Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kritik an „veganer Wurst“
Agrarminister Schmidt: Begriffe verunsichern Verbraucher
BERLIN (AFP/dpa) - „Vegetarisches Schnitzel“, „vegane Currywurst“– so etwas will Bundesernährungsminister Christian Schmidt in Supermärkten nicht mehr lesen. Derartige Begriffe seien „komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher“, sagte der CSU-Politiker der „Bild“Zeitung. Er setze sich dafür ein, dass sie unterbunden werden. Eine gesetzliche Regelung plant er allerdings nicht. Schmidt erklärte zu den vegetarischen und veganen Ersatzprodukten, die Anbieter dürften nicht „bei diesen Pseudo-Fleischgerichten so tun, als ob es Fleisch wäre“.
Schmidt forderte zugleich, Kantinen von Schulen und Kindergärten sollten regelmäßig Gerichte mit Schweinefleisch anbieten. „Dass unsere Kinder kein Schweinefleisch mehr bekommen, ist völlig inakzeptabel“, sagte er. Es sei ein „Versagen der Schulträger“, wenn Kinder keine ausgewogene Ernährung bekämen.
BERLIN (dpa) - Als Vegetarier muss man auf nichts verzichten. Weder auf Currywurst noch auf Geschnetzeltes oder Speckwürfel, nicht mal auf eine Blutwurst. Gut, all das ist vielleicht nicht aus Rind, Schwein oder Geflügel gemacht. Sondern aus Soja, Seitan oder Gemüse. Was Aussehen und Konsistenz angeht, kommen die Veggie-Produkte recht nahe ans Original ran. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Über Bezeichnungen allerdings schon.
„Diese Begriffe sind komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher“, antwortet Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) auf die Frage der „Bild“-Zeitung, warum ein „vegetarisches Schnitzel“oder eine „vegane Currywurst“heißen dürfen, wie sie eben heißen. Der CSU-Politiker belässt es nicht dabei: „Ich setze mich dafür ein, dass sie im Sinne einer klaren Verbraucherkennzeichnung verboten werden.“
Wenn der Weihnachtsbraten-satte Deutsche Fragen zur Bedeutung von Wörtern hat, hilft der Duden. Da heißt es zur „Wurst“: „Nahrungsmittel aus zerkleinertem Fleisch“. Punkt für Schmidt. Aber auch: „etwas, was wie eine Wurst aussieht, die Form einer länglichen Rolle“. Man könnte durchaus argumentieren, dass auch die vegane Currywurst einer wurstförmigen Rolle gleicht.
Arbeitsgruppe eingesetzt An dem Thema arbeitet in Schmidts Landwirtschaftsministerium eine eigene Arbeitsgruppe. Da geht es, wie ein Sprecher am Mittwoch erklärt, um „Klarheit und Wahrheit“, schließlich heiße Butter aus Pflanzenöl auch Margarine. „Das ist ein ernsthaftes Ansinnen“, fühlt er sich genötigt zu betonen, als Journalisten ihn nach Fleischtomaten und österreichischen Palatschinken fragen – das sind Eierkuchen.
Das Ganze laufe auf eine Selbstverpflichtung hinaus, sagt der Sprecher weiter. Der Minister habe sich aber auch an die EU-Kommission gewandt, Milch und Käse seien auf EUEbene ja schon geschützt. Schmidt selbst sagt im Interview, er sei sich sicher, dass die Hersteller sich eigene Namen überlegen würden.
Das allerdings hält Till Strecker vom Vegetarierbund Deutschland (Vebu) für problematisch. Denn wenn eine Bezeichnung wie „Schnitzel“ersetzt werden müsse, gingen damit viele Informationen jenseits des Fleischgehalts verloren, die Kunden auch mitdächten: Etwa zu Form, Zubereitungsweise und dass man es meist nicht zum Frühstück esse.
Erkenntnisse darüber, dass Kunden über Fehlkäufe klagen, weil sie statt Hähnchengeschnetzeltem irrtümlich Soja in den Einkaufswagen gelegt haben, gebe es dagegen nicht, sagt Strecker. Auch das zuständige Ministerium nennt auf Nachfrage keine Zahlen. Um große Debatten über Wurst und Fleisch auszulösen, braucht es die in Deutschland auch gar nicht. Das Thema bewegt und erzürnt, wie die Grünen 2013 mit ihrer Veggie-Day-Idee erfahren mussten. Schmidt bringt am Mittwoch auch gleich noch ein zweites tierisches Reizthema auf und plädiert – ohne Zahlen – dagegen, dass Kitas und Schulen mit Rücksicht auf muslimische Kinder Schweinefleisch vom Speiseplan nehmen. „Völlig inakzeptabel“sei das.
Zurück zur Tofuwurst. Schon im 19. Jahrhundert hätten Reformhäuser auch vegetarische Würstchen im Angebot gehabt, sagt Strecker vom Vebu. Inzwischen ist daraus eine lukrative Branche geworden. Mit Fleischund Wurstersatz hätte der Lebensmittel-Einzelhandel im Jahr 2015 mehr als 150 Millionen Euro Umsatz gemacht, heißt es beim Vebu unter Berufung auf das Marktforschungsinstitut Nielsen.