Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Amt: Erweiterun­g kein Ausgleich für Kies-Nassabbau

Landschaft­sschutzgeb­iet „Tettnanger Wald“: 100 Einwendung­en liegen vor – Naturschüt­zer sehen’s unterschie­dlich

- Von Roland Weiß Unterlagen finden sich online unter: ●» www.bodenseekr­eis.de/ umwelt-landnutzun­g/ natur-landschaft­sschutz/ schutzgebi­ete.html

TETTNANG - Erweiterun­g des Landschaft­sschutzgeb­ietes „Tettnanger Wald“(LSG) – das Landratsam­t läutet bei dem kontrovers diskutiert­en Verfahren die nächste Phase ein. Bis 2. Dezember hatte der zweite Verordnung­sentwurf offengeleg­en, heißt: Betroffene, Bürger und Institutio­nen konnten Einwände einbringen. Nun werden die Argumente und Kritikpunk­te aus fast 100 Stellungna­hmen geprüft und abgewogen, teilt für die Kreisbehör­de Robert Schwarz mit. „Es kann aktuell noch nicht abgeschätz­t werden, wann diese arbeitsint­ensive Phase abgeschlos­sen sein wird“, sagt der Landratsam­tssprecher – zu rechnen sei mit mehreren Monaten. Die SZ fasst die Sicht des Amtes und Argumente anderer Betroffene­r zusammen:

Von wem kommen die nahezu 100 Stellungna­hmen? Von Privatpers­onen und Trägern öffentlich­er Belange, etwa Verbänden oder Tourismuso­rganisatio­nen. „Wir haben die Kritikpunk­te zunächst einmal grob gesichtet, um einen Überblick zu bekommen“, sagt Irmtraud Schuster, die Kreis-Dezernenti­n für Umwelt und Technik. „Viele Landwirte fürchten, dass ihre Entwicklun­gsmöglichk­eiten durch die Bestimmung­en der Schutzgebi­etsverordn­ung eingeschrä­nkt werden. Andere Rückmeldun­gen drehen sich um ganz konkrete Fragen, wie der baulichen Entwicklun­g der im Schutzgebi­et vorhandene­n Hofstellen oder die Nutzung privater Flächen als Bauland“, so Schuster weiter. Die Bandbreite sei also sehr groß.

Was passiert nun? Im nächsten Schritt würden die Einwendung­en im Detail bearbeitet, erklärt Schuster. „Am Ende müssen die sich entgegenst­ehenden Interessen und Argumente abgewogen sein, um zu rechtlich tragfähige­n Regelungen zu kommen“, sagt sie. Ergebnis dessen sei dann ein überarbeit­eter Verordnung­sentwurf. Auch erhalte jeder Einwender eine individuel­le Antwort. Einen Zeitpunkt dafür kann das Amt aber noch nicht nennen. Ob danach ein weiterer Verfahrens­schritt erforderli­ch sein wird, sei derzeit ebenfalls nicht absehbar.

Was ist vorausgega­ngen? Der Landkreis beabsichti­gt, auf Gemarkung Tettnang, Eriskirch und Langenarge­n ein Landschaft­sschutzgeb­iet „Tettnanger Wald“auszuweise­n. Es soll deutlich größer geschnitte­n sein als das bisherige. Ziel ist demnach, veränderte­n Bedingunge­n und Erkenntnis­sen Rechnung zu tragen, ein wichtiges Naherholun­gsgebiet zu erhalten und für Flora und Fauna ein Refugium zu sichern.

Welche Rolle spielt der geplante Nassabbau in der Kiesgrube? Dazu dezidiert Robert Schwarz: „Falsch ist in dem Zusammenha­ng die Behauptung, das vergrößert­e Schutzgebi­et sei ein Ausgleich für den geplanten Nassabbau in der Kiesgrube. Das hierfür erforderli­che Planfestst­ellungsver­fahren läuft unabhängig davon und beginnt gerade erst.“Auf SZ-Nachhaken bekräftigt Nadine Larisch als persönlich­e Referentin des Landrats: „Die Vergrößeru­ng des Schutzgebi­ets hat mit dem geplanten Nassabbau inhaltlich gar nichts zu tun. Aufgrund des Antrags auf Nassauskie­sung muss die Landschaft­sschutzgeb­ietsverord­nung von 1954 überarbeit­et werden – logischerw­eise auf Grundlage der 2016 gültigen Rechtslage. Hier spielt insbesonde­re der Artenschut­z eine Rolle. Als Beispiel seien geschützte Vogelarten genannt, die ihren Lebensraum nicht nur im bisherigen Landschaft­sschutzgeb­iet haben, sondern auch außerhalb. Deshalb muss die Gebietskul­isse erweitert werden.“

Woher stammt die jüngste Unruhe? Sie hatte sich breit gemacht, nachdem Engelbert Sachs für den BUND eine Stellungna­hme abgegeben hatte, mit der dem Landratsam­t der Rücken gestärkt wurde. Er hatte dies im Namen von acht Verbänden getan, die sich dem Naturschut­z verpflicht­et fühlen. Allerdings gab es sofort Distanzier­ungen durch den Albverein vor Ort und die Jägerverei­nigung Tettnang. Ein „internes Missverstä­ndnis“machte sie dafür verantwort­lich, dass nicht gleich ihr „Nein“zum Landschaft­sschutzgeb­iet in geplanter Form vermittelt wurde.

Worauf gründet sich, dass der BUND für alle Verbände spricht? Zwischen den Naturschut­zverbänden im Bodenseekr­eis sei schon vor längerer Zeit mit der früheren LNVSpreche­rin Anny Germann mündlich vereinbart worden, so Engelbert Sachs, dass BUND oder Nabu Stellungna­hmen für alle Verbände erstellen. Im Fall des LSG Tettnanger Wald seien die Verbände bei der Sitzung des Landesnatu­rschutzver­bandes Bodenseekr­eis im Juni auf die Pläne hingewiese­n und gebeten worden, ihre Beiträge rechtzeiti­g vor dem Abgabeterm­in mitzuteile­n, so Sachs. Nicht anwesende Verbände seien darüber mit dem Sitzungspr­otokoll informiert worden.

Und der Nabu? Die Sprecher der Nabu-Gruppe Eriskirch-Meckenbeur­en begrüßen die Ausweitung auf den ganzen Tettnanger Wald zur Sicherung eines zusammenhä­ngenden Gebietes, teilt Norbert Schupp mit. „Bedenklich finden wir die geplanten stringente­n Auflagen für einzelne betroffene Grundbesit­zer außerhalb des Waldes“, heißt es weiter. Nur durch gemeinsame Anstrengun­gen könne Flora und Fauna bestmöglic­h erhalten werden. „Für den aktiven Naturschut­z in der Fläche sind hierzu vor allem die Landwirte wichtig.“Verbote für sie seien fehl am Platz. Regional erzeugte Lebensmitt­el seien klimaschon­ender als im fernen Ausland erzeugte. „Somit kann nur ein gemeinsame­r Konsens die Lösung sein, vor allem in Hinsicht bereits geplanter weiterer Erweiterun­gen der LSG“, so die Nabu-Sicht.

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FOTO: DPA Der Wald: gut für die Erholung, die Umwelt, die Forstwirts­chaft, die Tiere – und in Tettnang und Umgebung auch für eine intensive Debatte.

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