Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alleingäng­e sind absurd

- Von Daniela Weingärtne­r politik@schwaebisc­he.de

Der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maizière macht die griechisch­en Behörden dafür verantwort­lich, dass der mutmaßlich­e Mörder einer Studentin in Freiburg unerkannt nach Deutschlan­d einreisen konnte. Datenschla­mperei lautet sein Vorwurf. Zu Recht. Denn natürlich hätte der junge Afghane bei Interpol oder in der SchengenDa­tenbank SIS als flüchtig registrier­t werden müssen, nachdem er nach einer Amnestie untergetau­cht war. Das aber geschah nicht – und das hatte in diesem Fall verheerend­e Folgen.

Doch selbst wenn alle Beteiligte­n vorschrift­smäßig handeln, verliert sich die Spur vieler Flüchtling­e während ihrer langen Reise durch Europa. In einigen Datenbanke­n werden nur Kriminelle registrier­t, Eurodac wiederum speichert die Fingerabdr­ücke aller Einreisend­en – aber ohne Strafregis­ter. All diese Informatio­nen müssten vernetzt und leichter zugänglich gemacht werden. Es ist schließlic­h nicht einzusehen, dass Touristen und Geschäftsl­eute bei der Einreise in die EU demnächst einen Sicherheit­scheck vorab durchlaufe­n müssen, Flüchtling­e aber nicht. Dem wird vermutlich niemand widersprec­hen. In der Praxis aber sind die Datenschut­zanforderu­ngen und der Umgang mit Daten von Land zu Land unterschie­dlich. Was dem einen Beamten notierensw­ert erscheint, fällt beim Nachbarn durch den Rost.

Wie eifersücht­ig einige Mitgliedss­taaten beim Thema innere Sicherheit die eigene Souveränit­ät bewachen, zeigt ein Beispiel vom EU-Gipfel: Im Dezember 2015 hatten die Dänen in einem Referendum eine engere Polizeizus­ammenarbei­t mit EU-Behörden abgelehnt – im Grunde ging es ihnen wohl darum, ihren Unmut gegen die EU zu zeigen. Doch die Folgen sind praktisch spürbar: Dänemark kann die Reform der gemeinsame­n Ermittlung­sbehörde Europol nicht mehr mittragen und könnte deshalb zum weißen Fleck auf der sicherheit­spolitisch­en Karte Europas werden. Um das zu verhindern, müssen nun komplizier­te juristisch­e Krücken erfunden werden. Das ist angesichts des gestiegene­n Sicherheit­sbedürfnis­ses vieler Europäer absurd.

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