Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Urdänisch und hochmodern
Ein Wochenende in Århus, das als Europäische Kulturhauptstadt aus dem Schatten Kopenhagens tritt
ie rund 320 000 Dänen, die in Århus leben, sprechen voller Stolz und Freude über ihren Wohnort. Vor rund 1200 Jahren von Wikingern errichtet, hat sich einer der ältesten Orte des Nordens von einer Hafen- und Industriestadt zur modernen Universitätsstadt entwickelt. Nirgendwo im Land gibt es eine höhere Dichte an Studenten. Und Århus wächst weiter: Knapp 4000 neue Einwohner ziehen Jahr für Jahr an die Ostseeküste – angelockt von Natur, moderner Kunst und kulturellen Festivals. Im kommenden Jahr wird Århus gemeinsam mit dem griechischen Paphos auf Zypern Europäische Kulturhauptstadt sein. Unter dem Motto „Let’s rethink“(„Lasst uns umdenken“) will die Stadt mit zahlreichen Events und Hunderten Projekten dann vor allem eines: zeigen, was sie hat und damit aus dem Schatten Kopenhagens treten. Århus – der Geheimtipp für einen Wochenendtrip nach Dänemark.
Stadt der Kontraste Freitag: Am besten lässt sich die Stadt zu Fuß erkunden. Zwar ist Århus nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt in Dänemark, doch das Zentrum ist ziemlich klein, alle Sehenswürdigkeiten sind in 30 Minuten Fußweg erreichbar. Eines von drei Museen – die man auch bei einem nur kurzen Aufenthalt alle gesehen haben sollte – ist das ARoS, eines der größten Kunstmuseen Nordeuropas. Der Schwerpunkt liegt auf der Gegenwartskunst. Seit 2011 schwebt über dem Museum eine Dachinstallation, die das Gebäude zum Wahrzeichen der Stadt macht: das Kunstwerk „Your rainbow panorama“des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson. Durch die bunten Glasscheiben des kreisrunden Laufstegs eröffnet sich dem Besucher ein 360Grad-Panorama auf die Stadt – Århus von oben und schillernd in allen Farben des Regenbogens. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, ist ein Besuch hier geradezu ideal.
Doch Århus bietet mehr als zeitgenössische Kunst: Es zeigt Kontraste. In kaum einem anderen Teil der Stadt ist dieses Zusammenspiel von Historie und Moderne so erlebbar, wie im Latiner-Viertel. In diesem ältesten Quartier wenige Meter hinter der Kathedrale, reihen sich niedrige, farbige Häuser aneinander. Darin untergebracht sind hippe Schmuckläden, Boutiquen, trendige Cafés oder Restaurants. Genau der richtige Ort für einen Freitagabend-Bummel.
Samstag: Das Latiner-Viertel ist nicht die einzige Möglichkeit, durch typische dänische Straßenzüge zu schlendern. Deshalb steht nach dem Frühstück gleich das Freilichtmuseum „Den Gamle By“(„Die alte Stadt“) auf dem Programm. Es beleuchtet auf eindrucksvolle Weise die Stadtgeschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Schauspieler, verkleidet als Bürgermeister, Kaufmann oder Eisenwarenhändler, ziehen durch die Gassen und beraten in den Geschäften. Der Besucher betritt Einkaufsläden, Buchhandlungen, Friseurläden, Jazzclubs, die Appartements von Rentnerehepaaren, Familien, Hippie-Wohngemeinschaften – Szenerien der 1970er-Jahre sind hier originalgetreu nachgestellt und aufgebaut. 1909 wurde „Den Gamle By“als weltweit erstes Freilichtmuseum für Stadtgeschichte und städtische Kultur gegründet und ist, wie auch das Kunstmuseum ARoS, eine von Dänemarks Hauptattraktionen. Mindestens einen halben Tag Zeit dafür einzuplanen, macht Sinn. Genauso wie eine Pause in der Gaststätte „Simonsens Have“, die in einem der historischen Gebäude des Freilichtmuseums untergebracht ist und wo die Besucher eine gute Tasse Kaffee, ein Stück Kuchen oder den Klassiker, ein Smørrebrød, genießen können.
Am Nachmittag geht es dann Richtung Meer. Århus lebt von dem Kontrast zwischen Altem und Neuem, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wie ein Raumschiff erscheint am Hafen das Dokk 1, Århus’ Kulturhaus und Stadtbücherei. Es steht an der Stelle, an der der Fluss Å in die Ostsee mündet. Dort, wo einst Wikinger in die See stachen, lernen heute Studenten, spielen Kinder, treffen sich Eltern. Dokk 1 ist Teil des „Urban Media Space“, eines Projekts, das den einstigen Industriehafen als Lebensraum für Bewohner erschließen will.
Lebensraum Hafen Was das heißt, verrät schon der Blick durch die gläserne Front des Kulturhauses: Baustellen ziehen sich entlang des Wassers. Es ist der Blick auf „Århus Ø“, dem jüngsten Stadtteil. 2001 ist der Containerhafen umgezogen. Mit dem Umzug begann der Entwicklungsprozess auf dem ehemaligen Hafengelände: Gigantische Wohnkomplexe sprießen jetzt aus der Erde, der bekannteste des Hafenviertels ist „Isbjerget“, der Eisberg. Weitere Wohngebäude folgen.
Sonntag: Neben modernen Häusern lockt Århus auch mit seiner Natur. Möglichkeiten für ein sonntägliches Sonnenbad, Picknick oder einen Spaziergang gibt es zahlreiche. Ist Århus überhaupt eine Stadt der kurzen Wege, sind auch viele der Strände schnell mit dem Rad zu erreichen. Die an 50 Fahrrad-Parkplätzen eingestellten Räder sind Tag und Nacht einsatzbereit – nachdem man eine 20-Kronen-Münze eingeworfen hat, die man beim Abliefern wiederbekommt. In den Wäldern südlich der Stadt liegt das Moesgaard Museum, eines von Dänemarks bedeutendsten Museen für Anthropologie und Archäologie. Wie ein natürlicher Erdwall fügt sich das Museum in die Landschaft ein. Im Inneren sorgt vor allem der „Grauballemann“, eine Moorleiche aus der Eisenzeit, für Aufsehen. Zudem vermitteln szenische Darstellungen die Ur- und Frühgeschichte.
Geschichtlich und künstlerisch ein Highlight: Im kommenden Jahr wird das königliche Theater das Stück „Røde Orm“auf dem Dach des Museums aufführen. Zusätzlich werden mehr als 300 Events, die auf 19 Kommunen verstreut sind und bei denen mehrere Hundert kulturelle Institutionen in der Region Midtjylland mitmachen, im kommenden Jahr für ein ganz besonderes Flair in der Kulturhauptstadt sorgen.
Weitere Informationen zur Kulturhauptstadt Århus und den zahlreichen Veranstaltungen gibt es auf Deutsch im Internet unter www.aarhus2017.dk/de sowie beim dänischen Fremdenverkehrsamt, Tel.: 040/320210. Die Recherche wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt in Århus, www.visitaarhus.de/de/ daenemark/tourist-in-aarhus