Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mutmaßliche Räuber stehen vor Gericht
Prozess vor dem Landgericht Ravensburg wegen Überfalls auf Wangener Seniorin
RAVENSBURG/WANGEN - Seit Ende November müssen sich vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Ravensburg zwei Georgier mit abgewiesenem Asylantrag wegen schweren Raubes verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, im August 2014 gemeinsam mit drei flüchtigen Komplizen die betagte Bewohnerin einer Wangener Villa überfallen und hierbei Schmuck im Wert von mehreren Zehntausend Euro erbeutet zu haben. Sie sollen die Frau sowie deren Haushaltshilfe gefesselt und geknebelt haben. Letzterer war es nach Verlassen der vermutlichen Gangster gelungen, sich zu befreien und die Polizei zu rufen.
Beim jüngsten Verhandlungstag wurden vier Zeugen vernommen. Dabei bewegte sich der Kumpel eines am Überfall Mitbeteiligten und anschließend in die Türkei Geflüchteten wegen seiner vermeintlichen Erinnerungslücken auf schmalem Grat. Gegen den Mann hatte die Staatsanwaltschaft ursprünglich ebenfalls ein Verfahren eröffnet, es dann aber eingestellt. Nach seinem Herumeiern im Zeugenstand zum Schutz des Freundes sah sich Staatsanwältin Christine Weiss geneigt, das Verfahren gegen ihn wieder aufzunehmen. Erst nach dieser Drohung wurde er gesprächiger.
Erhebliche Erinnerungslücken Richter Matthias Geiser und Vorsitzender Jürgen Hutterer mussten dem Zeugen jede Antwort „aus der Nase ziehen“, meist wollte er nichts mehr wissen. Erheblich belastet wurde das Duo von einem Vernehmungsbeamten der Ravensburger Kripo, die bei ihren Recherchen im Internet bei Google und Ebay erfahren hatten, dass die Tatbeteiligten dort Kleidungsstücke bestellt hatten, die denen von Postangestellten ähnelten. Solche Post-Bekleidung (Basecap, Regenjacke und PostlerLangarm-Jacke) soll nach Aussagen anderer Zeugen einer der Täter getragen haben.
Trotz ihrer reichen Beute waren die Täter mit dem Erlös ihres Raubzuges nicht zufrieden. Bei einem Treffen am Tag danach in einem Büro in Kressbronn zeigte sich der später in die Türkei Geflüchtete aufgebracht. Er fühlte sich von seinen Komplizen über den Tisch gezogen.
Zu dem Gespräch zitierte der Unternehmer telefonisch einen jetzt vernommen Zeugen aus Bermatingen von der Arbeit weg zur Unterstützung ins Büro nach Kressbronn. Und der spurte, denn der Flüchtige – angeblich mittlerweile wieder in Oberschwaben Gesehene und in der Immobilienbranche tätig – ist Pate seiner Tochter. Thema des Gesprächs am Tag danach im Büro des Unternehmers in Kressbronn sei gewesen, „in Wangen so Schei... gebaut zu haben“, dass der in die Türkei abhauen musste. Zuvor erhielt der Zeuge vom abgetauchten Kumpel den Auftrag, sich um eine seiner Frauen zu kümmern.
„Etwas zu holen“in der Villa Nach dem Drängen und Mahnen von Gericht und Staatsanwaltschaft wusste der Zeuge plötzlich wieder, dass vor dem Überfall die Rede davon gewesen sei, in der Villa „sei etwas zu holen“. Aber auch, dass die beiden Angeklagten als vorbestrafte „georgische Tagediebe“bekannt waren, die er vor Gericht nicht (mehr) kannte. Die wollten klauen und verkaufen, hätten versucht, an Geld zu kommen. Das sei seit Jahren so gegangen. Angeblich ging es auch um Medikamentenbeschaffung gegen Knochenkrebs.
Eine Kripo-Beamtin hatte sich nach dem Überfall in der Nachbarschaft umgehört und dabei erfahren, dass einer der Täter Postkleidung getragen habe. Deren Kollege aus Ravensburg war unter anderem bei einer Zeugin in Friedrichshafen, die Angst hatte, sich selbst strafbar gemacht zu haben, denn sie hatte auf Bitten eines der Angeklagten solche Kleidung im Internet bestellt, angeblich ohne von dem geplanten Überfall zu wissen. Sie sollte auch zu der Villa gehen und fragen, ob ihr ein Zimmer vermietet wird.
Eine Zeugin hat einen der Angeklagten auf Bildern, die ihr bei der Polizei vorgelegt wurden, erkannt. „Alles klar, 100 pro“, hatte sie sich sicher gezeigt. Was dessen Verteidigerin erschüttern wollte, da die Zeugin sich nur auf die „stechenden Augen“bezogen habe.
Der Prozess wird am 20. und eventuell am 22. Dezember fortgesetzt.