Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Von Museen, Fußabdrücken und Freundlichkeit
Aus den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden im Kreistag am Mittwoch in Bad Wurzach
BAD WURZACH - Grundsätzlich zufrieden, aber auch kritische Töne: Die Vorsitzenden der fünf Kreistagsfraktionen CDU, FWV, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und ÖDP haben bei der Sitzung am Mittwoch in Bad Wurzach die traditionellen Haushaltsreden gehalten.
Der Haushalt 2017 sei ein Beitrag, den Wandel in der Welt und der Gesellschaft zu gestalten, sagte Volker Restle (CDU). Die nun anstehende Integration der Flüchtlinge erfordere intensive Betreuung und damit Personal. „Das alles kann nicht von Ehrenamtlichen geleistet werden. Wir dürfen diese nicht alleine im Regen stehen lassen“, so Restle mit Blick auf die entsprechend eingeplanten Ausgaben. Er übte dabei Kritik am Land, dass dieses sich nicht an seine Zusage halte, nur die Menschen auf die Landkreise zu verteilen, die eine große Chance auf ein Bleiberecht haben.
Restle forderte zudem einen runden Tisch von Kreis und Kommunen, um das Problem des Wohnungsbaus zu lösen. Sorgen bereitet dem Christdemokraten die Entwicklung des Sozialetats. Der Kreis schaffe es im Gegensatz zu fast allen anderen im Land schon jetzt nicht mehr, ihn mit den Einnahmen der Kreisumlage zu decken. Als „richtig besorgniserregend“bezeichnet Restle dabei die Neuregelung der Pflege, die kostentreibend wirke. Ziel müsse es sein, Angebote zu schaffen, Heimaufenthalte hinauszuschieben oder ganz zu vermeiden.
Angesichts steigender Kosten ist es für Restle Gebot der Stunde, der Wirtschaft im Kreis „beste Bedingungen“zu schaffen. Positiv beurteilte Restle die Zukunft der Oberschwabenklinik (OSK), auch wenn vor ihr noch ein „sicherlich oft harter und auch mühseliger Weg“liege.
„Wir wollen Museen, aber nicht zum Museum werden“, so überschrieb Restle die anstehenden Aufgaben, zu denen er die Sanierung oder den Ausbau von Straßen, Radwegen und Gebäuden zählt. Für größere Maßnahmen des Bundes, wie den Molldiete-Tunnel in Ravensburg oder die Ortsumfahrung von Isny-Großholzleute, regte er an, gegen Kostenentschädigung die Planung zu unterstützen.
Oliver Spieß (FWV) lobte die Verwaltung dafür, dass sie „nicht mehr zu viel Risikoabsicherung“im Haushalt eingebaut habe. Das Zahlenwerk sei „ehrlicher“.
Auch weiterhin aber müsse „die kommunale Familie“an einem Strang ziehen, um die Flüchtlingsproblematik zu bewältigen. Vom Land forderte er dabei eine stärkere finanzielle Beteiligung. „Generell darf sich ein Jahr wie Ende 2015/Anfang 2016 mit der Flüchtlingskrise nicht mehr wiederholen. Das akzeptieren auch unsere Bürgerinnen und Bürger nicht mehr“, so Spieß. Integration funktioniere nur, wenn sie leistbar ist, Recht und Gesetz müssten bei der Thematik Aufenthalt, Abschiebung, kriminelles Fehlverhalten und Verweigerung der Integration angewendet werden.
Die OSK sieht auch Spieß auf einem guten, aber noch langen Weg.
Spieß forderte zudem eine nachhaltige Finanzpolitik mit einem Abbau der Schulden und ohne die Kommunen über Gebühr zu belasten. Breitbandausbau, Gewerbeflächenausweisung, Wohnungsbau, Instandhaltung der Kreisstraßen und Ausbau der Radwege und des öffentlichen Nahverkehrs nannte Spieß als weitere Aufgaben, die angegangen werden müssen.
