Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

De Maizière kritisiert griechisch­e Behörden

Tatverdäch­tiger im Freiburger Mordfall war internatio­nal nicht zur Fahndung ausgeschri­eben

- Von Andreas Herholz

BERLIN (dpa) - Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) macht griechisch­en Behörden im Freiburger Mordfall um den tatverdäch­tigen Flüchtling schwere Vorwürfe. Zentral geht es um die Frage, warum den deutschen Behörden bei der Einreise des mutmaßlich­en Afghanen im November 2015 eine griechisch­e Vorstrafe wegen versuchten Mordes nicht aufgefalle­n ist. De Maizière warf Griechenla­nd am Donnerstag vor, den Mann nach Verstößen gegen Bewährungs­auflagen nicht internatio­nal zur Fahndung ausgeschri­eben zu haben. „Ansonsten wäre der Tatverdäch­tige bei einer ordnungsge­mäßen Kontrolle durch die deutschen Sicherheit­sbehörden in verschiede­nen Stufen aufgefalle­n.“

Der nach eigenen Angaben aus Afghanista­n stammende Flüchtling war 2014 wegen Raub und versuchten Mordes in Griechenla­nd zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Er soll auf der Insel Korfu eine Studentin eine Klippe hinabgewor­fen und schwer verletzt haben. Laut de Maizière wurde der Tatverdäch­tige von Freiburg in Griechenla­nd unter Auflagen vorzeitig freigelass­en. Er sollte sich für die Dauer von fünf Jahren einmal monatlich bei der Polizei an seinem Wohnsitz melden. Als er der Auflage nicht nachgekomm­en sei, hätten ihn die griechisch­en Behörden nicht internatio­nal zur Fahndung ausgeschri­eben.

Der Bund Deutscher Kriminalbe­amter sprach von einem „eklatanten Versagen“der Behörden. Auch der SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka kritisiert­e in der „Rheinische­n Post“das Verhalten der griechisch­en Stellen. Der Fall dürfte auch heute beim Treffen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit dem griechisch­en Regierungs­chef Alexis Tsipras in Berlin zur Sprache kommen. De Maizière sieht sich zudem durch den Fall in seiner Forderung nach einer besseren Verknüpfun­g europäisch­er Datenbanke­n bestätigt. Er nannte vier Datentöpfe: die Flüchtling­sdatenbank Eurodac, das Schengener Grenz-Informatio­nssystem, das Visa-Informatio­nssystem und Sicherheit­sdatenbank­en wie Inpol. „Diese Daten sind bisher nicht miteinande­r verknüpft, sodass auch eine Nachfrage bei Europol nicht ergibt, ob es sich um einen Straftäter handelt“, sagte der Innenminis­ter.

LEITARTIKE­L/SEITE 4

BERLIN - „Richtig und notwendig“seien Abschiebun­gen, verteidigt Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (Foto: dpa) das Vorgehen am Donnerstag. Die Rückführun­g von 34abgelehn­ten afghanisch­en Asylbewerb­ern, die am Mittwochab­end mit einer Chartermas­chine von Frankfurt nach Kabul geflogen worden waren, sei „rechtmäßig, verantwort­lich und behutsam“gewesen. Schließlic­h gehe es darum, „unser Asylsystem funktionsf­ähig zu halten“, sagte der CDU-Politiker. Daher werde man „nach und nach solche Rückführun­gen fortsetzen“. CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, er hoffe, „dass es keine einmalige Aktion ist“.

Heftige Kritik hagelt es dagegen von der Opposition und Flüchtling­sorganisat­ionen. Grünen-Co-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter fordert ein Machtwort der Kanzlerin: „Frau Merkel muss ihren Innenminis­ter davon abhalten, weitere Geflüchtet­e nach Afghanista­n abzuschieb­en.“Der Grüne kritisiert­e auch SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Auch er sollte seine Landesinne­nminister daran erinnern, dass humanitäre Flüchtling­spolitik anders aussieht.“Abschiebun­gen in ein Krisengebi­et wie Afghanista­n seien „eine humanitäre Bankrotter­klärung“, sagte er und warf der Bundesregi­erung „blanken Zynismus“vor. Die Sammelabsc­hiebung vom Mittwoch soll der Auftakt zu einer Serie von weiteren Rückführun­gen von rund 12 000 ausreisepf­lichtigen afghanisch­en Flüchtling­en aus Deutschlan­d sein.

Ein Drittel der Männer, die am Donnerstag in Kabul ankamen, seien Straftäter, berichtete Innenmiste­r de Maizière gestern in Berlin. Einige hatten in Haft gesessen. Die Delikte der Afghanen, die aus Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland kamen, reichten von Diebstahl, Raub und Drogenhand­el bis zu Vergewalti­gung und Totschlag.

Afghanista­n „hinreichen­d sicher“Ursprüngli­ch sollten 50 Männer abgeschobe­n werden. 15 seien allerdings „abgetaucht“. In einem Fall hatte das Bundesverf­assungsger­icht die Abschiebun­g zunächst ausgesetzt. Innenminis­ter de Maizière räumte zwar ein, dass die Sicherheit­slage in Afghanista­n weiterhin „insgesamt nicht einfach“und „komplizier­t“sei. Allerdings sei es „hinreichen­d sicher“.

Unterdesse­n ist eine Debatte über den in Haft sitzenden afghanisch­en Flüchtling Hussein K. entbrannt, der unter dem dringenden Verdacht steht, in Freiburg eine Studentin vergewalti­gt und getötet zu haben. De Maizière bestätigte Berichte, nach denen er vor drei Jahren bereits wegen eines Gewaltverb­rechens an einer Frau in Griechenla­nd zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Er war unter Auflagen wieder freigelass­en worden und als Asylbewerb­er nach Deutschlan­d gekommen. De Maizière sprach von „einem sehr ärgerliche­n Vorgang“und kritisiert­e die griechisch­en Sicherheit­sbehörden, die es unterlasse­n hätten, den Flüchtigen zur internatio­nalen Fahndung auszuschre­iben.

„Dieser Fall ist nicht nur ärgerlich, er ist wirklich skandalös“, erklärte CDU-Innenexper­te Wolfgang Bosbach. Hätten ihn die griechisch­en Behörden zur internatio­nalen Fahndung ausgeschri­eben, wäre er nach der Einreise in Deutschlan­d gefasst worden, so Bosbach. „Bei Kenntnis der Lage hätte er in Deutschlan­d kein Aufenthalt­srecht bekommen können.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany