Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Opposition kritisiert mögliche Mindestlohn-Ausnahmen für Flüchtlinge
Bundesregierung will Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern – Gewerkschaften, Linke und Grüne befürchten Lohndumping
BERLIN - Die Bundesregierung erwägt Ausnahmen für Flüchtlinge und Zuwanderer beim Mindestlohn. Laut einem gemeinsamen Papier von Arbeits-, Finanz- und Bildungsministerium solle für einen Migranten kein Mindestlohn von inzwischen 8,84 Euro gezahlt werden müssen, wenn sich dieser zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifiziert.
Auch früher gab es Rufe nach Mindestlohn-Ausnahmen für Flüchtlinge, weil für sie angesichts der geltenden Lohnuntergrenze die Hürde für einen Job hoch wäre. Doch hatte sich die Große Koalition dagegen entschieden, auch mit dem Argument, dass ein „Zwei-Klassen-Arbeitsmarkt“verhindert werden soll. Nun erwägt das Bundesarbeitsministerium gemeinsam mit dem Bildungs- und dem Finanzressort eine Korrektur.
Wenn Flüchtlinge oder andere Zuwanderer mit einer Ausbildung noch praktische Kenntnisse in einem Beruf vorweisen müssen, damit ihr Abschluss als gleichwertig eingestuft werden kann, sei dies als Pflichtpraktikum zu werten, heißt es in einem Diskussionspapier der drei Ministerien. Für derartige Pflichtpraktika gilt der Mindestlohn eben bereits seit seiner Einführung nicht. Eine Klarstellung sei das, betont das Arbeitsministerium. Es gebe keine Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung.
Kaum waren die Überlegungen bekannt, hagelte es auch schon Kritik. „Wer Unternehmen dazu einlädt, Flüchtlinge für Lohndumping zu missbrauchen und so gegen die hiesigen Arbeitnehmer auszuspielen, schürt auf unverantwortliche Weise Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit“, sagte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Sonderauslegungen des Mindestlohngesetzes für Zuwanderer und Geflüchtete dürfe es nicht geben, kritisierte Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer.
Gewerkschaften und Arbeitgeber sind uneins, was die jetzt bekannt gewordene Klarstellung der Regierung für den Mindestlohn bei Flüchtlingen betrifft. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt jedenfalls vor weiteren Ausnahmen. Schon jetzt würden Unternehmen „Flüchtlinge, die sich mit ihren Rechten noch nicht auskennen, als billige Arbeitskräfte ausnutzen“, so Vorstandsmitglied Stefan Körzell.