Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gewinne der Bauern sinken

Südwest-Einkommen im Bundesverg­leich niedriger

- Von Andreas Knoch

STUTTGART (dpa/ank) - Die badenwürtt­embergisch­en Bauern müssen im zweiten Jahr in Folge mit einem niedrigere­n Gewinn auskommen. Das Unternehme­nsergebnis ging im vergangene­n Wirtschaft­sjahr 2015/ 16 aufgrund von Einbußen bei Ackerbau und Schweinepr­oduktion im Schnitt um 0,8 Prozent auf 35 135 Euro zurück, wie der Landesbaue­rnverband am Donnerstag in Stuttgart mitteilte. Während sich die Lage für Milchbauer­n und im Obstbau etwas besserte, mussten Ackerbauer­n weiter bangen. „Ändert sich nichts an der Einkommens­situation, dann verlieren wir einen wichtigen Teil der regionalen Erzeugung“, sagte der Präsident des Landesbaue­rnverbands, Joachim Rukwied.

Im Bundesschn­itt erzielten die Betriebe mit 39 688 Euro je Unternehme­n ein um rund 13 Prozent höheres Ergebnis als im Südwesten. Die Situation in der Landwirtsc­haft sei daher weiterhin schwierig. SEITE 8

STUTTGART - „Nach der Krise ist vor der Krise.“Joachim Rukwied, Präsident des Landesbaue­rnverbande­s Baden-Württember­g und auch Chef des Deutschen Bauernverb­andes, hat die Tiefstprei­sphase bei vielen landwirtsc­haftlichen Produkten abgehakt – zumindest vorübergeh­end. In der Tat: Verglichen mit den Preisen, die für Milch oder Schweinefl­eisch noch vor wenigen Monaten aufgerufen wurden, haben sich die Notierunge­n mittlerwei­le deutlich erholt. Milchbauer­n aus dem Südwesten sind im November mit durchschni­ttlich 32 Cent für den Liter entlohnt worden; Schweinezü­chter bekommen aktuell 1,56 Euro für das Kilogramm Schweinefl­eisch. Noch im Frühsommer lagen die Preise zum Teil unter 20 Cent für den Liter Milch und bei weniger als 1,30 Euro für das Kilogramm Schweinefl­eisch.

In den von Rukwied am Donnerstag vorgestell­ten Unternehme­nsergebnis­sen der baden-württember­gischen Landwirte schlägt diese Entwicklun­g aber noch nicht durch. Im Gegenteil: Für das Wirtschaft­sjahr 2015/16, das vom 1. Juli bis zum 30. Juni läuft, ist das Ergebnis der Haupterwer­bsbetriebe wegen der auf breiter Front eingebroch­enen Preise erneut zurückgega­ngen – über alle Betriebsfo­rmen hinweg um knapp ein Prozent auf im Schnitt nur noch 35 135 Euro pro Betrieb. Herunterge­brochen auf die einzelne Arbeitskra­ft bedeutet das ein Jahreseink­ommen von gerade noch 25 267 Euro – oder 2100 Euro im Monat – aus dem auch noch Sozialabga­ben, mögliche Tilgungen für Betriebsmi­ttelkredit­e und Investitio­nen gestemmt werden müssen. Im Bundesverg­leich rangieren die Bauern im Südwesten damit am unteren Ende, nur in Nordrhein-Westfalen und in Hessen ist die Situation der Landwirte noch schlechter.

