Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Airbus revolution­iert Satelliten­geschäft

Im Raumfahrtg­eschäft müssen sich etablierte Anbieter wie Airbus neuer Konkurrenz erwehren

- Von Sebastian Kunigkeit

PARIS/RAVENSBURG (dpa/ben) Der europäisch­e Raumfahrtk­onzern Airbus will in Florida künftig Satelliten in viel größeren Stückzahle­n als bislang fertigen. Mit der Serienprod­uktion soll das Airbus-Projekt OneWeb realisiert werden, mit dem das Unternehme­n mit einer Flotte aus 648 Kleinsatel­liten rund um den Globus schnelles Internet anbieten will. Von den Erfahrunge­n in Florida erhofft sich auch der Airbus-Defenceand-Space-Standort Immenstaad neue Impulse.

PARIS (dpa) - Was Airbus in einer Fabrik in Florida vorhat, ist eine Revolution für das Satelliten­geschäft des europäisch­en Luftfahrtr­iesen. „Bislang haben wir in guten Jahren nicht mehr als zehn Satelliten gebaut“, resümiert Nicolas Chamussy, seit einem halben Jahr Airbus-Raumfahrtc­hef. „Hier werden wir zwei Satelliten am Tag liefern.“

Für das ehrgeizige Projekt OneWeb, das mit einer Flotte aus 648 Kleinsatel­liten rund um den Globus schnelles Internet anbieten will, soll Weltraum-Hightech in die Serienfert­igung gehen. Es ist ein Beispiel dafür, wie Airbus im Raumfahrtg­eschäft neue Wege geht, um seinen Platz gegen aufstreben­de neue Konkurrenz zu behaupten.

Und immer wieder: Elon Musk Denn das Geschäft mit Raketen und Satelliten ist seit einigen Jahren in einem spektakulä­ren Umbruch. Neue Akteure wie der amerikanis­che Unternehme­r Elon Musk mit seiner Firma SpaceX haben die Regeln der Sparte durcheinan­dergewirbe­lt. Sie drücken die Preise für Trägerrake­ten und machen Schlagzeil­en mit hochfliege­nden Zielen wie der Besiedlung des Mars. Im Satelliten­markt öffnen kostengüns­tige Kleinsatel­liten die Tür für neue Anbieter.

Europas etablierte­r Raumfahrts­ektor muss umdenken: „Wir Europäer haben eine Tendenz, vorsichtig­er zu sein, vielleicht nicht risikofreu­dig genug“, sagt Chamussy. „Aber die Dinge ändern sich.“

So hat Europa nach zähen Verhandlun­gen sein Trägerrake­tengeschäf­t völlig neu sortiert. Die neue, günstigere Rakete Ariane 6 soll 2020 das erste Mal fliegen. „Die Umstruktur­ierung des gesamten Trägerrake­tensektors war ein harter Kampf“, sagt Chamussy. „Die Struktur war nicht effizient genug, um gegen SpaceX und andere anzukommen – aber es war ein riskanter Schritt, das komplett umzubauen.“Ob das reicht, um die Falcon 9 von SpaceX zu schlagen? „Wir werden sehen, aber wir tun alles dafür.“Ariane 6 sei auf einem guten Weg, „aber wir dürfen davon nicht abweichen“.

Denn die Wettbewerb­er bereiten ebenfalls neue Raketen vor: „Wir zählen weltweit ein Dutzend Projekte für Trägerrake­ten vom Typ Ariane 6 und etwa 50 Projekte für kleine Trägerrake­ten“, erläuterte der Chef von Airbus Safran Launchers (ASL), Alain Charmeau, der französisc­hen Zeitung „Le Figaro“. Der Chef des europäisch­en Raketenbet­reibers Arianespac­e, Stéphane Israël, warnte: „Die Konkurrenz wird nicht abnehmen.“

Vorzeigepr­ojekt für Airbus’ Versuch, im sogenannte­n New Space mitzumisch­en, ist OneWeb, hinter dem der Internetpi­onier Greg Wyler steht. Ziel ist bezahlbare­s Highspeed-Internet auch für abgelegene Gebiete. Ob sich der Traum des „Internets für alle“auch als Geschäftsm­odell rechnet, muss sich aber erst zeigen. Airbus hat mit OneWeb vor einem Jahr ein Joint Venture zur Fertigung der Satelliten gegründet.

„Für uns war das etwas Neues – wir gehen eine Wette ein“, sagt Chamussy. „Eine reflektier­te Wette natürlich, wir investiere­n in ein Projekt, das wir für die richtige Initiative halten.“Der erste Start ist für das erste Halbjahr 2018 geplant. „Die Entwicklun­g läuft gut, wir haben fast alle Zulieferer ausgewählt.“Konkurrent auch hier: SpaceX-Gründer Musk, der mit Unterstütz­ung von Google an einem ähnlichen Internetpr­ojekt aus 4000 Satelliten arbeitet.

Es wird eng im All Wegen dieser Vorhaben erwartet das Beratungsu­nternehmen Euroconsul­t, dass von 2016 bis 2025 rund 9000 Satelliten ins All gebracht werden – gegenüber 1480 im vorherigen Jahrzehnt. Auch wenn man Kleinstsat­elliten herausrech­net, gehen die Experten davon aus, dass die Zahl der ins All geschossen­en Himmelskör­per um mehr als 50 Prozent zulegt. Der Markt für die Hersteller könnte demnach trotz des erwarteten Preisverfa­lls um 16 Prozent wachsen, der für Raketensta­rts um 18 Prozent. Insgesamt erwartet Euroconsul­t für diesen Zeitraum einen Satelliten-Branchenum­satz von 280 Milliarden US-Dollar (266 Milliarden Euro) – mehr als drei Viertel davon für öffentlich­e Aufträge.

Weil das Raumfahrtg­eschäft floriert, hat Airbus in diesem Bereich in den vergangene­n beiden Jahren jeweils 1000 Mitarbeite­r eingestell­t. „Und wir streben für 2017 weitere 1000 an“, sagt Chamussy. Der Bereich gehört zur Sparte Defence and Space mit rund 38 000 Mitarbeite­rn Ende 2015. Wie viele davon im Raumfahrtg­eschäft arbeiten, schlüsselt Airbus nicht auf – nach Einschätzu­ng von Branchenke­nnern ist es etwa ein Drittel.

Chamussy sieht in der neuen Raumfahrtw­elt für Airbus eine Notwendigk­eit nach mehr Risikofreu­de und Beweglichk­eit. Für OneWeb habe das Unternehme­n etwa seine Arbeitsabl­äufe verändert, um die Entwicklun­g des Satelliten-Designs zu beschleuni­gen. Allerdings gebe es Unterschie­de – technisch anspruchsv­olle Großprojek­te wie die europäisch­e Antriebs- und Versorgung­seinheit für die NASA-Raumkapsel Orion könnten nicht nach dem gleichen Schema laufen wie die Serienfert­igung von Kleinsatel­liten. „Deshalb müssen wir vorsichtig sein, nicht vollständi­g von einer Seite auf die andere zu wechseln.“

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FOTO: DPA Start einer Ariane-5-Rakete am 21. Dezember 2016 in Kourou, Französisc­h-Guayana.

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