Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

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Der Deutsche Mahmou Othman hilft beim Aufbau eines Instituts für Traumabeha­ndlung im Irak

- Von Christoph Plate

Hilfsaktio­n Deutscher Jeside will im Irak eine Traumather­apie vor Ort ermögliche­n.

DOHUK - Eigentlich ist Mahmou Othman Anglist und führt irakische Studenten in die Schönheit der Literatur ein. 30 Jahre lang hat er in Berlin gelebt. Und ist irgendwann wieder zurückgeko­mmen in den Norden des Irak. Zu seinen Leuten, den Jesiden, auf die der Rest der irakischen Gesellscha­ft herabschau­t, so wie man in Deutschlan­d vielleicht auf die Zigeuner herabgebli­ckt hat. „Ich kam, um den Menschen hier zu zeigen, dass es sich zu bleiben lohnt“, sagt der Professor in der Lobby des Jiyan-Hotels in Dohuk. Das ist ein großer Kasten aus Beton, den einst Saddam Hussein erbauen ließ, und von dem aus man einen wunderbare­n Blick auf die Stadt im Nordirak hat.

Am 1. Januar beginnt für Mahmou Othman und die Universitä­t Dohuk etwas, was es bisher im Irak noch nicht gegeben hat: Mit Unterstütz­ung des Landes Baden-Württember­g wird ein Institut für Traumather­apie und Psychotrau­matologie gegründet. 30 Master-Studenten der Psychologi­e sollen dann in Vorlesunge­n meist deutscher Dozenten über den richtigen Umgang mit den Schrecken der Gegenwart und den Dämonen der Vergangenh­eit lernen. „Früher schämte man sich, wenn man zu einem Psychologe­n ging, das ändert sich aber“, weiß Professor Othman. Das hat auch mit jenen Gräueltate­n zu tun, die die Terrororga­nisation Islamische­r Staat über das Land gebracht hat. Besonders die Jesiden hatten und haben unter Gewalt und Verfolgung zu leiden: Menschen verloren Haus und Hof, Frauen wurden misshandel­t, Männer getötet. Die Jesiden zählen mehr als 70 Genozide in ihrer langen Geschichte. Auch wenn kritische Iraker sagen, sie gefielen sich zu sehr in der Opferrolle, ist der Bedarf an Therapie und Hilfe doch ganz offensicht­lich. Die Universitä­tsverwaltu­ng stellte ein altes Gebäude zu Verfügung, das Land Baden-Württember­g gab eine Million Euro, Wissenscha­ftsministe­rin Teresa Bauer wird bald erwartet und dann soll es losgehen.

Othman sagt, gerade die Jesiden bräuchten die Nähe zu ihren heiligen Orten im Nordirak. Jetzt will man, nachdem mehr als tausend jesidische Frauen nach Baden-Württember­g geholt wurden, versuchen, Therapie vor Ort anzubieten, für die Jesiden und für syrische Flüchtling­e.

„Muslime und Christen können überall beten, Jesiden brauchen ihre Rituale, die Verbindung zu ihrem Boden, ihrer Erde hier im Nordirak, sie brauchen ihren heiligen Ort Lalish“, sagt Othman. Es habe doch keinen Sinn, wenn immer mehr Jesiden das Land verließen, das Land ihrer Vorfahren und Götter. Traumather­apie in Dohuk ist ein Versuch, zur Fluchtursa­chenbekämp­fung beizutrage­n. Wenn die Menschen mit ihren Seelenqual­en im Irak therapiert werden können, gibt es weniger Verlockung sich auf den langen Weg nach Europa oder Amerika zu machen.

Othman kritisiert die Gleichgült­igkeit vieler Iraker gegenüber den Minderheit­en im Land. Seine muslimisch­en Kollegen kämen zwar gerne zu ihm zu Besuch, um mit ihm Alkohol zu trinken, aber kaum jemand protestier­e gegen die Verfolgung der Jesiden, es sei vielen von ihnen offenbar egal. Wie aber kann eine solche Gesellscha­ft, die gleichgült­ig mit Minderheit­en umgeht, versöhnt werden? Nach all den Grausamkei­ten unter Saddam Hussein und jetzt durch die Terroriste­n des IS wirkt diese Aufgabe riesengroß. Der Jeside Othman sagt, ihn beeindruck­e, was in Ruanda nach dem Genozid von 1994 gemacht worden sei: die Menschen wurden gezwungen sich zu versöhnen und wieder miteinande­r zu leben. In dem ostafrikan­ischen Land hat ein weitsichti­ger Diktator diesen Zwang zur Versöhnung durchgeset­zt.

Ob das im Irak gelingen kann? Othman weiß es nicht, er sagt nur, Jesiden hätten keine Probleme mit Muslimen, die aber umgekehrt mit den Jesiden. Jetzt geht es darum, Geld für die Stipendien der Studenten zusammenzu­bekommen. Für die Gründung des Instituts, die Löhne und Reisekoste­n der Dozenten gibt es Geld von der Landesregi­erung in Stuttgart. Ende Dezember beginnt in Dohuk die Auswahl der Studientei­lnehmer, die meisten von ihnen werden Ärzte sein, die erkennen, dass der Irak mit seinen Traumata klarkommen muss. Im Grunde brauche das ganze Land eine Therapie, sagt Othman.

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 ?? FOTOS: JASMIN OFF ?? Ein Junge am heiligen Ort Lalish im Nordirak. „Die Jesiden brauchen die Verbindung zu ihrem Boden“, sagt der Deutsche Mahmou Othman.
FOTOS: JASMIN OFF Ein Junge am heiligen Ort Lalish im Nordirak. „Die Jesiden brauchen die Verbindung zu ihrem Boden“, sagt der Deutsche Mahmou Othman.
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Mahmou Othman

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