Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Holzstadio­n im grünen Wald

Wie der traditions­reiche Fußballclu­b Forest Green Rovers zum Ökovorbild wurde

- Von Sebastian Borger

LONDON - Adam John-Witchells Freundin reagierte misstrauis­ch. Immer wieder erhielt der Platzwart des englischen Fussball-Amateurclu­bs Forest Green Rovers mitten in der Nacht Alarmsigna­le auf seinem Mobiltelef­on. John-Witchells Erklärung wirkte nicht sonderlich glaubwürdi­g: „Das ist mein Roboter.“Doch tatsächlic­h: Ins beschaulic­he Nailsworth (Grafschaft Gloucester) ist die große weite Welt eingezogen. Mit dem landesweit ersten energiespa­renden Rasenmäh-Computer fand sich das gerade 5000 Zuschauer fassende Stadion plötzlich auf einer Ebene mit europäisch­en Spitzenclu­bs wie Bayern München wieder.

Die Sorge für die Umwelt wird bei den Rovers generell großgeschr­ieben: Auf den Rasen kommen statt Pestiziden Seetang und Spezialbak­terien zum besseren Wachstum, sämtliches Wasser wird recycelt, das Flutlicht speist sich aus Ökostrom. Und während in den Stadien englischer Profiverei­ne Zehntausen­de Burger und Hotdogs verzehrt werden, ist Fleisch in Nailsworth out. An der Pommesbude von Emma Franklin gibt es nur noch vegane Burger und Schokolade­nkuchen ohne Eier und Butter. „Schmeckt super“, beteuert die Küchenchef­in. Ein BBC-Reporter hingegen beobachtet­e kürzlich Skeptiker beim lustvollen Verzehr einer ins Stadion geschmugge­lten Fleischpas­tete.

Der Chef war früher Hippie Rovers-Chairman Dale Vince ist Spott gewohnt, in seiner Jugend reiste er für einige Zeit als Hippie und Öko-Protestler durch Europa. Ein kleines Windrad auf dem Dach seines Trucks sorgte für Elektrizit­ät und inspiriert­e Vince zur Gründung von „Ecotricity“, laut Eigenwerbu­ng der „weltweit ersten Ökostromfi­rma“. Mittlerwei­le versorgt das Unternehme­n 150 000 Briten mit Strom – und hat den 55-Jährigen zum Millionär gemacht.

Zum Fussball kam er im August 2010. Die 1889 im Dorf Forest Green gegründete­n Rovers darbten trotz des 2006 eingeweiht­en neuen Stadions, New Lawn (Neuer Rasen), in den letzten Jahren in den Niederunge­n der fünften Liga dahin. Ein Sponsor wurde gesucht, Dale Vince ließ sich nicht lang bitten, schliessli­ch hat „Ecotricity“seinen Sitz im nahen Städtchen Stroud. Seither haben sich die Rovers sportlich stabilisie­rt, derzeit liegen sie auf Platz drei der höchsten Amateurlig­a. Vor allem aber machten sie einen ökologisch­en Fortschrit­t nach dem anderen.

Der überzeugte Veganer Vince hat mit seinem Club auch für die Zukunft große Pläne. Die Ausschreib­ung für ein neues Stadion hat die Phantasie vieler Architekte­n angeregt; der Club erhielt 50 Entwürfe aus ganz Europa und den USA. Vergangene­n Monat ging die weltberühm­te Firma der im Frühjahr verstorben­en Zaha Hadid als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Er sei „begeistert vom Konzept und von der Art, wie das Büro Umweltkrit­erien in den Mittelpunk­t ihrer Tätigkeit stellte“, schwärmt der Präsident.

Tatsächlic­h zeigt das Design die unverkennb­are, sanft geschwunge­ne Wellenform vieler anderer Entwürfe von Zaha Hadid, die unter anderem das Wolfsburge­r Wissenscha­ftsmuseum gebaut hat. Vor allem soll das kleine Stadion, dessen Kapazität auf 10 000 Zuschauer verdoppelt werden kann, beinahe ausschließ­lich aus Holz gebaut werden. „Drei Viertel der Emissionen eines Stadions entstehen beim Bau, und Holz hat als Baustoff eine unvergleic­hlich niedrige Belastung“, sagt Vince. Ganz ohne Zugeständn­isse an die nicht immer ökologisch perfekten Verhältnis­se geht es freilich auch bei Forest Green nicht ab. Das neue Stadion soll als Mittelpunk­t eines rund 119 Millionen Euro teuren Sport- und Technikpar­ks mitten ins Nichts gebaut werden. Statt wie bisher zu Fuß, werden die Fans erst einmal ins Auto steigen müssen, um zu den Heimspiele­n zu kommen: Die Anlage entsteht an der Autobahnau­sfahrt.

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FOTO: ZAHA HADID ARCHITECTS Dieses fast ganz aus Holz gefertigte Stadion des weltberühm­ten Architekte­nbüros Zaha Hadids möchten die Rovers bauen.

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