Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gewinne der Bauern sinken
Südwest-Einkommen im Bundesvergleich niedriger
STUTTGART (dpa/ank) - Die badenwürttembergischen Bauern müssen im zweiten Jahr in Folge mit einem niedrigeren Gewinn auskommen. Das Unternehmensergebnis ging im vergangenen Wirtschaftsjahr 2015/ 16 aufgrund von Einbußen bei Ackerbau und Schweineproduktion im Schnitt um 0,8 Prozent auf 35 135 Euro zurück, wie der Landesbauernverband am Donnerstag in Stuttgart mitteilte. Während sich die Lage für Milchbauern und im Obstbau etwas besserte, mussten Ackerbauern weiter bangen. „Ändert sich nichts an der Einkommenssituation, dann verlieren wir einen wichtigen Teil der regionalen Erzeugung“, sagte der Präsident des Landesbauernverbands, Joachim Rukwied.
Im Bundesschnitt erzielten die Betriebe mit 39 688 Euro je Unternehmen ein um rund 13 Prozent höheres Ergebnis als im Südwesten. Die Situation in der Landwirtschaft sei daher weiterhin schwierig. SEITE 8
STUTTGART - „Nach der Krise ist vor der Krise.“Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg und auch Chef des Deutschen Bauernverbandes, hat die Tiefstpreisphase bei vielen landwirtschaftlichen Produkten abgehakt – zumindest vorübergehend. In der Tat: Verglichen mit den Preisen, die für Milch oder Schweinefleisch noch vor wenigen Monaten aufgerufen wurden, haben sich die Notierungen mittlerweile deutlich erholt. Milchbauern aus dem Südwesten sind im November mit durchschnittlich 32 Cent für den Liter entlohnt worden; Schweinezüchter bekommen aktuell 1,56 Euro für das Kilogramm Schweinefleisch. Noch im Frühsommer lagen die Preise zum Teil unter 20 Cent für den Liter Milch und bei weniger als 1,30 Euro für das Kilogramm Schweinefleisch.
In den von Rukwied am Donnerstag vorgestellten Unternehmensergebnissen der baden-württembergischen Landwirte schlägt diese Entwicklung aber noch nicht durch. Im Gegenteil: Für das Wirtschaftsjahr 2015/16, das vom 1. Juli bis zum 30. Juni läuft, ist das Ergebnis der Haupterwerbsbetriebe wegen der auf breiter Front eingebrochenen Preise erneut zurückgegangen – über alle Betriebsformen hinweg um knapp ein Prozent auf im Schnitt nur noch 35 135 Euro pro Betrieb. Heruntergebrochen auf die einzelne Arbeitskraft bedeutet das ein Jahreseinkommen von gerade noch 25 267 Euro – oder 2100 Euro im Monat – aus dem auch noch Sozialabgaben, mögliche Tilgungen für Betriebsmittelkredite und Investitionen gestemmt werden müssen. Im Bundesvergleich rangieren die Bauern im Südwesten damit am unteren Ende, nur in Nordrhein-Westfalen und in Hessen ist die Situation der Landwirte noch schlechter.
Sparpotenziale sind ausgeschöpft Dass die Gewinne nun das zweite Jahr in Folge gesunken sind, schlägt vielen Betrieben hart ins Kontor. Das Problem: Mit diesen Einkommen lassen sich vielleicht laufende Kosten decken, Rücklagen bilden ist dagegen kaum möglich. „Damit ein Familienbetrieb seine Existenz dauerhaft sichern kann, ist eine Eigenkapitalbildung von jährlich 10 000 bis 15 000 Euro nötig“, erklärt Rukwied. Im abgelaufenen Wirtschaftsjahr seien es durchschnittlich 2000 Euro gewesen, ein Betrag, für den man „nicht einmal einen Schlepperreifen bekommt“. Um gegenzusteuern sind viele Höfe auf die Kostenbremse getreten – ein Zustand, der aber nicht dauerhaft Wirkung zeigt und dessen Potenzial nahezu ausgeschöpft ist. Entlastung brachten zuletzt niedrigere Treibstoff- und Düngemittelpreise. Auch der Wegfall der Superabgabe nach Ende der Milchquote hat geholfen. Höhere Pachtzahlungen und steigende Löhne haben diesen Vorteil jedoch aufgefressen.
Auch wenn sich die Preise für Milch, Fleisch und einige andere Produkte zu erholen beginnen: Von einer echten Trendwende will Deutschlands oberster Landwirt noch nicht sprechen. In diesem Befund schwingt die Tatsache mit, dass für viele Landwirte selbst das aktuell höhere Preisniveau noch nicht auskömmlich ist. Auf Verbandsebene will Rukwied die Zeit nutzen, die Branche „krisenfester zu machen“. Das heißt zum einen, gegen Wettbewerbsnachteile für deutsche Bauern anzugehen und für eine Harmonisierung zu kämpfen, etwa bei der Besteuerung von Diesel. Die ist hierzulande deutlich höher als beispielsweise in Frankreich. Das heißt zum anderen aber auch, weiter auf die umstrittene Karte Export zu setzen. Zwar werden nur fünf Prozent der in Deutschland erzeugten landwirtschaftlichen Produkte in Ländern außerhalb der EU abgesetzt. Für das Preisniveau seien diese fünf Prozent aber entscheidend, erklärt Rukwied. „Wenn der Export läuft, und das tut er aktuell bei Schweinefleisch und Milchprodukten, bekommen wir darüber eine deutliche Marktentlastung und spüren das in höheren Preisen.“
Ein Zurück wird es nicht geben Auch entlang der Wertschöpfungskette macht der Bauernverband Druck, verkrustete Strukturen aufzubrechen – etwa bei der Neugestaltung von Verträgen mit Molkereien. Festkontrakte, wie sie die Ravensburger Omira anbietet, sind ein möglicher Weg. Dort können Milchbauern für eine gewisse Milchmenge einen auf ein Jahr festgeschriebenen Preis erhalten. Hoffnungen setzt der Bauernpräsident zudem auf eine Branchenplattform Milch und auf EU-Mittel in Millionenhöhe, mit denen sich Produkte und Marken bewerben und neue Märkte erschließen lassen könnten. Vieles von dem klingt noch vage, nur in einem ist Rukwied sich sicher: Ein Zurück zu kontrollierten und abgeschotteten Märkten, wie es Kritiker der EUAgrarpolitik forderten, werde es nicht geben. In Baden-Württemberg gibt es laut amtlicher Statistik noch 41 600 landwirtschaftliche Betriebe – 36 Prozent davon wirtschaften haupterwerblich. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Betriebsaufgaben – parallel zur schwierigen wirtschaftlichen Lage der Branche – erheblich beschleunigt: Haben im langjährigen Mittel jährlich knapp drei Prozent der Höfe ihre Tore geschlossen, liegt diese Zahl inzwischen bei rund fünf Prozent. (ank)