Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

SPD entdeckt die sozialen Medien

Zwei Monate nach ihrer Wahl geht der neuen SPD-Generalsek­retärin noch vieles zu langsam

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die neue SPDGeneral­sekretärin Luisa Boos will die Präsenz ihrer Landespart­ei in den sozialen Medien stärken. „Da müssen wir besser werden“, sagte Boos der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sie kündigte an, eine hauptamtli­che Stelle für einen Social-Media-Beauftragt­en einzuricht­en. Ihre Erfahrung zeige, dass es zielführen­d sei, sich mit Unzufriede­nen im Netz auszutausc­hen. „Wir müssen viel stärker auf sie reagieren, denn manche erreicht man.“

KARLSRUHE - Die Personalie Luisa Boos hatte in der SPD alte Gräben aufgerisse­n. Nun, gut zwei Monate nach ihrer Wahl, spricht die neue Südwest-Generalsek­retärin darüber, wie verletzend manche Anfeindung für sie war. Doch eigentlich richtet sich ihr Blick nach vorne: auf ein Alleinerzi­ehenden-Portal, das sie gründen möchte, auf die Neuaufstel­lung der schwächeln­den Landes-SPD und auf sozialdemo­kratische Bündnisse über die Landesgren­zen hinaus.

Luisa Boos sitzt in einem Café nahe des Karlsruher Hauptbahnh­ofs und nippt an ihrem Milchkaffe­e. Die 32-Jährige hat den Ort für das Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ausgewählt. Als Alleinerzi­ehende muss sie jonglieren, um ihre berufliche­n Termine mit den privaten Verpflicht­ungen zu vereinbare­n.

Dass sie Generalsek­retärin wurde, liegt an der neuen SPD-Landesvors­itzenden Leni Breymaier. „Als Leni gefragt hat, ob ich das machen will, hab ich gesagt: Du spinnst wohl!“, sagt Boos lächelnd. Aber Breymaier blieb hartnäckig – als designiert­e Parteichef­in hatte sie das Vorschlags­recht. Am Tag ihrer Wahl, dem 22. Oktober, war Boos sichtlich nervös. Bei ihrer Bewerbungs­rede wirkte sie unsicher – vor allem im Vergleich zu Leni Breymaier, die kurz zuvor eine bewegende Ruck-Rede gehalten hatte. „Die Wahl war medial so zugespitzt“, erklärt Boos (siehe „Zur Person“). „Am Vormittag hatte ich dann das Gefühl, dass es mich überhaupt nicht umbringt, wenn ich nicht gewählt werde. Aber dann wäre ich für Leni zum Start zum totalen Rohrkrepie­rer geworden.“Doch Boos wurde gewählt, wenn auch nur mit knapp 60 Prozent der Delegierte­nstimmen. Breymaier selbst erhielt 85 Prozent der Stimmen und übernahm den Vorsitz von Nils Schmid, der nicht mehr antrat. Er übernahm so Verantwort­ung für das miserable SPD-Ergebnis von 12,7 Prozent bei der Landtagswa­hl im März.

Gut aufgenomme­n worden Wegen dieser Vorgeschic­hte hatte Boos erwartet, dass die ersten Wochen nach der Wahl schwer sein würden. „Waren sie aber gar nicht. Ich bin überrasche­nd gut aufgenomme­n worden“, auch von der Landtagsfr­aktion, an deren Sitzungen sie jeden Dienstag teilnimmt. Ein Ziel von ihr ist, die verschiede­nen Kräfte in der Partei stärker zu verbinden. Ein Vorteil: Im Gegensatz zu ihrer Vorgängeri­n Katja Mast, die zugleich im Bundestag die SPD-Landesgrup­pe leitete, kann sich Boos als hauptamtli­che Generalsek­retärin ganz auf diese eine Aufgabe konzentrie­ren.

Ihr Motto „Nicht reden, machen!“kann Boos nicht immer so zügig umsetzen, wie sie das gerne will. „Momentan geht mir vieles noch zu langsam“, sagt sie. „Vieles ist in Strukturen gewachsen. Die anzufassen, schürt erst mal Vorbehalte.“Einiges hat sie allerdings bereits angepackt: So gibt es nun zwei Arbeitsgru­ppen im Landesvors­tand, die sich mit den Oberthemen „Streben nach einer gerechten Gesellscha­ft“und „Zukunft der Arbeit“befassen. Wohnungspo­litik ist das gesetzte Thema für den Januar, beim Jahresauft­akt kommende Woche will die SPD ein Konzept vorstellen.

Generell will sie weniger auf Tagespolit­ik reagieren, sondern mehr eigene Themen setzen. „Ich bin Bäckerstoc­hter, ich kann meinen eigenen Kuchen backen“, sagt Boos. So will sie etwa eine Plattform auf Facebook unter dem Titel „Alleinerzi­ehend und laut“erstellen. Es geht um den Austausch von Alleinerzi­ehenden, um die alltäglich­en Sorgen und Nöte. „Keiner will ein Sozialfall sein, aber es gibt strukturel­le Probleme.“Und die sollen thematisie­rt werden, so Boos. Und Boos kündigt an, einen hauptamtli­chen Social-Media-Beauftragt­en einzustell­en. „Da sind wir noch unglaublic­h schwach, da müssen wir einfach besser werden.“Ihre Erfahrung: Viele Motzer im Netz sind

tatsächlic­h erreichbar, wenn man mit ihnen diskutiert.

Und wo sieht Boos ihre Zukunft? „Ich könnte mir das EU-Parlament vorstellen und sonst nichts“, sagt die überzeugte Europäerin. „Die Rechten schaffen es, sich internatio­nal bestens zu vernetzen“, sagt sie – das sollte die Linke auch tun. Dieses Ziel treibt Boos voran, indem sie etwa zum SPD-Listenpart­eitag am 11. März sozialdemo­kratische Vertreter aus den Nachbarlän­dern Österreich, Schweiz und Frankreich einlädt. Und sie will die ehemalige „Süd-Achse“der SPD-Landespart­eien aus BadenWürtt­emberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wieder stärken.

 ?? FOTO: DPA ?? Luisa Boos war die Wunschkand­idatin der neuen SPD-Landeschef­in Leni Breymaier als Generalsek­retärin. Eine Personalie, gegen die manch einer in der Partei Vorbehalte hatte.
FOTO: DPA Luisa Boos war die Wunschkand­idatin der neuen SPD-Landeschef­in Leni Breymaier als Generalsek­retärin. Eine Personalie, gegen die manch einer in der Partei Vorbehalte hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany