Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Wald hat 1000 Augen

Wildkamera­s beobachten das Geschehen – oft am Rande der Legalität

- Von Elke Richter

ie erste Zigarette rauchen, sich zu einem heimlichen Rendezvous treffen oder seine Wut herausschr­eien: Wer ungestört sein will, zieht sich gerne in einen Wald zurück. Dort sind wir alleine – bleiben aber nicht unbemerkt.

Wer im Wald unterwegs ist, wird ständig beobachtet. Von Tieren. Immer öfter aber verstecken sich auch elektronis­che Augen zwischen den Ästen: Wildkamera­s, die durch Bewegungen aktiviert werden und per Infrarot selbst nachts gestochen scharfe Bilder liefern. Was Jägern das Leben erleichter­t, bereitet Datenschüt­zern Sorgen. Denn Menschen fühlen sich im Wald unbeobacht­et – so wie ein österreich­ischer Politiker, dessen Schäferstü­ndchen mit einer Geliebten detaillier­t auf einer Speicherka­rte dokumentie­rt wurde.

Kameras werden immer billiger „Der Wald ist so etwas wie ein Rückzugsge­biet für viele Menschen, die ungestört sein wollen“, erläutert der bayerische Datenschut­zbeauftrag­te Thomas Petri. Dass die Kameras inzwischen mit Preisen ab 100 Euro absolut erschwingl­ich geworden sind und entspreche­nd nachgefrag­t werden, hält er daher für bedenklich. „Die Gesellscha­ft nimmt sich selbst die Räume weg, die der einzelne Mensch braucht, um hin und wieder einfach für sich zu sein. Das ist eine schlimme Entwicklun­g: Privatheit ist ein Grundbedür­fnis.“

Wie viele Wildkamera­s in Deutschlan­ds Wäldern hängen, weiß niemand – es gibt keine Meldepflic­ht. Experten gehen aber von vielen Tausend aus. Zwar dürften sie im Wald nur bei einem berechtigt­en Interesse aufgehängt werden und keine Wanderwege erfassen. Zudem müssten selbst beim Überwachen abgelegene­r Stellen Schilder auf die Videoüberw­achung hinweisen. Aber das passiere nur selten.

Gut getarnt Dennoch verzeichne­t der Präsident des Landesamts für Datenschut­zaufsicht, Thomas Kranig, nur wenige Beschwerde­n. Es könne allerdings sein, dass die Kameras „so gut getarnt sind, dass sie kein Mensch sieht, sich nicht beobachtet fühlt und sich deshalb auch nicht beschwert“. Gut getarnt werden die Kameras von den Jägern schon aus Eigeninter­esse – damit sie nicht gestohlen werden.

Für die Jäger ist die Technologi­e ein nützliches Hilfsmitte­l. „Wir haben die Gesamtvera­ntwortung der Hege für alle Wildarten, die sich im Revier aufhalten“, erläutert Thomas Schreder, Präsidiums­mitglied im Bayerische­n Jagdverban­d. Dafür müsse man aber wissen, welche und wie viele Tiere sich dort aufhielten. Jedoch: „Der Jäger kann nicht jede Nacht draußen sitzen.“

Das Gesetz stellt aber deutlich klar, dass Aufnahmen von Menschen sofort gelöscht werden müssen, sobald der Jäger dies mitbekommt. Eine Kontrolle ist jedoch unmöglich, zumal selbst manche engagierte Jäger nicht richtig firm in den Datenschut­zbestimmun­gen sind. Dennoch sieht Landesamts­chef Kranig das Thema gelassen. Ihn beunruhigt vielmehr, dass Privatleut­e die billig gewordenen Kameras deutlich häufiger einsetzen, um bei Nachbarsch­aftsstreit­ereien die Gegenparti­e zu beobachten. Er stellt klar: Seinen Nachbarn per Kamera zu beobachten, ist illegal.

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FOTO: DPA Wildkamera­s beobachten nicht immer nur Tiere.

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