Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Internetfirmen gehen gegen Terrorpropaganda vor
Gemeinsame Datenbank soll Werben von Islamisten und Extremisten im Netz erschweren – Sie ist aber umstritten
RAVENSBURG - Während Nacktbilder bei Facebook, Youtube und Twitter schnell gelöscht werden, bleiben wirklich gefährliche Inhalte oft lange im Netz auffindbar. Extremisten und Terroristen nutzen in vielen Fällen die sozialen Netzwerke, um ihre Propaganda zu verbreiten und mit den Anhängern zu kommunizieren. Dafür haben die US-Internetkonzerne viel Kritik einstecken müssen. Gemeinsam mit Microsoft wollen sie Terrorpropaganda auf ihren Plattformen nun konsequenter bekämpfen.
Dafür versehen die vier Unternehmen seit Ende 2016 gelöschte Bilder, Videos und Audios mit dem sogenannten digitalen Fingerabdruck. Werden sie von Nutzern erneut hochgeladen, landen sie automatisch in einer gemeinsamen Datenbank. So können andere Netzwerke die gemeldeten Dateien leichter mit ihren eigenen Richtlinien abgleichen und, falls nötig, löschen. Während Sicherheitsbehörden die Vorgehensweise begrüßen, findet sie der Berliner Jurist Volker Tripp problematisch.
Filter leicht zu umgehen „Der Upload-Filter wirft neue Schwierigkeiten auf, statt das eigentliche Problem zu beheben“, sagt Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins „Digitale Gesellschaft“. Der Filter ist seiner Meinung nach durch geringfügige Veränderungen der Inhalte leicht zu umgehen. Außerdem sieht der Rechtsexperte ein Problem darin, US-Konzernen die Entscheidung zu überlassen, welche Inhalte Nutzer in Deutschland verbreiten dürfen und welche nicht.
„Die Grenze für die Verbreitung von Inhalten zieht das Strafrecht“, so Tripp. Deshalb wäre es aus seiner Sicht besser, wenn hierzulande Gerichte und nicht Onlineplattformen über die Löschung von Inhalten entscheiden würden. Mit der Filterung der hochgeladenen Dateien würden sonst rechtsstaatliche Verfahren privatisiert und eine „gefährliche Zensurinfrastruktur“aufgebaut.
Tripp fordert die Internet-Unternehmen dazu auf, den Gerichten und Behörden konkrete Verantwortliche in Deutschland zu benennen, damit strafbare Inhalte effektiv gelöscht und deren Urheber verfolgt werden können. „Statt sich weiter mit bloßen Lippenbekenntnissen von Facebook und Co. abspeisen zu lassen, sollte die Bundesregierung endlich Nägel mit Köpfen machen und eine entsprechende Pflicht im Telemediengesetz verankern“, sagt der Experte.
Twitter gibt auf Anfrage bekannt, seit Mitte 2015 weltweit über 360 000 Konten gelöscht zu haben, weil sie mutmaßlich von Terroristen und deren Sympathisanten betrieben wurden. Facebook betont, alle Inhalte zu entfernen, mit denen Gruppen unterstützt werden, die terroristischen Aktivitäten oder organisierter Kriminalität nachgehen. Das Netzwerk duldet nach eigener Darstellung keine Inhalte, die Persönlichkeiten solcher Organisationen huldigen oder deren Brutalität billigen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) begrüßt sämtliche Maßnahmen, die sich gegen Terrorpropaganda und Hasspostings im Internet richten. „Gerade Provider wie Facebook und Twitter nehmen dabei eine maßgebliche Rolle ein“, teilt das BKA auf Anfrage mit. Die Propaganda der Islamisten sei hochprofessionell. Sie würden heute zum Beispiel eigene Medienzentralen und Produktionsfirmen betreiben, um mit ihren Filmen gezielt Nachwuchs zu rekrutieren und über Internetdienste potenzielle Dschihadisten zu erreichen.
Deutsche Sicherheitsbehörden und Strafverfolger haben 2007 in Berlin das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) zur Beobachtung und Bewertung islamistischer Internetinhalte eingerichtet, um im Netz frühzeitig extremistische und terroristische Strukturen sowie Aktivitäten zu identifizieren. 2015 stellten sie knapp 5500 Anfragen an Internetkonzerne, weil Inhalte gegen deutsches Recht verstießen – etwa wegen Volksverhetzung oder Leugnung des Holocausts. Facebook hat daraufhin in über 500 Fällen Inhalte gesperrt.