Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Experiment krönt in der Liebfrauenkirche das Jahr
Beten und Sakralmusik machen das Jahresende zum Erlebnis
RAVENSBURG - Der Versuch, am Jahreswechsel die katholischen Kirchengemeinden Ravensburgs in der Liebfrauenkirche zu vereinen, gelingt aufs Schönste. Mozarts Krönungsmesse befeuert den Gottesdienst. In den Fürbitten beten die Besucher um Fortschritt, Friede und Völkerverständigung im neuen Jahr.
Lebendigkeit als Motto Die Besucher füllten die Kirche gänzlich und nahmen auch Stehplätzen in Kauf. Vom Kirchenvolk gesungene Weihnachtslieder erstrahlten, vom Chor begleitet, erhebend gesteigert und lebendig. Lebendigkeit kann auch als Merkmal von Mozarts Musik gelten und selbst der Krönungsmesse, der C-Dur-Messe, KV 317. Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) komponierte sie wohl im Jahr 1779, eine von insgesamt 18 Messen. Später für Gottesdienste bei Kaiserund Königskrönungen bevorzugt, krönte sie am Silvestergottesdienst in der Liebfrauenkirche das Jahr. Fast jeder Satz der Krönungsmesse beginnt mit einem Paukenschlag und gleicht einer in den Himmel geschossenen Rakete. Im Gloria spitzt Mozart die Bitte um Frieden, lateinisch Pax, geradezu kühn zu. Er taucht die frommen Hörer (Allegretto) in ein heftiges Wechselbad der Emotionen, lässt auf witzige Streichersequenzen mit fröhlichen Pizzicati den Ernst der Bitte um Erbarmen, Miserere, folgen, und das feierliche „Tu solis“(du allein) in ein paukenbetontes „Dominus“(Herr) und synkopische Orchesterschleifen münden.
Unter der umsichtigen Leitung von Udo Rüdinger belebte die Sakralmusik die Eucharistiefeier zum Jahreswechsel, ohne überspannt zu wirken. Der Chor der Liebfrauenkirche vereinte sich mit dem Vokalensemble Viercant, Gästen, Solisten und Orchester zu einem starken und dennoch beweglichen Klangkörper. Am Altar bat Pfarrer Hermann Riedle singend um den Segen für das kommende Jahr.
Auch das Evangelium vom Wort, das Fleisch geworden, verkündet ja Lebendigkeit. Von Diakon Gerhard Walter gesprochen, bekam es eine ganz neue, persönliche Wahrheit. Pfarrer Reinhold Hübschle sprach zu der großen Festgemeinde von Lebendigkeit als Nerv christlichen Glaubens.
Er stellte das Christentum neben die zwei anderen großen Buchreligionen, Judentum und Islam, betonte aber, dass die christliche eigentlich keine festgeschriebe Buchreligion, sondern eine lebendige Wortreligion sei, die das Selber-Leben und -Erleben fordert. Der Pfarrer endete mit den wunderbaren Worten einer Liebeserklärung.
Dem Credo lauschte die Festgemeinde stehend. Farbig, feurig schwebte der Chorgesang im Allegro, mit dem fein darauf abgestimmten Orchester durch den Raum, manchmal von einem Kinderkrähen kommentiert. Wie ein leuchtendes Band flatterte der Sopran „Et in spiritu sanctu“über den schwierigen Manövern der Streicher.
Sanctus war zum Niederknien Das engelsgleiche Sanctus war wahrlich zum Niederknien. Beim Agnus Dei (Lamm Gottes) zeigten die Solisten Yannah Neher (Sopran), Birgit Halder (Alt), Hermann Halder (Tenor) und Stefan Warthmann (Baß) ihr Können im Zusammenspiel, zart glänzend vom Sopran angeführt. Nach der Kommunionausteilung vereinte sich das Kirchenvolk unter dem Geläut der Kirchenglocken stehend im gemeinsam gesungenen „Großer Gott, wir loben dich“.