„Insgesamt einverstanden“sei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Haushalt, sagte Liv Pfluger, „obwohl wir als Grüne stellenweise andere Schwerpunkte gesetzt hätten“. Die Grünen bedauern laut Pfluger, dass die Verwaltung sich „nicht deutlicher für ein Modellprojekt zur Biodiversität auf landkreiseigenen Flächen einsetzt“. Die Fixierung auf den Erwerb von Ökopunkten hemme eine gute Entwicklung, kritisierte sie. Im Bereich Verkehr stellte sie klar, dass für die Grünen der „Erhalt des Straßennetzes absoluten Vorrang vor jedem Ausbau oder gar Neubau“habe.
Pfluger forderte bei der Flüchtlingsthematik eine noch engere Kooperation mit den Kommunen: „Die Verteilung der Geflohenen auf die Kreisgemeinden kann und muss noch erheblich gerechter werden, da ansonsten der nun anstehende Familiennachzug bestehende Ungleichwerte massiv verstärken würde.“Sie begrüßen die Schaffung des Amts für Migration und Integration, erwarten von diesem aber nun auch „mehr inhaltliche und kreative Impulse“.
Auf dem Gebiet der Hilfe für Menschen mit Behinderten sieht Pfluger den Kreis auf einem guten Weg, noch mehr Achtsamkeit sei aber nötig. Aus Betroffenen müssten Beteiligte des Prozesses werden. Die OSK sei auf einem erfolgversprechenden Weg. Pfluger forderte aber, die Mitarbeiter noch mehr miteinzubeziehen.
Für die SPD-Fraktion übte Rudolf Bindig Kritik am Land, das zu spät den Haushaltserlass als wichtige Bezugsgröße für die Landkreise vorgelegt habe. Kommunalminister Thomas Strobl (CDU) solle sich lieber um seine Ministeraufgaben kümmern, so Bindig, „statt ständig neue rechtskonservative Papiere zur Flüchtlingspolitik zu produzieren“.
Dass die grün-schwarze Landesregierung zudem über die Vorwegentnahme den Kommunen 250 Millionen Euro entziehe und dazu noch 100 Millionen Euro, die der Bund für Flüchtlingshilfe gegeben habe, ohne Zweckbindung in den eigenen Haushalt stelle, kritisierte Bindig ebenfalls scharf.
Von der CDU forderte der Sozialdemokrat zudem ein klares Schuldbekenntnis und die Bitte um Verzeihung für die Vorgänge um die EnBW. Durch falsche Energiepolitik sei dem Landkreis schwerster Schaden zugefügt worden, so Bindig mit Blick auf den gesunkenen Börsenwert des Unternehmens und ausbleibende Dividendenausschüttung.
Bindig forderte Erhaltungsinvestitionen für Berufsschulen und Kreisstraßen. Diese seien „dringend notwendig“. Zudem sei im Laufe des nächsten Jahres angesagt, sich intensiver mit der Stellenanzahl im Landratsamt zu beschäftigen. Nach seinen Informationen komme es dort „zu erheblichen Engpässen“.
Trotz allem aber werde die SPD erstmals nach zwei Jahren dem Haushalt wieder zustimmen, schloss Bindig.
Für die ÖDP ergriff ihr Fraktionsvorsitzender Siegfried Scharpf das Wort, der später als einziger Kreisrat dem Haushalt ablehnte. Es sei gut, dass die Kreisumlage stabil bleibt und Schulden getilgt werden. „Dankbar bedenken müssen wir aber, dass das ganze Geld für den Haushalt von Menschen erarbeitet und ihnen per Gesetz abgenommen wurde“, so Scharpf.
Der Unterhalt für Krankenhäuser, Schulen und Straßen sei gut angelegtes Geld. „Die Art, wie wir jetzt Straßen, Brücken und Radwege ausbauen, ist jedoch falsch und ökologisch nicht durchdacht“, kritisierte er. Einen Ansatz zum Energiesparen konnte Scharpf nicht erkennen.
Die ÖDP fordert „die sofortige Inbetriebnahme der Busstrecke Wangen-Ravensburg im Stundentakt“und das Erstellen eines ökologischen Fußabdrucks für jede Maßnahme. „Seien wir keine Schlafkappen und fangen heute damit an“, so Scharpf. Der fehlende ökologische Fußabdruck ist für ihn auch der Grund, den Haushalt abzulehnen.