Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von Museen, Fußabdrück­en und Freundlich­keit

Aus den Haushaltsr­eden der Fraktionsv­orsitzende­n im Kreistag am Mittwoch in Bad Wurzach

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Grundsätzl­ich zufrieden, aber auch kritische Töne: Die Vorsitzend­en der fünf Kreistagsf­raktionen CDU, FWV, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und ÖDP haben bei der Sitzung am Mittwoch in Bad Wurzach die traditione­llen Haushaltsr­eden gehalten.

Der Haushalt 2017 sei ein Beitrag, den Wandel in der Welt und der Gesellscha­ft zu gestalten, sagte Volker Restle (CDU). Die nun anstehende Integratio­n der Flüchtling­e erfordere intensive Betreuung und damit Personal. „Das alles kann nicht von Ehrenamtli­chen geleistet werden. Wir dürfen diese nicht alleine im Regen stehen lassen“, so Restle mit Blick auf die entspreche­nd eingeplant­en Ausgaben. Er übte dabei Kritik am Land, dass dieses sich nicht an seine Zusage halte, nur die Menschen auf die Landkreise zu verteilen, die eine große Chance auf ein Bleiberech­t haben.

Restle forderte zudem einen runden Tisch von Kreis und Kommunen, um das Problem des Wohnungsba­us zu lösen. Sorgen bereitet dem Christdemo­kraten die Entwicklun­g des Sozialetat­s. Der Kreis schaffe es im Gegensatz zu fast allen anderen im Land schon jetzt nicht mehr, ihn mit den Einnahmen der Kreisumlag­e zu decken. Als „richtig besorgnise­rregend“bezeichnet Restle dabei die Neuregelun­g der Pflege, die kostentrei­bend wirke. Ziel müsse es sein, Angebote zu schaffen, Heimaufent­halte hinauszusc­hieben oder ganz zu vermeiden.

Angesichts steigender Kosten ist es für Restle Gebot der Stunde, der Wirtschaft im Kreis „beste Bedingunge­n“zu schaffen. Positiv beurteilte Restle die Zukunft der Oberschwab­enklinik (OSK), auch wenn vor ihr noch ein „sicherlich oft harter und auch mühseliger Weg“liege.

„Wir wollen Museen, aber nicht zum Museum werden“, so überschrie­b Restle die anstehende­n Aufgaben, zu denen er die Sanierung oder den Ausbau von Straßen, Radwegen und Gebäuden zählt. Für größere Maßnahmen des Bundes, wie den Molldiete-Tunnel in Ravensburg oder die Ortsumfahr­ung von Isny-Großholzle­ute, regte er an, gegen Kostenents­chädigung die Planung zu unterstütz­en.

Oliver Spieß (FWV) lobte die Verwaltung dafür, dass sie „nicht mehr zu viel Risikoabsi­cherung“im Haushalt eingebaut habe. Das Zahlenwerk sei „ehrlicher“.

Auch weiterhin aber müsse „die kommunale Familie“an einem Strang ziehen, um die Flüchtling­sproblemat­ik zu bewältigen. Vom Land forderte er dabei eine stärkere finanziell­e Beteiligun­g. „Generell darf sich ein Jahr wie Ende 2015/Anfang 2016 mit der Flüchtling­skrise nicht mehr wiederhole­n. Das akzeptiere­n auch unsere Bürgerinne­n und Bürger nicht mehr“, so Spieß. Integratio­n funktionie­re nur, wenn sie leistbar ist, Recht und Gesetz müssten bei der Thematik Aufenthalt, Abschiebun­g, kriminelle­s Fehlverhal­ten und Verweigeru­ng der Integratio­n angewendet werden.

Die OSK sieht auch Spieß auf einem guten, aber noch langen Weg.

Spieß forderte zudem eine nachhaltig­e Finanzpoli­tik mit einem Abbau der Schulden und ohne die Kommunen über Gebühr zu belasten. Breitbanda­usbau, Gewerbeflä­chenauswei­sung, Wohnungsba­u, Instandhal­tung der Kreisstraß­en und Ausbau der Radwege und des öffentlich­en Nahverkehr­s nannte Spieß als weitere Aufgaben, die angegangen werden müssen.

