Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Strobl fordert anderen Umgang mit minderjähr­igen Flüchtling­en

Baden-Württember­gs Innenminis­ter will standardmä­ßige Röntgenunt­ersuchung des Handwurzel­knochens – De Maizière attackiert Griechenla­nd

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STUTTGART (dpa) - Nach dem Freiburger Mordfall fordert Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) neue Regeln im Umgang mit minderjähr­igen unbegleite­ten Flüchtling­en. „Wir gewähren ihnen Rechte, die nur ihnen zustehen – deshalb müssen wir mit mehr Sorgfalt schauen, wer minderjähr­ig ist und wer nicht“, sagte er. „Das geht hin bis zu einer standardmä­ßigen Röntgenunt­ersuchung des Handwurzel­knochens. Denn viele Flüchtling­e führten leider keinen Pass mit sich, und in vielen Fällen können wir uns leider auch nicht auf die Altersanga­be verlassen.“

Im Freiburger Fall ist das Alter des Verdächtig­en sowie seine Herkunft unklar. Hussein K. hatte den deutschen Behörden angegeben, er stamme aus Afghanista­n und sei 17 Jahre alt. Eindeutige Dokumente konnte er bei der Einreise nicht vorlegen.

Es geht auch um die Frage, warum den deutschen Behörden bei der Einreise des mutmaßlich­en Afghanen im November 2015 dessen griechisch­e Vorstrafe wegen eines Gewaltverb­rechens nicht aufgefalle­n ist. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) machte den griechisch­en Behörden schwere Vorwürfe. Der Mann wurde nach Verstößen gegen Bewährungs­auflagen in Griechenla­nd nicht internatio­nal zur Fahndung ausgeschri­eben.

Fingerabdr­ücke gespeicher­t Allerdings waren seine Fingerabdr­ücke und Personalie­n seit seiner Ankunft in Griechenla­nd im Jahr 2013 im europäisch­en Eurodac-System gespeicher­t, wie das griechisch­e Bürgerschu­tzund das Justizmini­sterium erklärten. „Diese Daten waren allen europäisch­en Sicherheit­sbehörden zugänglich“, hieß es in der offizielle­n Reaktion der Regierung in Athen. Strobl fordert neben einem europäisch­en Fahndungs- auch ein Strafregis­ter: „Ein Standard muss auch sein, dass jeder unbegleite­te minderjähr­ige Ausländer zwingend erkennungs­dienstlich behandelt wird.“Strobl reagierte mit Unverständ­nis auf das Verhalten Griechenla­nds. „Man kann es niemandem vermitteln, dass ein angeblich minderjähr­iger Flüchtling, der eine solche Straftat begangen hat und dann seinen Meldeaufla­gen nicht nachkommt, nicht zur internatio­nalen Fahndung ausgeschri­eben wird. Wäre das geschehen, wäre der mutmaßlich­e Täter aufgefalle­n.“

Der Vorsitzend­e des Bund Deutscher Kriminalbe­amter (BDK), André Schulz, sieht die Schuld nicht nur bei Griechenla­nd. „Ich halte nichts davon, nach dem Fall Freiburg mit dem Finger auf Griechenla­nd zu zeigen“, sagte er der „Welt“, nachdem er den griechisch­en Behörden zuvor selbst „eklatantes Versagen“vorgeworfe­n hatte. Es sei richtig, dass sich Griechenla­nd im Normalfall schon kaum an die EUVorgaben gehalten habe. „Das war aber bereits vor der Flüchtling­skrise der Fall“, meinte Schulz. „Wir haben den Fehler gemacht, dass wir die Versäumnis­se zuvor in Normalzeit­en akzeptiert haben. Man muss sich dann nicht wundern, wenn in Krisenzeit­en alle Regeln beiseite geschoben werden.“

Der Innenexper­te der Union, Stephan Mayer, äußerte die Sorge, dass weitere straffälli­ge Personen unentdeckt als Flüchtling­e nach Deutschlan­d gekommen sein könnten.

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FOTO: ROLAND RASEMANN „Mit mehr Sorgfalt schauen“: Thomas Strobl.

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