Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ist Schnee von oben Schnee von gestern?
Schöne, neue Welt. Wir haben uns doch längst daran gewöhnt, dass vieles nicht mehr so ist, wie einst von Mutter Natur gewollt. Beispiele gefällig? Die Schlauchbootlippen mancher Damen, die enorme Oberweite manch anderer Damen, das üppige, dunkelschwarze, dichte Haupthaar eigentlich glatzköpfiger 80-Jähriger.
Tja, und jetzt hat eben auch Frau Holle ein wenig an sich herumdoktern lassen. Sie wurde – nein, nicht zum Supermodel – zur Schneekanone. Und deshalb gibt es mittlerweile herrlich weiße Pisten, obwohl noch kein Flöckchen vom Himmel gefallen ist. Und wenn schon. An Märchen glaubt doch eh niemand mehr, ans große Geld aber wohl. Deshalb muss der Rubel rollen, auch im Snow-Business. Und weil die Russen derzeit zu Hause bleiben, müssen wir eben unsere benachbarten Bergler retten.
Also rein in die Skistiefel und rauf auf die Bretter! Es sind zwar nur zwei von 20 Pisten beschneit, neben dran blühen Gänseblümchen, und die Mittagsspitze präsentiert sich im grünen Kleid – Spaß gemacht hat der Skitag Mitte Dezember trotzdem. Die Strecken waren bestens präpariert und fast menschenleer, das Liftpersonal und die Kellnerin auf der Hütte ausgesprochen freundlich. Denn ohne uns skrupellose Skifahrer und die fleißigen Schneekanonen könnten sie endgültig einpacken. Also: Ski heil!
Während jener vergangenen Zeiten, als Skifahren selbst auf Pisten noch etwas Kerniges hatte, galt eine einfache Regel: War Schnee gefallen, konnte man sich die Bretter an die Füße schnallen. Fehlte die weiße Pracht, ging hingegen nichts. Beschneiungsanlagen waren noch höchst unüblich. Weshalb sich sommers auch kein Wanderer über viele hässliche Speicherseen zum Speisen der Schneekanonen ärgern musste.
Mangelt es heutzutage an Schnee, versuchen die Skigebietsbetreiber in der Regel alles, um wenigstens einen spärlichen Betrieb auf ihren platt gewalzten, anspruchslosen Abfahrtshängen zu ermöglichen. Damit der Rubel rollt, muss ein wintersportliches Herumrutschen möglich sein. Weiße Bänder schlängeln sich dann durch grün-braune Landschaften. Bei milden Temperaturen müssen sie ständig ergänzt werden. Von Wintersport kann man da doch kaum noch reden. Das Befahren der weißen Bänder hat viel eher den Charakter einer leichten geistigen Verwirrung.
Klar, dies klingt hart. Ursprünglich war Skifahren aber ein Sport in der Natur. Ist er nur noch durch eine weitgehende Manipulation derselben möglich, hat der Spaß ein Ende. Dann kann Skifahren auch in der Halle organisiert werden. Teilweise gibt es dies ja schon.