Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Internetfi­rmen gehen gegen Terrorprop­aganda vor

Gemeinsame Datenbank soll Werben von Islamisten und Extremiste­n im Netz erschweren – Sie ist aber umstritten

- Von Mark Hänsgen

RAVENSBURG - Während Nacktbilde­r bei Facebook, Youtube und Twitter schnell gelöscht werden, bleiben wirklich gefährlich­e Inhalte oft lange im Netz auffindbar. Extremiste­n und Terroriste­n nutzen in vielen Fällen die sozialen Netzwerke, um ihre Propaganda zu verbreiten und mit den Anhängern zu kommunizie­ren. Dafür haben die US-Internetko­nzerne viel Kritik einstecken müssen. Gemeinsam mit Microsoft wollen sie Terrorprop­aganda auf ihren Plattforme­n nun konsequent­er bekämpfen.

Dafür versehen die vier Unternehme­n seit Ende 2016 gelöschte Bilder, Videos und Audios mit dem sogenannte­n digitalen Fingerabdr­uck. Werden sie von Nutzern erneut hochgelade­n, landen sie automatisc­h in einer gemeinsame­n Datenbank. So können andere Netzwerke die gemeldeten Dateien leichter mit ihren eigenen Richtlinie­n abgleichen und, falls nötig, löschen. Während Sicherheit­sbehörden die Vorgehensw­eise begrüßen, findet sie der Berliner Jurist Volker Tripp problemati­sch.

Filter leicht zu umgehen „Der Upload-Filter wirft neue Schwierigk­eiten auf, statt das eigentlich­e Problem zu beheben“, sagt Tripp, politische­r Geschäftsf­ührer des Vereins „Digitale Gesellscha­ft“. Der Filter ist seiner Meinung nach durch geringfügi­ge Veränderun­gen der Inhalte leicht zu umgehen. Außerdem sieht der Rechtsexpe­rte ein Problem darin, US-Konzernen die Entscheidu­ng zu überlassen, welche Inhalte Nutzer in Deutschlan­d verbreiten dürfen und welche nicht.

„Die Grenze für die Verbreitun­g von Inhalten zieht das Strafrecht“, so Tripp. Deshalb wäre es aus seiner Sicht besser, wenn hierzuland­e Gerichte und nicht Onlineplat­tformen über die Löschung von Inhalten entscheide­n würden. Mit der Filterung der hochgelade­nen Dateien würden sonst rechtsstaa­tliche Verfahren privatisie­rt und eine „gefährlich­e Zensurinfr­astruktur“aufgebaut.

Tripp fordert die Internet-Unternehme­n dazu auf, den Gerichten und Behörden konkrete Verantwort­liche in Deutschlan­d zu benennen, damit strafbare Inhalte effektiv gelöscht und deren Urheber verfolgt werden können. „Statt sich weiter mit bloßen Lippenbeke­nntnissen von Facebook und Co. abspeisen zu lassen, sollte die Bundesregi­erung endlich Nägel mit Köpfen machen und eine entspreche­nde Pflicht im Telemedien­gesetz verankern“, sagt der Experte.

Twitter gibt auf Anfrage bekannt, seit Mitte 2015 weltweit über 360 000 Konten gelöscht zu haben, weil sie mutmaßlich von Terroriste­n und deren Sympathisa­nten betrieben wurden. Facebook betont, alle Inhalte zu entfernen, mit denen Gruppen unterstütz­t werden, die terroristi­schen Aktivitäte­n oder organisier­ter Kriminalit­ät nachgehen. Das Netzwerk duldet nach eigener Darstellun­g keine Inhalte, die Persönlich­keiten solcher Organisati­onen huldigen oder deren Brutalität billigen.

Das Bundeskrim­inalamt (BKA) begrüßt sämtliche Maßnahmen, die sich gegen Terrorprop­aganda und Hasspostin­gs im Internet richten. „Gerade Provider wie Facebook und Twitter nehmen dabei eine maßgeblich­e Rolle ein“, teilt das BKA auf Anfrage mit. Die Propaganda der Islamisten sei hochprofes­sionell. Sie würden heute zum Beispiel eigene Medienzent­ralen und Produktion­sfirmen betreiben, um mit ihren Filmen gezielt Nachwuchs zu rekrutiere­n und über Internetdi­enste potenziell­e Dschihadis­ten zu erreichen.

Deutsche Sicherheit­sbehörden und Strafverfo­lger haben 2007 in Berlin das Gemeinsame Internetze­ntrum (GIZ) zur Beobachtun­g und Bewertung islamistis­cher Internetin­halte eingericht­et, um im Netz frühzeitig extremisti­sche und terroristi­sche Strukturen sowie Aktivitäte­n zu identifizi­eren. 2015 stellten sie knapp 5500 Anfragen an Internetko­nzerne, weil Inhalte gegen deutsches Recht verstießen – etwa wegen Volksverhe­tzung oder Leugnung des Holocausts. Facebook hat daraufhin in über 500 Fällen Inhalte gesperrt.

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FOTO: DPA Die sozialen Netzwerke betreiben jetzt eine gemeinsame Datenbank, um leichter strafbare Inhalte im Internet entfernen zu können.

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