Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Dem Lebenswerk einen Namen geben
Erbe findet Abnehmer: Warum eine Frau ihr Geld der Caritas vermacht – Stiftungen liegen im Trend
ULM - Dass Ivanca Cugura es eines Tages erst zur Millionärin und dann zur Stifterin bringen könnte, war im Leben der aus Kroatien stammenden Stuttgarterin eigentlich nicht vorgesehen. Doch das Schicksal meint es anders, besser, viel besser mit ihr und vielen Mädchen in Tansania: Denn im Jahr 2006 erbt die heute 70Jährige 1,5 Millionen Euro. Einfach so. Von kinderlosen, offensichtlich wohlhabenden Nachbarn, dem Ehepaar Kohler: „Wir hatten immer guten Kontakt, besuchten uns gegenseitig, schätzten uns“, erinnert sich Cugura, die in ihrem Berufsleben in der Medienstelle des Bistums Rottenburg-Stuttgart arbeitete, „aber von Geld, einer Erbschaft oder einem Vermögen war nicht die Rede.“
Von Anfang an weiß sie: „So viel Geld brauche ich nicht für mich.“Seit vielen Jahren hat Cugura, sie ist kinderlos und geschieden, drei Patenschaften für Mädchen aus Afrika, Asien und Lateinamerika übernommen. Sie ist genau im Bild über die Lebensumstände ihrer Patenkinder. Und sie definiert ihre Vision: „Ulrike und Dr. Karl Kohler haben mir nach ihrem Tod ein großes Vermögen hinterlassen. Dieses möchte ich mit Kindern teilen, die in Afrika in Ausgrenzung und Armut leben. Insbesondere sollen Mädchen durch Bildungsmaßnahmen Chancen für ein gelingendes Leben erhalten. Die Erträge des Stiftungsvermögens sollen zielgerichtet ankommen, kirchliche Einrichtungen und Strukturen sind mir dabei behilflich.“Cugura beschließt, das Vermögen zu stiften. Die „Ivanca Cugura-Ulrike und Dr. Karl KohlerStiftung“wird 2006 gegründet.
Mit den Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal (Landkreis Alb-Donau) und der Caritas in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, findet Cugura zwei Partner, die sich mit ihren Zielen identifizieren. Seit 1960 engagieren sich die Untermarchtaler Schwestern in Tansania in Ostafrika. Anfangs waren vier Ordensfrauen aus Deutschland dort. Heute melden die Schwestern, dass 230 tansanische Schwestern auf 22 Stationen in vier verschiedenen Diözesen die vielfältige Not zu lindern versuchen.
In vier Diözesen sind die Schwestern tätig Die Caritas bringt sich in Cuguras Projekt mit dem eigenen Kompetenzzentrum Solidaritätsstiftung ein: „Wir betreuen derzeit 72 Stiftungen und 20 Stiftungsfonds“, erklärt Michael Buck, Leiter des Kompetenzzentrums, „wir bieten Beratung, ausgehend von der Vision des Stifters, führen Gespräche über sein Herzensanliegen, fragen aber auch, ob Ziel und Realität zusammenpassen.“Buck erinnert sich an eine kleine Stiftung, die Erträge im dreistelligen Euro-Bereich pro Jahr abwirft. Große Sprünge sind nicht drin. Aber kleine, wichtige Schritte: „Damit finanziert die Stifterin Jahr für Jahr neue, hochwertige Spiele für eine Kindertageseinrichtung.“Steuerliche Aspekte werden mit dem Stifter besprochen, ein Notar beurkundet die Stiftung. Derzeit entstehen so Jahr für Jahr zwei bis fünf neue Stiftungen.
Eine eigene Treuhand-Stiftung, die das Kompetenzzentrum Solidaritätsstiftung kostenfrei führt, ist ab einem Betrag von 50 000 Euro sinnvoll, Zustiftungen zu bestehenden Stiftungen lohnen sich ab 10 000 Euro. Das Stiftungskapital bleibt jeweils erhalten, die Erträge fließen in caritative Projekte.
Auch in Zeiten niedriger Zinsen erbringen die Stiftungen 2,5 Prozent Ertrag auf das eingesetzte Kapital: „Wir poolen die Stiftungen und haben 25 Millionen Euro angelegt“, berichtet Michael Buck, „2016 sind sechs Millionen Euro dazugekommen.“
Das Kompetenzzentrum Solidaritätsstiftung legt das Kapital entsprechend ethischer Richtlinien an: „Beispielsweise in den Bau von Immobilien für Caritas-Wohngruppen.“
Zurück zu Ivanca Cugura. Aus den Erträgen ihrer Stiftung, die als eines von 66 lokalen Projekten von der Weihnachtsspendenaktion 2016 der „Schwäbischen Zeitung“profitiert, wird die Schulausbildung von 50 Mädchen in Tansania gefördert. 500 Euro brauchen die Untermarchtaler Schwestern pro Jahr und Mädchen, um die Mittlere Reife zu erreichen: „Das sind Mädchen, die sonst nie im Leben eine weiterführende Schule besuchen könnten“, sagt die Stifterin. Sie erhält jedes Jahr eine Liste mit den Namen der Mädchen und einer Kurzbiografie. Gelegentlich reist Cugura nach Tansania„Jeder von uns bekommt die Gelegenheit in seinem Leben, Gutes zu tun. Diese Gelegenheit bedeutet dann aber auch die Pflicht, es zu tun!“