Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hannawalds Comeback bei der Tournee
Fünfzehn Jahre nach seinem Grand Slam wird die Skisprung-Ikone als TV-Experte die komplette Vierschanzentournee begleiten
OBERSTDORF (SID) - Wenn Sven Hannawald über den Mythos Vierschanzentournee spricht, gerät er auch 15 Jahre nach seinem legendären Grand Slam noch immer ins Schwärmen. „Wie eine große Familie“sei der legendäre Zirkus, der in diesem Winter (erstes Springen am Freitag) zum 65. Mal von Oberstdorf quer durch die Alpen bis nach Bischofshofen zieht. Nicht einmal Olympia oder Weltmeisterschaften könnten da mithalten.
Hannawald selbst hat kräftig zum sagenumwobenen Ruf beigetragen. Im Winter 2001/2002 gewann er als erster und bis heute einziger Skispringer auf allen vier Schanzen. Pünktlich zum Jubiläum kehrt er nun zurück. „Erstmals seit meiner aktiven Karriere mache ich wieder die komplette Reise mit“, sagt Hannawald, der als TV-Experte für Eurosport im Einsatz ist. „Es werden sicher Erinnerungen zurückkehren.“
Vor allem an jenen 6. Januar 2002. Heute unvorstellbare 14,89 Millionen Zuschauer saßen vor den TV-Geräten, als Hannawald in Bischofshofen zum letzten Sprung ansetzte. Der Rest war kollektiver Jubel – und ein stolzer Bundestrainer. „Als Reinhard Heß sich vor mir verneigte und seine Mütze vom Kopf zog, war das ein bewegender Moment. Das hatte er nicht einmal bei Jens Weißflog gemacht, der die Tournee viermal gewonnen hat“, sagt Hannawald.
Natürlich wird er auch diesmal um sein Alleinstellungsmerkmal zittern, wenn der Ritt über die vier Schanzen am Donnerstag (14 Uhr/ ZDF und Eurosport) mit der Qualifikation in Oberstdorf beginnt. „Ich habe die Hoffnung, dass mein Rekord noch ein Jahr länger hält. Aber wenn es passiert, bin ich der Erste, der gratuliert“, sagt der 42-Jährige. Eine Wiederholung seines historischen Vierfachsieges traut Hannawald vor allem dem erst 17 Jahre alten Slowenen Domen Prevc, Bruder von Titelverteidiger Peter Prevc, sowie dem Norweger Daniel Andre Tande zu. „Das sind zwei Kandidaten, die das definitiv draufhaben“, sagt der Hobbyrennfahrer, der noch immer der bis dato letzte deutsche Tourneegewinner ist.
An einen Sieg von Weltmeister Severin Freund glaubt Hannawald nicht. „Ich wäre froh, wenn er am Ende unter den ersten zehn landet. Unter den ersten fünf wäre wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Ich trete da bewusst ein bisschen auf die Bremse“, sagt er über den Tourneezweiten des Vorwinters. Freund stehe nach seiner langen Verletzungspause erst bei „85 bis 90 Prozent“.
Für einzelne Podestplätze hat Hannawald dafür Markus Eisenbichler auf der Rechnung. „Markus war bisher der Stabilste, daher ruhen die Hoffnungen in diesem Jahr mehr auf ihm“, sagt Hannawald. Auch bei dem 25-Jährigen sei ein Podium an einem der vier Orte aber das Maximum. Zudem seien Richard Freitag und Andreas Wellinger einzelne starke Wettkämpfe zuzutrauen.
Die Spannung ist also groß, wenn es ab Donnerstag endlich ernst wird. Sven Hannawald fiebert schon jetzt mit allen Teilnehmern. „Weltmeister kann man mit etwas Glück werden“, sagt die Skisprung-Ikone über den Mythos, der nichts von seinem Glanz verloren hat: „Bei der Tournee aber muss man über zehn Tage Leistung bringen.“