Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wir sind kroatische Ravensburger“
Ante Knezovic vom Restaurant Fiaker in der Bachstraße ist der dienstälteste ausländische Wirt in Ravensburg
mittlerweile knapp 68-jährige Ante Knezovic. „Wir sind Ravensburger, kroatische Ravensburger“, sagt Ante und fügt sogleich hinzu: „Ich bin hier mehr zu Hause als in Kroatien.“
In einer schwierigen Branche wie der Gastronomie, in der die schnellen Wirte-Wechsel häufig sind, könnte man von Ante, wie ihn seine Freunde und unzählige Stammkunden nennen, eine Menge lernen. Seine und Marijanas Küche steht für Kontinuität und Qualität, kroatische Küche und internationale – ja, es gibt bei Ante sogar Spätzle, Bratkartoffeln, Schnitzel. Stammkunden sagen, die Speisekarte im Fiaker habe sich, seit Ante hier wirtet, kaum verändert. Der große Renner – das sind nach wie vor Marijanas Cevapcici, jene leckeren HackfleischRöllchen, die die Köchin immer selber macht – wie man im Fiaker überhaupt auf frische Produkte setzt und Tiefgekühltes, Fertiggerichte entschieden ablehnt. Immer wieder werde sie nach dem Rezept ihrer Cevapcici gefragt, sagt Marijana Knezovic, doch „die kriegen das Rezept nicht“. Nur das Krautsalat-Rezept – das kriegen sie schon, fügt sie hinzu. Das sei ein ganz einfaches Rezept, ganz anders als hierzulande üblich.
Der Fiaker gehört jener ParkhausGesellschaft, die die benachbarte Garage betreibt. Die Gesellschaft hat den Fiaker an die Stuttgarter Dinkelacker Schwabenbräu verpachtet, Antes Vertragspartnerin. Seit nunmehr fast 44 Jahren werde der Vertrag alle zwei Jahre verlängert, und das telefonisch, wie Ante versichert. Man pflege ein enges Vertrauensverhältnis.
Bald ist Ante 68 Jahre alt. Denkt er ans Aufhören? Als er sich vor einigen Monaten einer Bandscheiben-Operation unterziehen musste, an der er bis heute laboriert, tauchte in Ravensburg sogleich das Gerücht auf: Der Ante hört auf. Davon könne aber keine Rede sein, dementiert der Wirt entschieden. „Uns macht’s nach wie vor Spaß“, versichert er, er sei gesund, es fehle ihm nichts. Ante lobt seinen jungen Landsmann Ivo, der seit knapp einem Jahr im Service tätig ist. Auch wenn der schwäbische Dialekt für ihn noch schwer zu verstehen sei.
Alle sitzen hier an einem Tisch Ante, der eigentlich Ante Goran mit Vornamen heißt und aus der elfköpfigen Familie eines bei Split ansässigen selbstständigen Bauunternehmers stammt, kam im Jahre 1966 nach Deutschland. Als Gastarbeiter – wie das damals hieß. Und als entschiedener, katholischer Antikommunist. Er heiratete die 1969 mit ihren Eltern nach Ravensburg gekommene Marijana. Die beiden Kinder, Anja und Julia, sind in Ravensburg geboren. Es ist eine Familie mit zwei Heimaten – und ein Beispiel, wie gut Integration funktionieren kann. Ante gehört dem FV Ravensburg an, bekam für langjährige Mitgliedschaft sogar die goldene Ehrennadel, kennt Hinz und Kunz in der Stadt. Politisch halte er sich bewusst zurück, versichert der FiakerWirt. „Bei mir verkehren alle: Deutsche, Kroaten, Serben, auch Muslime.“Parteimitglied ist er nirgends. Übrigens auch kein deutscher Staatsbürger. Das war zu Titos Zeiten schwierig. Wer damals die Staatsbürgerschaft wechselte, hätte in Jugoslawien keinen Grundbesitz mehr haben können. Und jetzt – nach Tito? „Warum soll ich die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben, wo wir doch in Europa leben?“, bemerkt Ante.
Als ab 1990 im damaligen Jugoslawien der Balkankrieg tobte und eine riesige Zahl von Opfern forderte, organisierte Ante Knezovic mit seinem Landsmann, dem inzwischen verstorbenen Maler Pik Bolkovic, mehr als 15 Hilfstransporte für seine Landsleute. Der erste Transport führte in die Ravensburger Partnerstadt Varazdin. Pik wurde von der Stadt Ravensburg geehrt. Ante Knezovic, der weit mehr für diese Hilfsaktionen leistete, blieb im Hintergrund. Unverdientermaßen.