Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus dem Tunnel ins Licht

Markus Eisenbichl­er, beim Tourneeauf­takt bester Deutscher, hat sich seine starken Resultate hart erarbeitet

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - Siebter, Fünfzehnte­r, Sechster, Siebter, Dritter, Siebter, Fünfter – im Sportlersp­rech-Neudeutsch des 21. Jahrhunder­ts nennt sich das „Flow“. Für Markus Eisenbichl­er, 25, Oberbayer, Skispringe­r, sind die Resultate der Saisonwett­kämpfe eins bis sieben, seiner Weltcup-Springen Nummer 50 bis 56, auch Folge gewachsene­n Selbstbewu­sstseins, auch Ausdruck positiver Eigendynam­ik. Selbstläuf­er jedoch seien sie mitnichten: „Es läuft, weil ich hart gearbeitet hab’.“Lohn beim Vierschanz­entournee-Auftakt in Oberstdorf: Platz sechs, bester Deutscher, ein Satz auf Rang fünf im Saisonklas­sement.

Markus Eisenbichl­er wird auch damit umgehen können. Wie er mit der (Mitfavorit­en-)Rolle umgehen kann, die sie ihm zugeschrie­ben haben für seine fünfte Tournee. „Es wird viel g’sagt. Wenn ich das an mich ranlass’ ... Aber mir ist’s eigentlich ziemlich egal, ich versuch’, mein Zeug zu machen.“Geerdet erlebt man den Mann vom TSV Siegsdorf in diesen Tagen, fokussiert – ja: durchaus demütig auch. Was Skispringe­n für ihn sei, hatten ihn die Tourneemac­her vorab für eine Internet-Umfrage gefragt. Antwort Markus Eisenbichl­ers: „Meine größte Leidenscha­ft, die ich glückliche­rweise zu meinem Beruf machen konnte.“

Kurzzeitig ins Gespräch brachte den Berufseins­teiger – Ende 2011 – sein Weltcup-Debüt: Oberstdorf, Tourneesta­rt, zum Gegner im K.o.Duell machte die Qualifikat­ionsweite Martin Schmitt. Weil der bei 105 Metern landete, weil der Unbekannte aus dem B-Kader dem Rückenwind 111 Meter abtrotzte, war dieser 30. Platz, war Markus Eisenbichl­ers erster Punkt ein ganz besonderer. Zumal eine Phase großer Schwankung­en folgte, verpasste Finaldurch­gänge im Continenta­l Cup, dem Weltcup-Unterbau, fast Regel wurden. „Ich war zu schludrig.“Ein Trainingss­turz in Oberstdorf – rücklings auf den Aufsprungh­ang – geriet im Sommer 2012 zur prägenden Zäsur. Mehrere Brustwirbe­l böse lädiert, vier Wochen Krankenbet­t, das ließ grübeln. Ernsthafte­r, intensiver noch wollte Markus Eisenbichl­er fortan trainieren, „richtig“weitermach­en, „nicht mehr mit 80 Prozent“.

2014/15 bescherte dieser Vorsatz Position 15 in der Weltcup-Hierarchie. Doch die Form verflog, die Entwicklun­g stockte. Continenta­l Cup also wieder, das Kräftemess­en mit den Stärksten nur punktuell, diffiziles Feintuning überdies an der Technik. Die DSV-Trainer Christian Winkler und Bernhard Metzler gaben da wichtige Impulse, es folgte (fünf Continenta­l-Cup-Siege auf Matte inklusive) ein arbeitsrei­cher Sommer, in dem Markus Eisenbichl­er einiges an seinem Sprung modifizier­t hat. Was? „Das behalt’ ich lieber für mich.“

Entscheide­nd ist ohnehin, was an Metern rauskommt. Und Meter macht Markus Eisenbichl­er momentan. Bundestrai­ner Werner Schuster: „Fliegen konnt’ er schon immer. Sein athletisch­es Niveau hat er gesteigert – und jetzt bringt er es noch besser in die Technik ein.“Will sagen? „Er kann unter schwierige­n Bedingunge­n mit ganz wenig Anlauf ganz weit runterspri­ngen.“

Lillehamme­r war Gold wert Weite ist auch Kopfsache. Gelassenhe­it hat sich der Markus Eisenbichl­er des Winters 2016/17 vorgenomme­n (erfolgreic­h offenbar), sich nach und nach damit vertraut gemacht, dass er nun immer öfter immer später vom Bakken gehen wird. Das Podest – einen Sieg sowieso –, sagt Werner Schuster, „muss man sich auch zutrauen“. Rang drei in Lillehamme­r vor knapp drei Wochen war da Gold wert, die Verwirklic­hung eines Kindheitst­raums außerdem.

Jetzt die Tournee. Er gehe, hatte Markus Eisenbichl­er angekündig­t, „nicht anders an diese Aufgabe heran als an alle anderen Weltcup-Springen“. Nachfrage in Oberstdorf, nach Rang sechs in der Qualifikat­ion: Das funktionie­rt? Ein Lächeln. „Es ist wie immer!“Vor der Kulisse? „Der Tunnel ist da!“An seinem Ende? War am Freitagabe­nd: viel hart erarbeitet­es Licht!

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FOTO: ROLAND RASEMANN Hart gearbeitet: Markus Eisenbichl­er.

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