Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grube darf bei der Deutschen Bahn länger weitermachen
Ronald Pofalla löst Volker Kefer ab – Land und Stadt fordern Sondersitzung von Stuttgart-21-Lenkungskreis
BERLIN (dpa) - Bahnchef Rüdiger Grube wird voraussichtlich bis Ende 2020 an der Spitze des Staatskonzerns bleiben. Klar ist nach einer Aufsichtsratssitzung am Mittwoch, dass der Vertrag des 65-Jährigen verlängert wird. Aus Kreisen des Aufsichtsrats hieß es, Grube solle weitere drei Jahre bleiben. Zugleich baut die Deutsche Bahn ein weiteres Mal ihren Vorstand um, wie der bundeseigene Konzern in Berlin mitteilte.
Auf den Vorstandsposten für Infrastruktur rückt am 1. Januar der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla, beschloss das Kontrollgremium. Der 57-jährige ehemalige CDU-Politiker behält zudem einen Großteil seiner bisherigen Aufgaben. Dazu gehören die Abteilungen Wirtschaft, Politik, Konzernsicherheit, Bahnsicherheit und internationale Geschäftsbeziehungen.
Pofalla löst Volker Kefer ab, der im Juni seinen Rückzug angekündigt hatte. Kefer verlässt das Unternehmen Ende Dezember. Künftig soll es wieder ein Vorstandsressort für Technik geben, das erst im August 2015 bei einer Neuordnung des Vorstands aufgegeben wurde. Bis eine geeignete Person gefunden sei, wird Vorstandschef Grube diese Aufgaben übergangsweise übernehmen.
Grube ist seit 2009 Bahnchef, sein Vertrag läuft Ende 2017 aus. Dieser soll nun am 30. Januar 2017 in einer Sondersitzung verlängert werden, in der es auch um die Folgen der Digitalisierung auf den Konzern geht, teilte die Bahn mit. Eine Vertragsverlängerung bereits am Mittwoch sei nach den Regeln für gute Unternehmensführung (Corporate Governance) noch nicht möglich gewesen. Diese Regeln sehen vor, dass ein Vertrag erst weniger als ein Jahr vor Ablauf des bisherigen Kontrakts verlängert werden soll.
Der Aufsichtsrat beschloss außerdem, dass Personalvorstand Ulrich Weber bis Ende 2018 bleiben soll. Sein bisheriger Vertrag lief bis März 2017.
Dem scheidenden Kefer wurde vorgeworfen, im Sommer den Aufsichtsrat zu spät über Kostensteigerungen beim Projekt Stuttgart 21 informiert zu haben. Daraus zog er die Konsequenzen. Im Oktober beauftragte der Aufsichtsrat den Vorstand, einen Bericht des Bundesrechnungshofs mit einem Gutachten der Wirtschaftsprüfer von KPMG und des Schweizer Ingenieurbüros Ernst Basler abzugleichen. Der Rechnungshof beziffert die Gesamtkosten von Stuttgart 21 auf mehr als neun Milliarden Euro. KPMG und Basler errechneten dagegen Kosten von 6,3 bis 6,7 Milliarden Euro. Es sei wahrscheinlich, dass der bisherige Finanzierungsrahmen von 6,526 Milliarden Euro eingehalten werde, hieß es in der Studie.
Vor der Sitzung hatte die Bahn auf den Posten der Bauzeitzinsen im Rechnungshofbericht hingewiesen. Die Behörde veranschlagte dafür eine Milliarde Euro, die Bahn geht von 270 Millionen Euro aus. Bei den Bauzeitzinsen handelt es sich um Zinsen, die während der Bauphase anfallen. Zudem sind die Kosten, die entstehen, um das Gleisfeld des alten Stuttgarter Hauptbahnhofs freizumachen, im Rechnungshofbericht enthalten, nicht jedoch bei KPMG und Basler.
Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart fordern eine Sondersitzung des Lenkungskreises für Stuttgart 21. Ein entsprechendes Schreiben haben Verkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne) an die Deutsche Bahn geschickt, wie die „Stuttgarter Zeitung“berichtet. Hintergrund sind Risiken, die sich beim Tunnelbau im quellfähigen Anhydrit ergeben.