Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Abschiebepraxis entzweit Grün-Schwarz
Fall eines zum Christentum konvertierten Afghanen löst Unruhe in der Regierung aus
STUTTGART - Grüne und CDU sind kurz vor Weihnachten weit entfernt von Harmonie. Mit heftigen Worten attackierte der Grünen-Landesvorsitzende den CDU-Innenminister, dessen Generalsekretär keilte am Freitag heftig zurück. Anlass ist der Fall eines Afghanen, der abgeschoben werden sollte. Auf Intervention von Kirchen und den Grünen durfte der zum Christentum konvertierte Mann in letzter Minute doch in Baden-Württemberg bleiben.
Die Sammelabschiebung der Afghanen hatte bereits zuvor Unruhe in der grün-schwarzen Koalition ausgelöst. Unter den rund 40 Afghanen, die aus Frankfurt nach Kabul geflogen wurden, waren auch fünf abgelehnte Asylbewerber aus BadenWürttemberg.
Der Ton wird schärfer Am Freitag dann verschärfte sich der Ton zwischen den beiden Regierungsparteien. Der grüne Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand kritisierte CDU-Innenminister Thomas Strobl. Dieser hatte betont, es gebe in Afghanistan Zonen, in denen Menschen nicht verfolgt würden. „Man kann doch nicht Menschen in ein Flugzeug setzen und dann sogar am Tag darauf nicht in der Lage sein, klar zu benennen, wo denn nun sichere Zonen in Afghanistan liegen sollen“, so Hildenbrand.
Daraufhin meldete sich CDU-Generalsekretär Manuel Hagel zu Wort: „Für die verbalen Entgleisungen von Herrn Hildenbrand habe ich kein Verständnis. Er sollte sich entschuldigen“. Die CDU hat für Dienstag die Spitzen der Koalition zusammengerufen. Unter dem Titel „Beleidigende Äußerungen des Landesvorsitzenden Oliver Hildenbrand gegenüber dem Koalitionspartner“soll die Sache diskutiert werden.
Bischöfe intervenieren Zuvor war der Fall eines jungen Afghanen aus dem Rhein-Neckar-Kreis bekannt geworden. Er war in Deutschland vom Islam zum Christentum konvertiert und hatte sich in einer Kirchengemeinde engagiert. Er saß am Mittwoch im Bus nach Frankfurt, um abgeschoben zu werden.
Flüchtlingshelfer der evangelischen Landeskirche Baden setzten sich hinter den Kulissen für den Mann ein, sogar Bischof Cornelius Bundschuh intervenierte in Stuttgart – in enger Absprache mit seinem katholischen Kollegen Stephan Burger aus dem Erzbistum Freiburg und dem württembergischen Landesbischof Otfried July. Alle drei hatten sich solidarisch erklärt. Auch die Grünen und das grün geführte Staatsministerium schalteten sich ein, schließlich wurde die Abschiebung in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium gestoppt. Zu den Gründen hieß es aus dem Landesinnenministerium lediglich: „Die Entscheidung ist so gefallen, wie sie ist.“
Brisant für die CDU Hinter den dürren Worten verbirgt sich ein Thema, dass auch für die CDU brisant ist. Setzen sich doch führende Parteivertreter wie Volker Kauder immer wieder für verfolgte Christen in muslimischen Staaten ein. Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, der am heutigen Samstag zu einem Solidaritätsbesuch bei koptischen Christen nach Ägypten aufbricht, war am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Nach Ansicht von Menschenrechtsgruppen und Kirchen müssen Konvertiten in Afghanistan durchaus Angst vor Verfolgung haben. Daniel Meier, Sprecher des badischen Landesbischofs, erklärte: „Muslime, die zum Christentum konvertieren, sind in Afghanistan einer Gefahr an Leib und Leben ausgesetzt, ihnen droht sogar die Todesstrafe.“Deshalb appelliere seine Landeskirche aus christlicher Solidarität an die Politik, solche Menschen nicht abzuschieben. Er trat auch Vorwürfen entgegen, der betroffene Afghane sei möglicherweise nur zum Christentum übergetreten, um in Deutschland bleiben zu können.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist für die Entscheidung darüber zuständig, ob ein Asylbewerber Schutz in Deutschland erhält. Ein Sprecher der Behörde erklärte am Freitag, ein Übertritt zum Christentum werde im Asylverfahren berücksichtigt. Allerdings prüfe das BAMF in jedem Einzelfall, ob dem Betroffenen in seiner Heimat Verfolgung wegen des Religionswechsels drohe.
Nicht vorbestraft Die Behörde hatte den Asylantrag des Mannes vor einigen Jahren abgelehnt. Dieser hat mittlerweile einen festen Job und ist nicht vorbestraft. Hat das BAMF seine Prüfungen abgeschlossen, sind die Länder für das weitere Verfahren inklusive der Abschiebung zuständig.
Innenminister Strobl zog sich auf diese Rechtslage und ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zurück. Die Richter hatten im Eilverfahren einen Antrag des Betroffenen abgelehnt. „Die Abschiebungen sind die Umsetzung von Recht und Gesetz, in jedem Fall exekutives Handeln im Einzelfall“, sagte Strobl.
In Koalitionskreisen heißt es jedoch, Strobls Haus habe einen Fehler begangen. Dieses entscheide, wer abgeschoben werde. Man hätte jeden Fall noch einmal prüfen müssen, bevor er auf die Liste gesetzt wurde.