Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Weihnachtswunsch ist ein neues Gym“
Jürgen Hauser, Chef des „Champ“in Ravensburg, über Integration durch Boxen und die Suche nach einem neuen Dach über dem Kopf
RAVENSBURG - Seine Kämpferqualitäten kann Jürgen Hauser weiterhin gut gebrauchen. Der Chef des „Champ“in Ravensburg hat in diesem Jahr wieder den Boxsport in allen Facetten gefördert und dabei vor allem seine Leitidee von Prävention, Integration und Inklusion vorangetrieben. Doch jetzt muss der frühere Landesmeister schon wieder nach einem neuen Dach suchen, unter dem er seine Philosophie vom Faustkampf weiterbetreiben kann. Frank Hautumm hat mit Jürgen Hauser gesprochen.
Glückwunsch, das Champ wird nächstes Jahr offizieller Stützpunktverein „Integration durch Sport“des Deutschen Olympischen Sportbundes. Was genau bedeutet das? Im Champ setzen wir uns schon seit Jahren für Prävention, Inklusion und Integration ein. In der jüngeren Vergangenheit kam der Schwerpunkt Vereinssport mit Geflüchteten dazu. Im Champ sind gut 20 Nationalitäten vertreten, insgesamt kamen 21 Flüchtlinge in diesem Jahr in die regulären Boxkurse, aktuell sind immer noch zehn aktive Mitglieder dabei. Deshalb habe ich einen entsprechenden Antrag gestellt und Erfolg gehabt. Wir gelten damit offiziell als Stützpunktverein für Integration durch Sport und erhalten Fördergelder vom Landessportbund, die wiederum dem Verein zugutekommen.
Welche konkreten Projekte stehen hinter Ihrem Gedanken vom „Boxen für alle“und damit hinter der Idee von Integration, Prävention und Inklusion? Da gab es 2016 wieder einige. Beispielsweise haben wir ein interkulturelles Frauenboxen angeboten. Zu nennen wären darüber hinaus zahlreiche Box-AGs, die Workshops für Boxen in Schule und Sozialarbeit in Zusammenarbeit mit dem Institut für soziale Berufe oder die Fortbildung „BASS – Boxen als Schulsport“in Kooperation mit den Kinderstiftungen Ravensburg und Bodensee. Fortsetzung folgt. Es geht darum, Lehrer und Sozialarbeiter dafür auszubilden, Fitness- und Leichtkontaktboxen mit seinen vielen positiven Effekten im Schulsport oder in AGs umzusetzen. Hier versuchen wir auch, endlich eine offizielle Anerkennung vom Kultusministerium zu bekommen.
Und der normale Trainingsbetrieb in der Wangener Straße läuft auch? Ja, sogar richtig gut. Derzeit boomt besonders das Kinder- und Jugendtraining. Es macht enorm viel Spaß, mit den Kids zwischen 8 und 17 Jahren zu arbeiten. Oft sind es 30 und mehr aus allen Schularten und verschiedenen Nationalitäten, auch minderjährige Geflüchtete. Alle gehen im Boxtraining mit Respekt miteinander um. Diese Arbeit ist mir angesichts der Ereignisse von Berlin umso wichtiger. Fitnessboxen ist weiterhin ein Trend, das Sportboxen etabliert sich als moderne Wettkampfvariante. Ich habe gut 200 Mitglieder im Champ.
Nur im Wettkampfbereich war es zuletzt etwas ruhiger ... Ja, das stimmt. Vor allem bei den Erwachsenen. In den Jugendklassen sind wir nach wie vor gut. Wir sind im Olympisch-Boxteam derzeit in einer Phase der Konsolidierung und des Neuaufbaus. Nach vielen erfolgreichen Jahren, wo wir immer mit an der Spitze im Land waren, haben wir im Moment einen kleinen Umbruch. Einige von den Leistungsträgern müssen wegen Schule oder Beruf andere Schwerpunkte setzen. Und bis andere Talente nachgewachsen sind, dauert es eine Zeit.
Leistungsboxen und olympisches Wettkampfboxen wird aber weiter ein Schwerpunkt im Champ bleiben? Auf jeden Fall, das gehört für mich elementar dazu. Mit Gio Saravo haben wir für diesen Part auch den denkbar besten Trainer, der zuletzt nur leider mit einem Bandscheibenvorfall außer Gefecht war.
Da könnten Sie ja zufrieden zurück und gelassen in die Zukunft blicken, müssten Sie sich nach eineinhalb Jahren in der Wangener Straße nicht schon wieder nach einem neuen Domizil umsehen. Ja, das ist leider wie vor zwei Jahren schon wieder das große Thema für 2017. So wie es aussieht, müssen wir im Sommer zum 31. August wieder raus aus dem Gym. Bis jetzt war meine Suche nach einem adäquaten Ersatz vergeblich. Dabei sollte es doch möglich sein, in Ravensburg in zentraler Lage 400 Quadratmeter zu finden, wir können ja auch Miete zahlen. Boxer brauchen keinen Luxus. Mein Weihnachtswunsch wäre eine Sportstätte, wo ich in Ruhe an mittlerweile 17 Jahre kontinuierliche Arbeit anknüpfen kann. Und schön wäre es auch, wenn mich die Stadt und das Sportamt dabei mehr als bisher unterstützen würden und beispielsweise Räume wie im Hallenbad nicht an private Fitnessstudios vermieten würden. Die zahlen zwar höhere Mieten als ein gemeinnütziger Verein, haben aber mit Schulsport oder Integration nicht viel am Hut.
Wie könnten die Ihnen helfen? Beispielsweise, indem sie auch mal unkonventionelle Ideen prüfen. Warum nicht beispielsweise darüber nachdenken, die Flüchtlingshütten in der Schützenstraße, die zum Jahresende aufgelöst werden, in Sporthallen umzunutzen? Die Infrastruktur ist da, der Standort gut. Außerdem könnten dort noch andere Vereine Platz finden, die auf der Suche sind. Statt der Flüchtlingsunterkünfte könnte ein kleines bescheidenes Sportzentrum entstehen.