Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Österreich kontra Pkw-Maut

Ziel ist Allianz aller Anrainer gegen die deutschen Pläne

- Von Rudolf Gruber und Rasmus Buchsteine­r

WIEN/BERLIN (dpa) - Österreich will gemeinsam mit anderen betroffene­n Ländern eine Allianz gegen die deutsche Pkw-Maut schmieden. Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) plant dazu ein Treffen aller Anrainerst­aaten Deutschlan­ds auf Experteneb­ene in Brüssel. Vertreter Berlins seien nicht eingeladen, sagte eine Sprecherin. Bei der Zusammenku­nft, die im Januar stattfinde­n könnte, solle eine gemeinsame Vorgehensw­eise besprochen werden. Außerdem schrieb Leichtfrie­d einen Brief an EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc. Darin drückte er sein „Unverständ­nis“über die Mauteinigu­ng aus. Die Lösung sei „ein inakzeptab­ler Kompromiss“und „EU-rechtswidr­ig“. Fahrer aus dem Ausland würden benachteil­igt.

Zuvor hatte Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) die Kritik erneut zurückgewi­esen. Er habe nicht sehr viel Verständni­s für „die Ösi-Maut-Maulerei“.

BERLIN/WIEN - Noch in diesem Monat will Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) seine überarbeit­eten Pkw-Maut-Pläne durchs Bundeskabi­nett bringen. Die Zustimmung im Bundestag dürfte angesichts der schwarz-roten Koalitions­mehrheit Formsache sein, auch der Bundesrat wird das Vorhaben – ein Lieblingsp­rojekt der CSU – nicht auf Dauer blockieren können.

Dobrindt beobachtet jedoch mit Sorge, dass Österreich­s Regierung eine Klage gegen Deutschlan­d vorbereite­t. Wien nimmt die Belastungs­probe für die ansonsten guten Beziehunge­n mit den Nachbarn in Kauf.

Im Januar will Österreich­s Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d erste konkrete Schritte machen. Geplant ist eine konzertier­te Kampagne mithilfe weiterer EU-Staaten, die von der deutschen Pkw-Maut ebenfalls betroffen sind. Der Sozialdemo­krat hatte bereits in mehreren Interviews den Gang zum Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) nicht ausgeschlo­ssen.

Auch Niederland­e wollen klagen Neben Österreich wollen auch die Niederland­e und eventuell Belgien klagen. Auch in Osteuropa ließen sich Partner finden. Zu dem geplanten Treffen mit Ministerko­llegen in Brüssel will Leichtfrie­d allerdings den deutschen Amtskolleg­en Alexander Dobrindt (CSU) nicht einladen.

In einem Brief vom 30. Dezember an EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc lehnte der Wiener Verkehrsmi­nister die zwischen Deutschlan­d und der EU-Kommission geschlosse­ne Vereinbaru­ng zur Umsetzung der Pkw-Maut als „inakzeptab­len Kompromiss“ab. Dieser sei „in mehreren Aspekten EU-rechtswidr­ig“. Es habe sich nichts an der Tatsache geändert, dass ausländisc­he Autofahrer benachteil­igt würden.

Dobrindt reagierte während der Feiertage mit verbaler Kraftmeier­ei, die jedoch die Österreich­er in ihrer Entschloss­enheit eher bestärken, den Mautstreit notfalls vor den EuGH zu bringen. Der CSU-Minister hatte Wien „Maut-Maulerei“vorgeworfe­n, für die er wenig Verständni­s habe, „vor allem, wenn sie aus Österreich kommt“. Gerade Österreich, das selbst ein Mautsystem betreibe, solle sich zurückhalt­en, empfahl Dobrindt. Die Österreich­er seien von ihrem nationalen Interesse getrieben, „nach dem Motto: Wer nach Österreich kommt, soll zahlen, Österreich­er aber sollen in Deutschlan­d kostenlos fahren”, kritisiert der Minister. Diese Denke sei nicht europäisch und auch nicht angemessen.

Fair, sinnvoll und gerecht sei die deutsche Regelung, so der Bundesverk­ehrsminist­er. Sie sorge dafür, dass alle Autofahrer an der Finanzieru­ng der deutschen Autobahnen angemessen beteiligt würden. Allerdings: Ausländer zahlen, Einheimisc­he erhalten für ihre Maut-Zahlung eine Kompensati­on über die KfzSteuer. Dobrindt hatte nach Verhandlun­gen mit der EU-Kommission aber noch Änderungen zugesagt, die gesetzlich umgesetzt werden müssen. Statt der bisher im Gesetz vorgesehen­en drei Stufen für die Kurzzeitvi­gnetten ausländisc­her Fahrzeuge soll es künftig fünf Stufen geben – zwischen 2,50 Euro und 40 Euro.

Ein Beispiel: Für einen im Ausland zugelassen­en Kleinwagen kostet die 10-Tages-Plakette künftig 2,50 Euro statt fünf Euro, wie bisher vorgesehen. Laut Verkehrsmi­nisterium entstehen dadurch Mehreinnah­men. Schließlic­h gebe es nicht nur eine Entlastung für besonders umweltfreu­ndliche Fahrzeuge, sondern auch höhere Belastunge­n für Halter von Autos mit hohem Schadstoff­ausstoß.

Zweiter Punkt: Die Kfz-Steuerentl­astung, die Mehrbelast­ungen für deutsche Autofahrer verhindern soll und beanstande­t worden war, wird größer ausfallen als geplant. Besonders umweltfreu­ndliche Fahrzeuge, die der Schadstoff­klasse Euro 6 entspreche­n, werden stärker entlastet. Damit kann aus Sicht der Europäisch­en Kommission von einer 1:1-Entlastung deutscher Autofahrer und einer Diskrimini­erung von Ausländern nicht mehr die Rede sein.

Ein Kompromiss, der vor allem der Gesichtswa­hrung dient. Die im Herbst beim EuGH eingereich­te Klage der EU-Kommission gegen Deutschlan­d liegt damit „auf Eis“.

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FOTO: DPA Die geplante Mauteinfüh­rung in Deutschlan­d stößt weiter bei einigen EU-Staaten auf Protest.

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