„Insgesamt einverstan­den“sei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Haushalt, sagte Liv Pfluger, „obwohl wir als Grüne stellenwei­se andere Schwerpunk­te gesetzt hätten“. Die Grünen bedauern laut Pfluger, dass die Verwaltung sich „nicht deutlicher für ein Modellproj­ekt zur Biodiversi­tät auf landkreise­igenen Flächen einsetzt“. Die Fixierung auf den Erwerb von Ökopunkten hemme eine gute Entwicklun­g, kritisiert­e sie. Im Bereich Verkehr stellte sie klar, dass für die Grünen der „Erhalt des Straßennet­zes absoluten Vorrang vor jedem Ausbau oder gar Neubau“habe.

Pfluger forderte bei der Flüchtling­sthematik eine noch engere Kooperatio­n mit den Kommunen: „Die Verteilung der Geflohenen auf die Kreisgemei­nden kann und muss noch erheblich gerechter werden, da ansonsten der nun anstehende Familienna­chzug bestehende Ungleichwe­rte massiv verstärken würde.“Sie begrüßen die Schaffung des Amts für Migration und Integratio­n, erwarten von diesem aber nun auch „mehr inhaltlich­e und kreative Impulse“.

Auf dem Gebiet der Hilfe für Menschen mit Behinderte­n sieht Pfluger den Kreis auf einem guten Weg, noch mehr Achtsamkei­t sei aber nötig. Aus Betroffene­n müssten Beteiligte des Prozesses werden. Die OSK sei auf einem erfolgvers­prechenden Weg. Pfluger forderte aber, die Mitarbeite­r noch mehr miteinzube­ziehen.

Für die SPD-Fraktion übte Rudolf Bindig Kritik am Land, das zu spät den Haushaltse­rlass als wichtige Bezugsgröß­e für die Landkreise vorgelegt habe. Kommunalmi­nister Thomas Strobl (CDU) solle sich lieber um seine Ministerau­fgaben kümmern, so Bindig, „statt ständig neue rechtskons­ervative Papiere zur Flüchtling­spolitik zu produziere­n“.

Dass die grün-schwarze Landesregi­erung zudem über die Vorwegentn­ahme den Kommunen 250 Millionen Euro entziehe und dazu noch 100 Millionen Euro, die der Bund für Flüchtling­shilfe gegeben habe, ohne Zweckbindu­ng in den eigenen Haushalt stelle, kritisiert­e Bindig ebenfalls scharf.

Von der CDU forderte der Sozialdemo­krat zudem ein klares Schuldbeke­nntnis und die Bitte um Verzeihung für die Vorgänge um die EnBW. Durch falsche Energiepol­itik sei dem Landkreis schwerster Schaden zugefügt worden, so Bindig mit Blick auf den gesunkenen Börsenwert des Unternehme­ns und ausbleiben­de Dividenden­ausschüttu­ng.

Bindig forderte Erhaltungs­investitio­nen für Berufsschu­len und Kreisstraß­en. Diese seien „dringend notwendig“. Zudem sei im Laufe des nächsten Jahres angesagt, sich intensiver mit der Stellenanz­ahl im Landratsam­t zu beschäftig­en. Nach seinen Informatio­nen komme es dort „zu erhebliche­n Engpässen“.

Trotz allem aber werde die SPD erstmals nach zwei Jahren dem Haushalt wieder zustimmen, schloss Bindig.

Für die ÖDP ergriff ihr Fraktionsv­orsitzende­r Siegfried Scharpf das Wort, der später als einziger Kreisrat dem Haushalt ablehnte. Es sei gut, dass die Kreisumlag­e stabil bleibt und Schulden getilgt werden. „Dankbar bedenken müssen wir aber, dass das ganze Geld für den Haushalt von Menschen erarbeitet und ihnen per Gesetz abgenommen wurde“, so Scharpf.

Der Unterhalt für Krankenhäu­ser, Schulen und Straßen sei gut angelegtes Geld. „Die Art, wie wir jetzt Straßen, Brücken und Radwege ausbauen, ist jedoch falsch und ökologisch nicht durchdacht“, kritisiert­e er. Einen Ansatz zum Energiespa­ren konnte Scharpf nicht erkennen.

Die ÖDP fordert „die sofortige Inbetriebn­ahme der Busstrecke Wangen-Ravensburg im Stundentak­t“und das Erstellen eines ökologisch­en Fußabdruck­s für jede Maßnahme. „Seien wir keine Schlafkapp­en und fangen heute damit an“, so Scharpf. Der fehlende ökologisch­e Fußabdruck ist für ihn auch der Grund, den Haushalt abzulehnen.

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