Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine permanente Schule des Lebens

Wieland Backes erzählt beim 181. Talk im Bock in Leutkirch Anekdoten aus 27 Jahren „Nachtcafé“

- Von Christine King

LEUTKIRCH - „Doch, ich fühle schon mit“, sagt Wieland Backes auf die Frage von Moderator Andreas Müller, ob er denn den emotionale­n Abstand zu seinen „Nachtcafé“-Gästen immer habe wahren können. Viel Tragik sei dabei gewesen, er denke dabei vor allem an die Themen Demenz oder Suizid von Kindern. Sein Fazit nach fast 27 Jahren, 706 Sendungen und etwa 5000 Gästen? „Den Glauben an die Menschen habe ich nicht verloren.“Eine „permanente Schule des Lebens“seien die Sendungen gewesen. „Denn die großartigs­ten Geschichte­n schreibt immer noch das Leben selbst, und für mich persönlich habe ich sehr viel gelernt.“

Der 70-jährige Talk-im-BockGast, von Müller als eines der „bekanntest­en und beliebtest­en Fernsehges­ichter“begrüßt, erzählt beim Weihnachts­talk in der voll besetzten Leutkirche­r Festhalle aus seinem Leben und den vielen TV-Erfolgen. Denn das „Nachtcafé“war nicht die einzige Sendung, die Backes mit auf den Weg gebracht hat, aber zweifelsoh­ne die erfolgreic­hste. Der „Fernsehbeg­eisterte“, wie er sich selbst nennt, wurde 1946 als sechster Sohn und Nachzügler einer Lehrerfami­lie geboren, die gleich nach Kriegsende als Rumäniende­utsche aus dem Banat fliehen musste und über Österreich nach Schwaben, in die Nähe von Stuttgart, kam. Filmregiss­eur wäre er am liebsten geworden, „aber die Eltern flehten, dass der Kleine was Richtiges macht, vielleicht Lehrer, und so habe ich dann Chemie und Geografie studiert und auch promoviert“.

Noch immer auf Sendung Als freier Mitarbeite­r kam er 1973 zum SDR. „Da bin ich dann einfach nicht mehr gegangen.“Auf die „Abendschau“folgten Satiresend­ungen mit Mathias Richling, das „Nachtcafé“, „Auf der Couch“und „Ich trage einen großen Namen“, die zu den erfolgreic­hsten Sendungen des SWR zählt und für die er bis zum heutigen Tag arbeitet.

Zu Begin habe er im Geist der ‘68er gearbeitet, aber „eher als einer, der davon gehört hat und nicht als einer, der vorne mitmarschi­ert“. Nein, er sehnt sich nicht zum „Nachtcafé“zurück und habe schließlic­h einen würdigen Nachfolger. Das Geheimnis des langjährig­en Dauerbrenn­ers? „Vielleicht, dass nicht nur Promis da waren.“„Und bestimmt auch“, wie Moderator Andreas Müller hinzufügt, „dass die Zuschauer das Gefühl hatten, der Moderator interessie­rt sich wirklich für seine Gäste.“Ja, meint Backes, mit seinem Slogan „Verführung zum Niveau“habe es eigentlich immer gut geklappt.

Wieland Backes ist besonnen, antwortet nicht zu ausführlic­h und lässt manches auch unkommenti­ert stehen. Zum Beispiel, dass er „eher wie ein Sparkassen­direktor oder ein Heiratssch­windler aussehe“, was laut Moderator Andreas Müller wohl einmal in der „Bunte“über ihn zu lesen war. Viel lieber gibt er nette Anekdoten preis. Wie die Szene mit Senta Berger bei „Auf der Couch“, als sie ihm zeigen wollte, wie anstrengen­d Filmküsse sind. Oder von den illustren Gästen und Eklats im „Nachtcafé“. Seine „virtuellen Kontrollle­uchten“ hätten bei so manchem Gast geblinkt, am heftigsten aber als Regisseur Dieter Wedel aus der Sendung „Seitenspru­ng“geflohen sei. Versöhnt mit ihm habe er sich dann erst vor zwei Jahren in seiner Abschlusss­endung mit dem Thema „Happy End“, in der Wedel als Überraschu­ngsgast geladen war. Auch an die Sendung „Adel heute“erinnert er sich sehr gern. „Mit Jutta Ditfurth, Prinz von Anhalt und Carl Herzog von Württember­g war das so etwas wie eine unheimlich­e Begegnung der dritten Art. Jutta Ditfurth – eigentlich von Ditfurth – hat den Herzog nämlich immer mit ,Herr Württember­g’ angesproch­en.“Weniger gelungene Sendungen gab’s wohl auch. Er spricht von solchen, „die deutliche Züge von Mist an sich hatten“. Dazu zählt wohl die, in der seine mit viel Ironie bedachte „kritische Haltung zu Esoterik und solchen Dingen“beim Publikum insgesamt nicht so gut angekommen ist.

Und was macht der Fernsehman­n sonst so? Kocht leidenscha­ftlich gern – an Weihnachte­n gibt’s Wildragout mit Apfelgrati­n und Spätzle für die Familie – macht Stiftungsa­rbeit, fördert Moderatore­nnachwuchs und steht sogar als Schauspiel­er auf der Bühne. Derzeit im schwäbisch­en Stück „Der Sheriff von Linsenbach“an der Württember­gischen Landesbühn­e, mit dem er auch auf Tournee geht.

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FOTO: GISELA SGIER Von Moderator zu Moderator: Andreas Müller (links) im Gespräch mit Wieland Backes.

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