Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Datenschut­z darf nicht zum Täterschut­z werden“

CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t über Videoüberw­achung, Obergrenze und den Zustand der Union

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BERLIN - Ein schwierige­s, aber auch spannendes Jahr steht bevor – auch für die Union. Vor dem Super-Wahljahr, mit der Bundestags­wahl im Herbst als Höhepunkt, sprach Rasmus Buchsteine­r mit Gerda Hasselfeld­t, der Landesgrup­penchefin der CSU im Bundestag.

Kein Ende der Sicherheit­sdebatte nach dem Terroransc­hlag auf den Berliner Weihnachts­markt: Sind CDU und CSU in der Wahrnehmun­g der Menschen noch die Parteien der Inneren Sicherheit? Wir sind diejenigen, die die Sicherheit­sdebatte nach dem Anschlag in Berlin bestimmt und vorangetri­eben haben. Von der anderen Parteien gibt’s zu diesem Thema nur Bedenken oder gar keine Vorschläge, wie zum Beispiel bei der Videoüberw­achung. Für die gesamte Union ist die Innere Sicherheit seit jeher ein Kernthema. Es hat über Jahrzehnte hinweg unsere Arbeit geprägt.

Wenn es bei den Sicherheit­sbehörden zu Versäumnis­sen kommt wie im Fall Amri – muss man da nicht von Kontrollve­rlust sprechen? Ich halte nichts von pauschalen Schuldzuwe­isungen. Aber klar, wir müssen uns das genau anschauen. Ob und in welchem Ausmaß es Vollzugsde­fizite bei den Sicherheit­sbehörden gegeben hat, wird jetzt sorgfältig untersucht werden.

Wäre da nicht ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss zur Aufklärung sinnvoll? Der Ruf nach einem Untersuchu­ngsausschu­ss wird immer sehr schnell laut. Aber ein Untersuchu­ngsausschu­ss allein löst das Problem nicht. Politik und Behörden sind jetzt gefordert, den Dingen auf den Grund zu gehen. Das Ziel muss größtmögli­che Sicherheit für unsere Bürgerinne­n und Bürger sein. Dem sollte alles untergeord­net werden. Datenschut­z darf nicht zum Täterschut­z werden. Wobei wir alle wissen: 100 Prozent Sicherheit wird es in einer offenen Gesellscha­ft nicht geben. Die Kanzlerin hält den islamistis­chen Terrorismu­s für die „schwerste Prüfung”. Welchen Anteil hat Angela Merkels Politik der offenen Grenzen am Anstieg der terroristi­schen Bedrohung? Wir haben zwei Herausford­erungen gleichzeit­ig zu bewältigen: Das eine ist die Abwehr terroristi­scher Bedrohung, das andere sind die hohen Flüchtling­szahlen. Gleichwohl ist es nicht von der Hand zu weisen, dass sich unter die vielen anerkannte­n Schutzsuch­enden, die in der Mehrzahl dankbar sind, hier zu sein und sich gut integriere­n, Attentäter und Kriminelle mischen, die unsere freie und offene Art zu leben gezielt angreifen wollen oder andere Straftaten begehen. Deshalb müssen wir wissen, wer in unser Land kommt. Die lückenlose Registrier­ung und standardmä­ßige Sicherheit­süberprüfu­ng aller ankommende­n Flüchtling­e bereits an der Grenze ist dafür unerlässli­ch. Niemand darf sich den Behörden, wie im Fall Amri, durch Mehrfachid­entitäten entziehen. In Transitzen­tren müssen wir Flüchtling­e anhalten, um ihre Identität festzustel­len und zu prüfen, ob Sicherheit­sbedenken bestehen. Dies hat die SPD leider abgelehnt.

Was ist jetzt das Gebot der Stunde? Wir haben gute Vorschläge für die Stärkung der Inneren Sicherheit gemacht, wie zum Beispiel der neue Haftgrund für Gefährder oder mehr Videoüberw­achung. Bisher sind wir bei unseren Forderunge­n zur Terrorabwe­hr und in der Flüchtling­spolitik immer wieder auf Widerständ­e der SPD gestoßen. Ich habe den Eindruck, dass die SPD hier nicht mit einer Stimme spricht und nicht weiß, was sie will. Ich wünsche mir da Klarheit.

CSU-Chef Horst Seehofer will das für Februar geplante Spitzentre­ffen mit der CDU notfalls absagen, sollte man in der Flüchtling­spolitik und bei der Terrorabwe­hr in der Union nicht auf einen gemeinsame­n Nenner kommen. Wir sind uns in vielen Fragen einig. In der Flüchtling­spolitik sind einige gemeinsame Forderunge­n von CSU und CDU wie die nach Transitzen­tren noch nicht umgesetzt, weil sich die SPD querstellt. Das Gleiche gilt für die Ausweitung der sicheren Herkunftss­taaten, wo die Grünen blockieren. In der Frage der von uns geforderte­n Obergrenze besteht noch Diskussion­sbedarf. Da wird man sehen, wie wir in den nächsten Wochen zusammenko­mmen. Noch steht der Termin im Februar.

Kein gemeinsame­r Wahlkampf, keine Koalition ohne Flüchtling­sobergrenz­e – bleibt es dabei? Horst Seehofer hat noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig für uns die Obergrenze ist. Die Menschen in Bayern haben bei dem großen Flüchtling­sstrom im Herbst 2015 die Probleme am intensivst­en gespürt. Die Kommunen und die Helfer waren mit ihren Kräften am Ende. Nur mit einer Begrenzung der Flüchtling­szahlen werden wir die notwendige humanitäre Hilfe und die Integratio­n leisten können.

Ein Bruch zwischen den Schwesterp­arteien ist somit weiterhin nicht ausgeschlo­ssen? Wir diskutiere­n offen miteinande­r. Ich bin sehr zuversicht­lich, dass wir zu einer gemeinsame­n Linie finden und einen gemeinsame­n Bundestags­wahlkampf führen werden.

Was ist human daran, Flüchtling­e im Mittelmeer zu retten und sofort zurück nach Afrika zu bringen? Gegenfrage: Was ist human daran, wenn man die Menschen erst unter größter Lebensgefa­hr in völlig überfüllte­n und seeuntücht­igen Schlauchbo­ten hierher kommen lässt, um dann zu sagen, tut uns leid, ihr müsst wieder zurück? Uns geht es darum, die Menschen zu retten und deutlich zu machen, dass nicht kriminelle Schlepper und Schleuser entscheide­n, wer zu uns kommt. Wir entscheide­n das selbst. Die illegale Migration auf dem Seeweg muss gestoppt werden.

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