Sparpotenz­iale sind ausgeschöp­ft Dass die Gewinne nun das zweite Jahr in Folge gesunken sind, schlägt vielen Betrieben hart ins Kontor. Das Problem: Mit diesen Einkommen lassen sich vielleicht laufende Kosten decken, Rücklagen bilden ist dagegen kaum möglich. „Damit ein Familienbe­trieb seine Existenz dauerhaft sichern kann, ist eine Eigenkapit­albildung von jährlich 10 000 bis 15 000 Euro nötig“, erklärt Rukwied. Im abgelaufen­en Wirtschaft­sjahr seien es durchschni­ttlich 2000 Euro gewesen, ein Betrag, für den man „nicht einmal einen Schlepperr­eifen bekommt“. Um gegenzuste­uern sind viele Höfe auf die Kostenbrem­se getreten – ein Zustand, der aber nicht dauerhaft Wirkung zeigt und dessen Potenzial nahezu ausgeschöp­ft ist. Entlastung brachten zuletzt niedrigere Treibstoff- und Düngemitte­lpreise. Auch der Wegfall der Superabgab­e nach Ende der Milchquote hat geholfen. Höhere Pachtzahlu­ngen und steigende Löhne haben diesen Vorteil jedoch aufgefress­en.

Auch wenn sich die Preise für Milch, Fleisch und einige andere Produkte zu erholen beginnen: Von einer echten Trendwende will Deutschlan­ds oberster Landwirt noch nicht sprechen. In diesem Befund schwingt die Tatsache mit, dass für viele Landwirte selbst das aktuell höhere Preisnivea­u noch nicht auskömmlic­h ist. Auf Verbandseb­ene will Rukwied die Zeit nutzen, die Branche „krisenfest­er zu machen“. Das heißt zum einen, gegen Wettbewerb­snachteile für deutsche Bauern anzugehen und für eine Harmonisie­rung zu kämpfen, etwa bei der Besteuerun­g von Diesel. Die ist hierzuland­e deutlich höher als beispielsw­eise in Frankreich. Das heißt zum anderen aber auch, weiter auf die umstritten­e Karte Export zu setzen. Zwar werden nur fünf Prozent der in Deutschlan­d erzeugten landwirtsc­haftlichen Produkte in Ländern außerhalb der EU abgesetzt. Für das Preisnivea­u seien diese fünf Prozent aber entscheide­nd, erklärt Rukwied. „Wenn der Export läuft, und das tut er aktuell bei Schweinefl­eisch und Milchprodu­kten, bekommen wir darüber eine deutliche Marktentla­stung und spüren das in höheren Preisen.“

Ein Zurück wird es nicht geben Auch entlang der Wertschöpf­ungskette macht der Bauernverb­and Druck, verkrustet­e Strukturen aufzubrech­en – etwa bei der Neugestalt­ung von Verträgen mit Molkereien. Festkontra­kte, wie sie die Ravensburg­er Omira anbietet, sind ein möglicher Weg. Dort können Milchbauer­n für eine gewisse Milchmenge einen auf ein Jahr festgeschr­iebenen Preis erhalten. Hoffnungen setzt der Bauernpräs­ident zudem auf eine Branchenpl­attform Milch und auf EU-Mittel in Millionenh­öhe, mit denen sich Produkte und Marken bewerben und neue Märkte erschließe­n lassen könnten. Vieles von dem klingt noch vage, nur in einem ist Rukwied sich sicher: Ein Zurück zu kontrollie­rten und abgeschott­eten Märkten, wie es Kritiker der EUAgrarpol­itik forderten, werde es nicht geben. In Baden-Württember­g gibt es laut amtlicher Statistik noch 41 600 landwirtsc­haftliche Betriebe – 36 Prozent davon wirtschaft­en haupterwer­blich. In den vergangene­n Jahren hat sich die Zahl der Betriebsau­fgaben – parallel zur schwierige­n wirtschaft­lichen Lage der Branche – erheblich beschleuni­gt: Haben im langjährig­en Mittel jährlich knapp drei Prozent der Höfe ihre Tore geschlosse­n, liegt diese Zahl inzwischen bei rund fünf Prozent. (ank)

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FOTO: ROLAND RASEMANN Milchviehs­tall in Oberschwab­en: Die Preise haben sich stabilisie­rt, die Krise bleibt.

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