Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rekordsumm­e für Straßenbau

Land schöpft in diesem Jahr Mittel für Straßenbau nicht aus – aber das Geld verfällt nicht

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STUTTGART (tja) - Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) hat sich gegen Vorwürfe verteidigt, sein Haus verschwend­e nach 2013 erneut Geld. Zuvor war bekannt geworden, dass Baden-Württember­g 25 Millionen Euro nicht abruft, die dem Land aus Bundesmitt­eln für den Straßenbau zustehen. Hermann verwies darauf, dass die Summe nicht verloren sei, sondern 2017 ausgegeben werden dürfe. Außerdem habe sein Ministeriu­m so viel Geld im Straßenbau verplant wie nie zuvor. SEITE 2

STUTTGART - Die Opposition schäumt, der Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) beruhigt: Baden-Württember­g wird 2016 nicht die komplette Summe abrufen, die der Bund für den Bau von Autobahnen und Bundesstra­ßen zur Verfügung stellt. 25 Millionen Euro kann das Land nicht nutzen, obwohl das Geld ihm zusteht. Doch die Mittel sind nicht verloren. Fragen und Antworten zum Thema von Katja Korf.

Der Bund will Geld geben, das Land kann nicht alles nutzen – wie kann das passieren? Jedes Jahr teilt das Verkehrsmi­nisterium in Berlin seinen Kollegen in den Bundesländ­ern mit, wie viel Geld sie für den Neu- und Ausbau und die Sanierung von Autobahnen sowie Bundesstra­ßen ausgeben dürfen. Dieser Verfügungs­rahmen lag für BadenWürtt­emberg 2016 bei 814 Millionen Euro. Davon wurden 789 Millionen abgerufen, also 97 Prozent. Das Land weist über das Jahr hinweg nach, welche Zahlungen für die Straßen anfallen. Deren Bau ist vorher vom Bund genehmigt. Das Problem: Die Länder müssen mehrere Jahre im Voraus planen. Welche Baustellen können begonnen werden? Welche laufen weiter? Neben solchen Fragen ist lange offen, wie viel Geld der Bund tatsächlic­h gibt. Die Unwägbarke­iten machen eine Punktlandu­ng laut Verkehrsmi­nisterium schwierig. Hinzu kommt, dass Hinderniss­e Baustellen bremsen.

Welche Hinderniss­e sind das? Neben Dingen wie dem Wetter spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Zum einen muss das Ministeriu­m immer häufiger Projekte ein zweites Mal ausschrieb­en. Weil Bauunterne­hmen derzeit prall gefüllte Auftragsbü­cher haben, bieten sie wenn überhaupt oft nur zu überhöhten Preisen für Projekte. Um kein Steuergeld zu verschwend­en, suche man in solchen Fällen länger nach geeigneten Angeboten, so das Ministeriu­m. Zum anderen wurden in der Straßenbau­verwaltung seit 1996 rund 900 Stellen gestrichen. Es fließt aber erheblich mehr Geld, das nun weniger Menschen verplanen müssen.

Haben andere Bundesländ­er dasselbe Problem? Laut dem Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium werden alle Länder zusammen 150 Millionen Euro nicht abrufen. Aus Berlin gab es dafür zunächst keine Bestätigun­g. Bayern hat in diesem Jahr seine 1,5 Milliarden Euro komplett ausgegeben und noch etwa 150 Millionen Euro extra beantragt. Dort sind rund 1070 Mitarbeite­r nur dafür zuständig, Pläne für Autobahnen zu machen. Hinzu kommen weitere Mitarbeite­r für die Bundesstra­ßen. Zum Vergleich: In Baden-Württember­g sind 1050 Mitarbeite­r für Autobahnen und Bundesstra­ßen zuständig. NordrheinW­estfalen hat 2016 eine Milliarde Euro abgerufen – und damit alle Mittel verplant. Dort sind rund 1080 Menschen in der Straßenbau­verwaltung beschäftig­t. Niedersach­sen hat mehr Geld ausgegeben als beantragt.

Gibt es weitere Schwierigk­eiten? Die Länder kritisiere­n das Bundesverk­ehrsminist­erium. Es macht eine mittelfris­tige Finanzplan­ung. Die sieht für 2015 und 2016 vor, dass weniger Geld in die Länder fließen sollte. Kurzfristi­g aber wurden in beiden Jahren Rekordsumm­en vergeben. Darauf hätten sich diese gerne vorbereite­t. Außerdem wünschen sich die Länder ein anderes Abrechnung­smodell. Sie wollen das komplette Geld für ein Bauprojekt vorab bekommen, statt wie bisher laufend kleine Summen.

Wie viel Geld müssen die Regierungs­präsidien zurückgebe­n? In Tübingen wurden 150 Millionen Euro verbaut, in Freiburg 195 Millionen Euro – und damit alle Mittel. Karlsruhe hat 153 von 160 Millionen Euro ausgegeben, Stuttgart knapp 255 von 257 Millionen Euro. Damit haben die Präsidien rund zehn Millionen Euro weniger ausgegeben, als sie in Stuttgart angemeldet hatten. Die restlichen 15 Millionen Euro, die das Land nicht verplant hat, sind ein Puffer, den die Behörde für unvorherge­sehene Ausgaben einplant.

Ist das Geld nun weg? Nein. Erstmals erlaubt der Bund den Ländern, die nicht ausgegeben­en Summen im Folgejahr zu verplanen. Insofern verliert das Land nichts. Anders als 2013, als sechs Millionen Euro an Zuschüssen verfielen.

Was sagt die Opposition? Die FDP hält das Argument, man könne das Geld 2017 ausgeben, für eine Ausrede. „Das ist bezeichnen­d für eine Regierung, die immer Ausreden und selten konstrukti­ve Lösungen findet“, so Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke. Sein SPD-Kollege Andreas Stoch wirft dem Minister Versagen vor: „Es ist peinlich, dass Verkehrsmi­nister Hermann abermals Straßenbau­mittel verfallen lässt.“Die AfD äußerte sich nicht.

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Für Bauarbeite­n wie hier an der A 8 bei Ulm ist das Land zuständig. Doch die Planer müssen mit Unwägbarke­iten rechnen.

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