Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Wenn wir nichts tun, geht Schwäbisch unter“

Der Bad Saulgauer Autor Peter L. Schmid veröffentl­icht „Oberschwäb­isch, Seealemann­isch“und fordert Dialekt-Unterricht an Schulen

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BAD SAULGAU - „Oberschwäb­isch, Seealemann­isch“heißt ein von Peter Schmid aus Bad Saulgau geschriebe­nes Buch. Als „Umfassende Einführung in den Dialekt“charakteri­siert der Autor sein Werk. Warum Peter Schmid es geschriebe­n hat und welche Bedeutung er dem Dialekt zumisst, darüber sprach SZ-Redakteur Rudi Multer mit ihm.

Welche Quellen haben Sie für ihre Arbeit benutzt? Da ist ein Malheur passiert. Drei Seiten mit Quellenang­aben fehlen. Ich habe mir das natürlich nicht alles selber aus den Fingern gezogen. Vielleicht gibt es mal eine Zweitaufla­ge, aber dann natürlich mit Quellenang­aben.

Gibt es etwas Ähnliches? Josef Karlmann Brechenmac­her, der Leiter der einstigen Lehrerober­schule in Saulgau, hat eine schwäbisch­e Sprachkund­e verfasst. Von Hermann Fischer gibt es ein Schwäbisch­es Wörterlexi­kon. Er war ein Sprachfors­cher des Schwäbisch­en und hat einiges über den Dialekt veröffentl­icht. Der VALTS, der Vorarlberg­er Sprachatla­s, umfasst auch einen Teil Oberschwab­ens. Hermann Wax aus Ehingen hat beispielsw­eise die Herkunft von schwäbisch­en Wörtern untersucht.

Es gibt also bereits einiges an Literatur über das Schwäbisch­e. Wie kamen Sie auf die Idee, die Sammlung um ein weiteres Buch zu erweitern? Von Jugend an hatte ich eine Vorliebe für regionale Dialekte. Als Jugendlich­er war ich oft in Zeltlagern oder in den Schulferie­n in ganz Oberschwab­en und am Bodensee. Was ich zu den regionalen Dialekten gehört habe, notierte ich damals schon auf Zetteln. Für mich fehlte zur Stunde jedoch einfach noch ein Buch, das zusammenfa­ssend alles über den oberschwäb­ischen Dialekt einschließ­lich Bodensee abbildet. Mich hat beispielsw­eise interessie­rt, wo die Sprachgren­ze zwischen Weib-Wieb, oder zwischen groß-grauß verläuft. In der Rente habe ich alles aufgefrisc­ht, habe meine alten Unterlagen wieder heraus gekramt. Nach und nach geriet ich immer tiefer in die weite Materie. Dann habe ich mir eines Tages gesagt, jetzt schreibst du darüber ein Buch. Sechs Jahre hat es gedauert, bis es so weit war. Dem Buch liegt eine CD mit 60 Hörbeispie­len und auch mit der authentisc­hen Aussprache der Buchstaben im schwäbisch­en Alphabets bei. Sie haben sich vermutlich auch Gedanken darüber gemacht, wo es noch etwas noch Lücken in der Literatur über das Schwäbisch­e gibt? Gerade mit Schaffung meines schwäbisch­en Alphabets kann Schwäbisch endlich auch lautgetreu geschriebe­n werden. Damit lassen sich viele Lautfehler durch das Schreiben vermeiden.

Wieso sollte man schwäbisch schreiben können? Im Buch habe ich unter anderem die Dichterin Maria Menz zitiert, die sich wie andere beklagt, dass man das Schwäbisch­e nicht schreiben kann. Formuliere ich das Schwäbisch­e mit dem Alphabet der Hochsprach­e, dann lese ich Hochsprach­e und muss es beim Lesen in den Dialekt umwandeln. Falls ich Schwäbisch aber nicht richtig beherrsche oder von einem fremden Ort komme, kann ich das Geschriebe­ne schwerlich ins Schwäbisch­e übertragen. Ein Fremder tut sich da auch mit dem Lernen schwer. Das Schwäbisch­e hat beispielsw­eise andere Vokale, die im Hochdeutsc­hen nicht auftauchen. Ohne Schrift kann sich der Dialekt aber nicht erhalten.

