Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Mein Beruf ist meine Berufung“
Wolfgang Kimpfler kocht im Ravensburger „Ochsen“mit Leidenschaft
Neue Serie
In Ravensburg gibt es viele Lokale, da kennen die Gäste den Wirt noch persönlich – weil er dort selbst kocht, kellnert oder hinter der Theke steht. In einer Serie stellt die „Schwäbische Zeitung“bekannte Wirtsleute vor. ● RAVENSBURG - Fünf Tage nach Abschluss der Realschule steht Wolfgang Kimpfler im Hotel „Lamm“bei Thomas Kraus am Herd und beginnt seine Lehre bei einem, der das Handwerk im renommierten „Waldhorn“erlernte. Dass er Koch lernen wollte, wusste er schon auf der Schule, das scheint er in die Gene bekommen zu haben, denn er wurde in eine Gastronomen-Familie hineingeboren.
Der Vater kochte in Lochau auf dem Wellenhof, lernt in Hirschegg eine Pia kennen, die ihrer älteren Schwester in einem Wirtshaus aushilft, die beiden werden ein Paar, und 1975, da ist Sohn Wolfgang vier Jahre alt, übernehmen Pia und Peter Kimpfler in Ravensburg den „Ochsen“. Da war kein Druck zu Hause, eine Lehre in der Gastronomie zu machen, um später den elterlichen Betrieb zu übernehmen. „Es war meine eigene Entscheidung“, die er nie bereute.
Doch dann, aus tragischen Gründen, weil der Vater sehr krank wird, steht Wolfgang Kimpfler mit nur 24 Jahren am heimischen Herd „und übernimmt Verantwortung. Was jetzt?“. Erst mal die seitenlange Karte aus der Plastikhülle nehmen, das Angebot reduzieren, „man braucht keine zehn Vesperplatten mit russischen Eiern und Ochsenmaulsalat, was heut kein Mensch mehr isst“. Die Kraft auf weniger konzentrieren, aber auf was? „Gutbürgerlich“? Ja, wohl schon. Siedfleisch, Rostbraten oder Schnitzel sollten bleiben, dann aber auch tadellos gemacht sein. Doch braucht es eine Fritteuse? Und er verzieht bis heute die Nase. Wohl schon, merkt er bald, weil die Kinder die Fritten lieben. Kroketten? Wenn sie selbst gemacht sind, wie alle Soßen in seiner Küche, dann ja. Da ist er konsequent bis ins Detail. Neues wagen, warum nicht. Austern und Chablis und frischen Fisch in Wein. „Ich habe keine Angst vor einem Produkt und hätte keine Angst vor einem Gast, der in meine Küche kommt und sich umsieht.“Das Publikum ist inzwischen völlig durchmischt, aber genau deshalb will er nicht abheben, die Wurzeln nicht verlieren, Saure Linsen mit Spätzle für zehn Euro müssen bleiben. Und was hält er von dem, was Chateaubriand-Freaks für Abfall, Gourmets für eine Delikatesse halten – Innereien? Da kommt der Koch Kimpfler, zur Freude des Reporters, ins Schwärmen. „Kuttla in Tomatesoß – herrlich, wunderbar.“ Und Nierle, Bries und saure Leber gibt es noch immer. „Wir dürfen heute alles in meiner Küche“, doch das heißt für ihn nicht, dass er jeden Trend mitmacht.
„Billig klappt mit mir nicht“Diese billigen Mittagstische zum Beispiel, mit einem Essen für 6.80 Euro, das die Herren in Streifen dann in dreißig Minuten hinunterschluckten. „Das klappt bei mir nicht, weil man in meine Gastronomie auch ein bissel Zeit mitbringen sollte.“Und sein Personal, manche seit 20 Jahren im Haus, und keiner auf die billige Art bezahlt, sein Personal brauche er nicht für Nudeln mit Soß, oder für den Schweinerücken vom Großschlächter, drei Euro das Kilo. „Wofür musste die arme Sau dann sterben?“Bei ihm kein Fleisch, das mit Soja aus Brasilien gefüttert wurde, sondern das, wie Gemüse und Zutaten, und wenn möglich auch der Fisch, aus der Region stamme.
Für Wolfgang Kimpfler (und auch für die Mutter nicht, die im 42. Jahr mit viel Spaß an der Theke steht) ist es kein Manko, wenn man seinem Restaurant Gemütlichkeit attestiere, heiße das doch, „die Sinne ansprechen, riechen, schmecken“und Zeit mitzubringen für seinen Beruf, „der ihm zur Berufung wurde“, Zeit auch für Essen und Trinken auf hohem Niveau mit anderen. Kultur nannte man dies früher. Köche sterben aus, sagt er. Vermutlich auch, weil die wenigsten so selbstbewusst und so selbstbestimmt und mit Leidenschaft ein altes Haus modern führen und somit die Kultur von Essen und Trinken, von Gastlichkeit also, erhalten.