Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nach 25 Jahren bleibt das Stasi-Unterlagengesetz wirksam
Vor 25 Jahren, am 29. Dezember 1991, trat das Stasi-Unterlagengesetz in Kraft. Dass es auch heute noch kein Papiertiger ist, zeigte jüngst der Fall des Linken-Abgeordneten Andrej Holm. Er ist für den Posten des Staatssekretärs für Wohnen im Berliner Senat vorgesehen. In einer Zeitung wurde seine Stasiakte veröffentlicht, laut der Holm sich mit 14 Jahren zum Dienst beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verpflichtet hatte. Der Aufruhr im politischen Berlin war groß.
Seit Anbeginn erregte dieses Gesetz die Gemüter. Denn es wurde nicht von Bürokraten ersonnen, sondern von den „Wir sind das Volk“-Demonstranten in der friedlichen Revolution ertrotzt. Rechtlich knifflig, politisch gewollt: Es handelte sich hier nicht nur im juristischen Sinne um ein Spezialgesetz. Laut Bundesarchivgesetz galt für personenbezogene Daten eigentlich eine Sperrfrist von 30 Jahren. Das hatte vielen Ex-Nationalsozialisten die Karriere gerettet. Noch einmal sollte dieser historische Fehler nicht gemacht werden. Die Einsicht des Betroffenen in die eigene Akte sollte nun ab sofort möglich sein – nicht zuletzt, um Restitutionsansprüche der Stasiopfer zu begründen und den Staat davor zu bewahren, belastete Mitarbeiter zu beschäftigen.
Mit der Aufarbeitung der DDRGeschichte abzuschließen, diese Forderung wurde nach dem Mauerfall 1989 laut. Dennoch wurde das StasiUnterlagengesetz verabschiedet und darum eine Behörde gestrickt. Bereits die DDR-Volkskammer hatte in einer ihrer letzten Amtshandlungen Joachim Gauck zum „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes“ernannt.
Dass die Stasiakten letztlich in das Bundesarchiv nach Koblenz überführt werden, war schon bei der Verabschiedung des Unterlagengesetzes vorgesehen. Brandenburgs Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Ulrike Poppe, warnt davor, damit schon vor 2019 zu beginnen. „Mit den Stasi-Unterlagengesetz ist es welthistorisch erstmalig gelungen, die Akten einer Geheimpolizei für die von ihr Überwachten und Verfolgten zu öffnen“, argumentiert Poppe.
Die Nutzerzahlen geben ihr recht: 6,6 Millionen Menschen haben bislang Anträge zur Akteneinsicht gestellt, fast drei Millionen haben ihre Akten bisher eingesehen.
Bis 2021 soll, folgt man dem Rat einer Expertenkommission, die Behörde mit dem Bundesarchiv zusammenwachsen. Dass da zusammenwächst, was zusammengehört, findet zumindest der aktuelle Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn. Im Mai sagte er: „Der Aktenzugang soll weiter möglich sein, so wie er sich seit 25 Jahren bewährt hat.“
Seine Vorgängerin Marianne Birthler ist skeptischer: Sie hält die Vorschläge der Kommission für falsch. Sie sehen vor, den Bundesbeauftragten durch einen Ombudsmann ohne eigene Behörde zu ersetzen. Birthler sieht nach eigenen Worten keinen Grund, warum man die symbolträchtige Behörde abschaffen sollte: „Die Kommission ist die Antwort schuldig geblieben, was danach besser werden könnte.“(KNA)