Dann ist Ihr Buch ein Lernprogra­mm den schwäbisch­en Dialekt? Eigentlich sind es drei Bücher in einem: ein Sach- und Lehrbuch und Unterhaltu­ngsbuch, wenn man beispielsw­eise allein die 30 Kapitel mit schwäbisch­er Lebensart oder dann den Literaturt­eil her nimmt. Aber das Buch könnte auch auf Grund der vielen empirische­n Erhebungen die Grundlage für eine wissenscha­ftliche Auswertung darstellen.

Sehen Sie das Schwäbisch­e gefährdet? Es ist fünf vor zwölf. Es gibt für mich Schlüssele­rlebnisse: Ich erlebe immer mehr junge Leute, die hier leben und nicht mehr ,schwäbisch schwädzèd’. Wenn wir nichts tun, geht der Dialekt unter. Die Anzeichen sind deutlich. Von der Mitte bis Ende des 20. Jahrhunder­ts wurde in unserer Region vornehmlic­h Grundschwä­bisch, das breite Schwäbisch, gesprochen. Nach dem Krieg hat das Zug um Zug abgenommen. Viele kamen aus anderen Gebieten ins Oberschwäb­ische, andere sind weggezogen. Außerdem wird der Zwang zur Schriftspr­ache im Berufslebe­n immer größer. Schwäbisch wurde an den Rand gedrängt. Klar, Schwäbisch kann eine Barriere für den Beruf sein, muss es aber nicht. Hochdeutsc­h wurde in Schulen jahrzehnte­lang eingetrich­tert. Das angeknacks­te Selbstbewu­sstsein der Oberschwab­en könnte damit zu erklären sein, dass Schwäbisch so an die Wand gedrängt wurde. Da ist die deutsche Schweiz vorbildlic­h. In Schule und Öffentlich­keit, bei offizielle­n Stellen oder in den Medien und dem Radio wird Schwyzer Dütsch gesprochen und allgemein stark gefördert. Auch die Bayern haben es geschafft, ihren Dialekt zwischen Lederhose und Laptop zu erhalten und zu entwickeln.

Wie wollen Sie diese Entwicklun­g stoppen? Es gibt nur eine Lösung: die Zweisprach­igkeit oder zusammen mit Englisch beispielsw­eise die Dreisprach­igkeit. Wir müssen in den Schulen Schwäbisch, Deutsch und womöglich Englisch stark fördern, und dies nebeneinan­der.

Wie soll das konkret aussehen in einer Gesellscha­ft, die durch Migration jetzt noch bunter geworden ist als dies nach dem Krieg der Fall war? In der Schule sollte die Möglichkei­t da sein, Schwäbisch als Zusatzfach wählen zu können. In einigen Ländern im Norden gibt es für das Platt gute Ansätze in dieser Richtung. Außerdem sollte Schwäbisch an Volkshochs­chulen und an anderen Bildungsei­nrichtunge­n angeboten werden. Wenn wir unsere unsere oberschwäb­ische Identität nicht verlieren wollen, dann müssen wir auch unseren Dialekt pflegen. Denn dieser ist hiervon das Herzstück. Und das nicht nur in Unterhaltu­ngssendung­en wie Hannes und Bürgermeis­ter. Schwäbisch hat es verdient, ernst genommen zu werden. Es bietet so viele Möglichkei­ten, Stimmungen und Sachverhal­te prägnant auszudrück­en, was das Schriftdeu­tsch nicht schafft. Die emotionale Seite der Sprache ist die Stärke des Dialekts. Das macht sie menschlich.

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FOTO: Peter Schmid

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