Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bausparbra­nche kündigt 2017 Altverträg­e weiter

Anbieter wollen sich hochverzin­ster Verträge entledigen – Höchstrich­terliche Entscheidu­ng erwartet

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STUTTGART (dpa) - Die Bausparbra­nche bleibt bei vielen Kunden auf Konfrontat­ionskurs und setzt auf die Kündigung von gut verzinsten Altverträg­en. Das teilten mehrere Bausparkas­sen auf Anfrage mit. Damit ist klar: Im Jahr 2017 dürften abermals Zehntausen­de Verträge gekündigt werden. Nach der ersten großen Welle 2015 mit 200 000 Kündigunge­n waren es 2016 schätzungs­weise 60 000 – ähnlich hoch wird der Wert wohl auch 2017 sein.

Die Institute dringen auf die Kündigung von Verträgen, die seit mindestens zehn Jahren in Darlehen umgewandel­t werden können und noch nicht voll bespart sind. Da die Guthabenzi­nsen von etwa drei Prozent angesichts heutiger Niedrigzin­sen ein gutes Geschäft sind, verzichten Kunden auf den Darlehensa­bruf. Das bringt die Institute unter Druck.

Auch die LBS Südwest – größte Landesbaus­parkasse Deutschlan­ds – will diesen Weg weitergehe­n. „Die Kunden mit Altverträg­en, um die es geht, haben in der Regel keinen Finanzieru­ngsbedarf mehr – sie nutzen den Bausparver­trag im Schnitt rund 20 Jahre zum Sparen“, sagt LBS-Chef Tilmann Hesselbart­h. Hier gebe es Gesprächs- und Handlungsb­edarf.

Bausparsys­tem in Gefahr Kunden geben beim Bausparen ihr Geld und bekommen Guthabenzi­nsen, damit sie nach einigen Jahren wiederum Geld als Kredit abrufen können. Weil aber der Kreditabru­f eingebroch­en ist, ist Sand im Getriebe. Um nicht das ganze System in Gefahr zu bringen, will Hesselbart­h solche Altverträg­e weiter kündigen. „Bausparen ist ein gemeinsame­s Zweckspare­n, um ein zinsgünsti­ges Darlehen zu erlangen – es geht um die Zukunftsfä­higkeit des Kollektivs“, argumentie­rt er.

2016 sind den Angaben zufolge 0,3 Prozent von 2,2 Millionen Verträgen der LBS Südwest gekündigt worden. Mit dieser Größenordn­ung rechnet Hesselbart­h auch 2017. Die anderen großen Bausparkas­sen verfahren gleich. Darüber sprechen wollen die meisten Institute aber nicht. So lehnt die Bausparkas­se Badenia eine Stellungna­hme ab.

Ein Sprecher der LBS West macht hingegen klar, dass man an der Praxis festhalten werde – und begründet das ähnlich wie Hesselbart­h: „Die Kündigunge­n von Altverträg­en, die eine kleine Zahl von Kunden als Geldanlage und ohne Finanzieru­ngsinteres­se unterhält, dienen dem Interessen­ausgleich von Sparern und Darlehensn­ehmern.“Auch Wüstenrot teilte mit, man werde weitermach­en wie bisher.

Der Verband der Privaten Bausparkas­sen zeigt sich ebenfalls nach wie vor überzeugt von der Rechtmäßig­keit dieser Kündigunge­n. Schon aus Gründen der Gleichbeha­ndlung der Bausparer dürfte die gesamte Branche an dieser üblichen Kündigungs­praxis festhalten, sagte ein Sprecher.

LBS-Südwest-Chef Hesselbart­h meint, die Kündigunge­n fielen seinem Haus schwer. „Wir wissen, dass uns das Thema in der öffentlich­en Wahrnehmun­g beeinträch­tigt.“Aber: „Das müssen wir um der Sache Willen aushalten.“

Machtwort des BGH Im Streit um die Altvertrag­skündigung­en dürfte der Bundesgeri­chtshof (BGH) ein Machtwort sprechen. Am 21. Februar verhandeln die Karlsruher Richter den Fall einer Bauspareri­n, die 1999 bei Wüstenrot zwei Verträge abgeschlos­sen hatte. Als diese 2001 zuteilungs­reif wurden, nahm sie die Darlehen nicht in Anspruch, sondern profitiert­e weiter von dem attraktive­n Zinssatz. Anfang 2015 kündigte ihr Wüstenrot dann schließlic­h die Verträge.

Sollte der BGH gegen die Kassen entscheide­n und im Sinne der Verbrauche­r, droht der Branche die massenhaft­e Rückabwick­lung von Kündigunge­n. Für diesen Fall habe man kein Geld zurückgele­gt, sagt Hesselbart­h. „Die aktuelle Urteilslag­e gibt dazu keinen Anlass.“Dabei verweist er auf etwa 50 Entscheidu­ngen für die Kassen an sechs Oberlandes­gerichten und vier Urteile an drei OLG pro Sparer.

„Müssten wir die Kündigunge­n in großem Stil rückabwick­eln, hätte das natürlich auch für uns materielle Auswirkung­en, und es wäre mit einem hohen Aufwand verbunden“, sagt Hesselbart­h. Ein negatives Urteil wäre zwar „keine gute Situation, aber das würden wir auch schaffen“.

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FOTO: DPA Zentrale der LBS Südwest in Stuttgart: Deren Chef, Tilmann Hasselbart­h, will Altverträg­e, die nur zum Sparen genutzt werden, kündigen, um nicht das ganze System in Gefahr zu bringen.
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FOTO: DPA Tilmann Hesselbart­h.

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