Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Viel Lob für Kölner Silvestereinsatz
Gegenwind für kritische Grünen-Chefin Peter – Polizei bereut Nutzung des Begriffs „Nafri“
BERLIN - Grünen-Chefin Simone Peter hat sich kritisch zum Einsatz der Kölner Polizei bei den Silvesterfeierlichkeiten geäußert und damit den Zorn aus Union und SPD, aber auch viel Kritik aus den eigenen Reihen auf sich gezogen. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, und andere Parteikollegen wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer verteidigten das Kölner Vorgehen. BadenWürttembergs Grünen-Landesvorsitzende Sandra Detzer sagte: „Jeder und jede musste mit strengen Kontrollen rechnen.“Nach der Vielzahl sexueller Übergriffe in der Silvesternacht des Vorjahres habe das besonders in großen Gruppen nach Köln anreisende Männer betroffen.
In der Union begrüßte man das Vorgehen der Polizei. „Ich kann die Kritik am Einsatz der Polizei in der Silvesternacht nicht nachvollziehen“, sagte Thomas Bareiß, CDUBezirksvorsitzender WürttembergHohenzollern. Schließlich seien die Täter der Silvesternacht 2015 in Köln einer besonderen Gruppe zuzuordnen gewesen. „Wenn solche Gruppen sich in großem Umfang wieder sammeln, muss man handeln.“Die Verdächtigen und Verurteilten waren damals vor allem Nordafrikaner.
In der diesjährigen Silvesternacht setzten Polizisten am Kölner Hauptbahnhof mehrere Hundert Männer fest, vornehmlich nordafrikanischer Herkunft. Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies bedauerte, dass der intern übliche Begriff „Nafris“in einem Tweet verwendet wurde. Dies hatte Simone Peter ebenfalls kritisiert. Auch in diesem Punkt erntete sie Widerspruch. So nannte SPDChef Sigmar Gabriel die Debatte „absurd und geradezu verrückt“. Der Funke Mediengruppe sagte er: „Die Polizei hat mit ihrem Profil ,Nafris/ Nordafrikaner‘ nichts anderes getan, als die Realität zu beschreiben.“Mathies beteuerte, die Polizei sei bei der Kontrolle der Nordafrikaner mit Augenmaß vorgegangen. Es sei nicht um das Aussehen gegangen, sondern um ein bestimmtes Verhalten.
Am Nachmittag ruderte dann Peter teilweise zurück. „Es war richtig, hier schnell und präventiv zu reagieren“, schrieb die Grünen-Chefin bei Facebook.
BERLIN - Vor einem Jahr stand die Kölner Polizei am Pranger, nachdem auf dem Domplatz Hunderte von Frauen belästigt worden waren, ohne dass die Polizei dies verhindern konnte. Diesmal wird die Polizei für ihren Einsatz mit nordafrikanischen Männern gelobt, aber auch kritisiert. Gelobt, weil die Sicherheitskräfte erfolgreich arbeiteten und die Silvesternacht in Köln friedlich verlief. Kritisiert, weil sie in einer TwitterNachricht auf „Nafris“, nordafrikanische Männer, hinwies, von denen sie mehrere Hundert überprüfe. Jetzt ist eine Debatte entbrannt, ob dies als „racial profiling“, also Tätersuche nach rassischen Kriterien eingestuft werden kann.
