Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Grundschul­lehrer sollen stärker auf Rechtschre­ibung achten

Kultusmini­sterin will das „Schreiben nach Gehör“verbannen und riskiert erneut Streit mit den Grünen

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STUTTGART (lsw/sz) - Nach dem schlechten Abschneide­n badenwürtt­embergisch­er Schüler bei den jüngsten Bildungsst­udien will Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) im Fach Deutsch eine Kurskorrek­tur. So soll die Rechtschre­ibung an den Grundschul­en wieder mehr Gewicht erhalten. Einen Tag nach dem Streit über die Einführung des Informatik­unterricht­s in Klasse sieben nur für Gymnasiast­en riskiert Eisenmann damit erneut einen Krach mit dem grünen Koalitions­partner. Strittig ist die Lernmethod­e „Schreiben nach Gehör“.

„Richtiges Schreiben ist ebenso wie Lesen und Rechnen eine Schlüsselk­ompetenz, die wieder gestärkt werden muss“, teilte Eisenmann am Donnerstag mit. Methoden, bei denen Kinder monate-beziehungs­weise jahrelang nicht auf die richtige Rechtschre­ibung achten müssen, seien nicht mehr zu praktizier­en. Ein entspreche­ndes Schreiben habe sie an die Schulleitu­ngen und Lehrerkoll­egien aller Grundschul­en im Land geschickt.

Die Landtags-Grünen betonten: „Die Aufforderu­ng der Kultusmini­sterin, zur Praxis des Bildungspl­ans von 2004 zurückzuke­hren, halten wir mit Blick auf die aktuellen Forschungs­ergebnisse nicht für zielführen­d.“Der alte Bildungspl­an sei schließlic­h Grundlage für die Schüler gewesen, die bei der jüngsten Bildungsst­udie schlechte Resultate erzielt hatten.

Aus ihrer eigenen Partei erhielt Eisenmann dagegen Rückendeck­ung. Es gebe bis heute keine wissenscha­ftliche Expertise, die die Wirksamkei­t des „Schreibens nach Gehör“bestätigt, betonte der CDUBildung­spolitiker Karl-Wilhelm Röhm. „Wir wollen, dass die Grundschül­er richtig Lesen und Schreiben lernen – das steht für uns an erster Stelle. Hier geht es nicht um die pädagogisc­he Freiheit der einzelnen Lehrkraft.“

Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) verbat sich Einmischun­g in die Arbeit der pädagogisc­hen Profis. „Viele Lehrer der Grundschul­en sind empört, dass die Kultusmini­sterin ihnen schlechte Arbeit unterstell­t“, sagte GEW-Landeschef­in Doro Moritz.

Im Länderverg­leich abgerutsch­t Die Ministerin hatte bereits in der Vergangenh­eit angekündig­t, dass sie dem „Schreiben nach Gehör“einen Riegel vorschiebe­n wolle. Der Lehrerverb­and VBE hatte daraufhin einen differenzi­erten Umgang mit der Methode gefordert. Das Kultusmini­sterium habe keine Handhabe, den weitverbre­iteten Ansatz, Kinder schnell zum Schreiben zu bringen, abzuschaff­en, hatte der Verband erläutert. VBE-Chef Gerhard Brand betonte aber auch: „Richtig schreiben zu können, ist auch im Zeitalter von Rechtschre­ibprogramm­en auf Computern kein Luxus, sondern zwingend notwendig.“

Nach der jüngsten Studie des Instituts für Qualität im Bildungswe­sen (IQB) sackte der einstige Primus Baden-Württember­g im Länderverg­leich auf hintere Ränge ab: Von Platz zwei im Fach Deutsch beim Zuhören rutschten die Neuntkläss­ler im Land auf Platz 14, beim Lesen von Platz drei auf Platz 13 und bei der Orthografi­e vom zweiten auf den zehnten Rang.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hat Schulleite­r aufgeforde­rt, das „Schreiben nach Gehör“nicht mehr zuzulassen.

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