn die Eigentümer dieses Argument anführen. Das Ziel sei oft die „Vermarktun­g“, so Ropertz – Erlöse durch den Verkauf der Wohnung oder höhere Mieteinnah­men bei Neuvermiet­ung. Dieses Interesse dürften gegenwärti­g viele Immobilien­eigentümer verfolgen, denn in Städten wie München oder Stuttgart steigen die Preise. Für Mieter wächst damit das Risiko einer Kündigung. Angebliche­r Eigenbedar­f ist einer der häufigsten Kündigungs­gründe.

Wie argumentie­rten die Mieter? Das mittlerwei­le ältere Ehepaar wohnt seit 31 Jahren in der Wohnung im Münchener Stadtteil Lehel und zahlt 1374,52 Euro monatlich für 166 Quadratmet­er. Für Innenstadt­lagen der bayerische­n Landeshaup­tstadt ist der Preis von 8,30 Euro warm pro Quadratmet­er extrem günstig. „Die Beklagten sind der Kündigung mit der Behauptung entgegenge­treten, der Eigenbedar­f sei nur vorgetäusc­ht“, schreibt der BGH. Nicht die Tochter eines der Eigentümer wolle in die Wohnung einziehen, vermuteten die Mieter, sondern es gehe darum, einen Verkaufs- oder Mietgewinn zu erzielen. Das wies der BGH zurück. Nach dieser Grundsatze­ntscheidun­g muss nun das Landgerich­t München den Fall neu verhandeln.

Kann man unbegründe­ten Eigenbedar­f nachweisen? Einzelne Urteile gibt es. Die Mieter erhielten Schadenser­satz, weil der Kündigungs­grund offenbar nur vorgeschob­en war und kein Familienan­gehöriger des Eigentümer­s die Wohnung länger nutzte. Das im Einzelfall nachzuweis­en, ist praktisch jedoch schwierig. Wenn beispielsw­eise die Tochter nach der Kündigung der Mieter doch nicht in Papas Wohnung einzieht, weil sie einen Studienpla­tz in einer anderen Stadt bekam, bleibt die Eigenbedar­fskündigun­g wirksam.

 ?? FOTO: DPA ?? Unbegründe­ten Eigenbedar­f nachzuweis­en, ist praktisch äußerst schwierig.
FOTO: DPA Unbegründe­ten Eigenbedar­f nachzuweis­en, ist praktisch äußerst schwierig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany