Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weltkünstler trifft auf Heimatmaler
Die Mewo-Kunsthalle nähert sich dem Thema Schafe aus zwei Perspektiven
MEMMINGEN - Nachlässe von Heimatkünstlern sind für Museen eine Herausforderung. Einerseits sollten sie kunsthistorisch aufgearbeitet und andererseits durch Ausstellungen erschlossen werden, ohne dass es langweilig wird. Auch die MewoKunsthalle in Memmingen lagert im Depot solche Schätze. Direktor Axel Lapp macht jetzt aus der Not eine Tugend und bringt Josef Madlener (1881-1967) in einen Dialog mit Henry Moore (1898-1986). Beide haben sich mit Schafen beschäftigt – der eine in Gemälden und Skizzen, der andere vor allem in Zeichnungen.
Berühmter Bildhauer, toller Zeichner Henry Moore kennen die meisten als Bildhauer. Seine Formensprache hat eine Generation von Künstlern geprägt. Doch der Brite war auch ein toller Zeichner und entwickelte viele Formen mit Bleistift und Kohle auf dem Papier. Berühmt ist er für seine abstrahierten, organischen Bronzeskulpturen. Eher unbekannt ist dagegen, dass ihm im fortgeschrittenen Alter Schafe zum wichtigen Motiv wurden. So hat er in realistischer Manier immer wieder Bock, Muttertier und Lamm skizziert: von vorn, von hinten, von der Seite, einzeln oder als Gruppe. Auslöser dafür war sein Lebensmittelpunkt Much Hadham in der Nähe von London. Schafe gehören dazu. Mehrere Hundert Arbeiten sind ab 1970 entstanden, darunter auch eine große Serie mit Radierungen sowie ein Kinderbuch für seinen Enkel Gus.
45 Blätter davon sind im abgedunkelten Erdgeschoss der MewoKunsthalle zu sehen. Die Skizzen, Radierungen und Lithografien stammen direkt aus der Henry-MooreStiftung, zu der Axel Lapp seit Jahren gute Kontakte pflegt. Auf den ersten Blick wirken sie eher unscheinbar und traditionell, auf den zweiten jedoch entdeckt man den Könner. Die Tiere sind enorm plastisch dargestellt. Manchmal hat Moore nur die Umrisse mit zartem Strich auf dem Papier festgehalten, um dann wieder im Detail beispielsweise die Speckringe am Hals herauszuarbeiten. Eine einzige monumentale Skulptur hat Moore zum Thema Schafe realisiert, von der ein Abguss in Much Hadham steht – auf einer Weide direkt neben seinem Atelier. Ein gigantisches Farbfoto von „Sheep Piece“ (mit Schafen!) findet sich als Eyecatcher im Foyer der Kunsthalle.
Eine Vorliebe fürs Detail hatte auch Josef Madlener aus Memmingen. Der studierte Maler war in seiner Heimat stark verwurzelt und stellte in seinen Bildern meist das bäuerliche Leben im Unterallgäu dar. Tiere spielen dabei eine große Rolle – und ganz besonders Schafe. Bald tauchen sie als Beiwerk in Landschaftsdarstellungen auf, bald in eigenwilligen Porträts. Häufig wirken die Szenerien kitschig und dann wieder erstaunlich modern. 33 dieser Motive sind im Obergeschoss passend zum Thema auf grasgrünem Grund zu entdecken. An diesen Schafen lässt sich laut Lapp auch sein malerisches Talent nachweisen. So fällt auf, dass Madlener in Anknüpfung an die Impressionisten das scheinbar einfarbige Fell aus verschiedenen Farbtupfern aufgebaut hat – von Blau über Grün bis zum Rosa. Bisweilen ist seine Detailversessenheit aber auch des Guten zu viel, etwa wenn der Künstler jede Blume, jeden Grashalm auf der Wiese haarklein festgehalten hat. Umso bestechender sind seine locker hingeworfenen Schafstudien, die mit jenen aus dem milden Alterswerk von Moore durchaus mithalten können.
Die Doppelausstellung „Henry Moore – Sheep“und „Josef Madlener Schafe“dauert bis 29. Januar 2017. Öffnungszeiten: Di.-So. und Fei. 11-17 Uhr, Do. 13-19 Uhr. 24. und 31. Dezember geschlossen. Weitere Infos unter: www.mewo-kunsthalle.de