Simone Peter von den Grünen sieht zumindest die Möglichkeit. Es stelle sich die Frage nach der Verhältnisund Rechtmäßigkeit, wenn knapp 1000 Menschen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden, sagte sie. Ihr Parteifreund Boris Palmer sieht das ganz anders: Er findet den Ausdruck Nafri zwar auch „unangemessen“, aber es genüge, dass sich der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies für die Verwendung des Begriffs entschuldigt habe. „Man muss jetzt nicht wieder über Rassismus in der Polizei reden.“
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wies Rassimus-Vorwürfe zurück. „Es ist Aufgabe der Polizei, Straftaten zu verhindern. Besteht die Gefahr, dass von einer Gruppe von Menschen Straftaten ausgehen könnten, dann muss die Polizei diese Gefahr abwehren“, sagte der stellvertretende GdPVorsitzende Jörg Radek. Das findet auch Thomas Bareiß. Der CDU-Bezirksvorsitzende Württemberg-Hohenzollern kann die Kritik an der Polizei überhaupt nicht verstehen. „Es ist doch eindeutig, dass die Täter der Silvesternacht 2015 in Köln einer besonderen Gruppe zuordenbar war. Wenn solche Gruppen sich in großem Umfang wieder sammeln, muss man handeln“, sagt Bareiß. „Für gewaltbereite Gruppen darf es in unserem Land keine Toleranz geben.“Der GrünenChefin Simone Peter antwortet Bareiß per Twitter: „Ihre Äußerungen sind eine tolle Wahlkampfhilfe für die AfD.“
Unterstützung bekam Simone Peter dagegen von den Linken. Deren Fraktionsvize Frank Tempel hält die Schwelle zum rassistisch motivierten Handeln der Polizei für überschritten. „Dass es so ist, beweist der polizeiinterne Begriff ‚Nafri‘ – der junge nordafrikanische Männer als potenzielle Straftäter stigmatisiert“, so Tempel. Auch der Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte, grundsätzlich seien Fahndungsmethoden wie racial profiling nicht zulässig. Der Begriff Nafri sei auch keine offizielle Sprachregelung bei der Bundespolizei.
Überhaupt nichts zu kritisieren sieht Stephan Mayer (CSU), Innenexperte der Unionsfraktion. Wenn sich Nordafrikaner zu Hunderten auf den Weg machten und im letzten Jahr die Vorfälle nordafrikanischen Hintergrund hatten, dann seien die Maßnahmen erforderlich.
„Man kann offen sagen, dass es Nordafrikaner waren“, so Axel Schäfer, Vorsitzender des Städte- und Gemeindetages. Deshalb sei das Vorgehen der Polizei „weder rassistisch noch diskriminierend.“Der Städteund Gemeindetag legte in Berlin seine Forderungen für mehr innere Sicherheit vor. Die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen müsse ausgebaut und der Speicherzeitraum der Daten verlängert werden. „Datenschutz darf nicht zu Täterschutz werden“, warnt Schäfer, zumal sich Angst unter den Bürgern mehr und mehr verbreite. Deshalb sei eine bessere Vorbeugung nötig. „Da kann viel passieren, ohne dass wir ein Überwachungsstaat werden“, so Schäfer.
Mehr Videoüberwachung Auch die CSU-Landesgruppe will auf ihrer am Mittwoch beginnenden Klausur in Seeon fordern, die Möglichkeiten zur Videoüberwachung auszuweiten, unter anderem in Bahnhöfen, Einkaufszentren und Sportstätten. „Dies dient auch der Abschreckung und erhöht damit das Sicherheitsgefühl der Bürger“, heißt es in dem Papier, das die Landesgruppe beschließen will.
Der Städte- und Gemeindetag hält darüber hinaus mehr Ermittler auch zur Bekämpfung der Wohnungs- und Geschäftseinbrüche für notwendig. Organisierte Banden seien unterwegs. Alle 3,1 Minuten geschehe ein Einbruch oder Einbruchsversuch in Deutschland. „Hier müssen wir etwas tun“, so Schäfer. Sicherheit sei die Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität in Städten und Gemeinden. Da es aber drei Jahre dauern kann, bis ein zusätzlicher Polizist auch wirklich auf der Straße stehe, empfiehlt der Städte- und Gemeindetag ein Umdenken. Bei Unfällen ohne Personenschäden oder der Begleitung von Schwertransporten könne man fragen, ob dies immer Polizeiaufgabe sei.