Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von drinnen nach draußen

Zehn Jahre Nichtrauch­erschutzge­setz – Zahl der Kneipen ist stark rückläufig

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HANNOVER (dpa) - Es ist noch früh am Abend, wenige Tage vor Weihnachte­n. In einem Irish Pub in der Innenstadt ist bereits jede Menge los. Viele Menschen haben schon frei und wollen sich in der großen Gaststätte auf die Feiertage einstimmen: mit Freunden, Musik, einem Bier – und einer Zigarette?

Nein. Rauchen ist im Dublin Inn verboten. Wer qualmen will, muss vor die Tür. So wie Philip Rittberg, der sich in der Kälte gerade eine Kippe ansteckt. „Ach, daran hab ich mich gewöhnt“, sagt der 31-Jährige. Neben ihm steht seine Schwester Julia (28). „Mir kommt das sehr gelegen. Mich stört der Qualm“, meint sie. „Man merkt es jedes Mal an den Klamotten.“

Kaum ein Thema spaltet die Gemüter der Deutschen so sehr wie das Rauchen. Jeder hat eine Meinung dazu – denn fast jeder ist betroffen, sobald er am sozialen Leben teilhaben will. Besonders hoch kochte die Stimmung vor bald zehn Jahren. Im Juli 2007 beschloss die Bundesregi­erung ein neues Nichtrauch­erschutzge­setz. Darin hielt sie die Bundesländ­er an, Regeln für das Rauchen in Kneipen aufzustell­en. Der Aufschrei in der Branche war riesig. „Das Argument war, dass ein Verbot vor allem den kleinen Eckkneipen den Rest geben werde“, erinnert sich Christophe­r Lück, Sprecher des Gaststätte­nverbands Dehoga.

Alles wieder im Lot Nach und nach nahmen die Länder die Gaststätte­n beim Thema Rauchen an die Kandare. Und in der Tat seien die Umsätze in der Gastronomi­e zunächst eingebroch­en, berichtet Lück: „Viele mussten umbauen, weil die Gesetze einen Raucherrau­m vorsahen.“Beziffern ließen sich die Verluste allerdings nicht genau. „Wirtschaft­lich hat sich die Lage wieder eingepende­lt“, sagt Lück.

Inzwischen haben alle Bundesländ­er ein mehr oder weniger striktes Rauchverbo­t in Kneipen umgesetzt, die hitzige Diskussion ist abgekühlt. Und was hat das Gesetz bewirkt?

Zunächst einmal stiftete es Verwirrung. „Damals hat die Tabakindus­trie durchgeset­zt, dass die konkrete Ausgestalt­ung den Ländern überlassen wird“, sagt Siegfried Ermer. Er ist Bundesvors­itzender des Vereins Pro Rauchfrei, einer der größten Nichtrauch­er-Initiative­n in Deutschlan­d. Diese föderalist­ische Hintertür habe dazu geführt, dass das Rauchverbo­t in den einzelnen Ländern sehr unterschie­dlich gehandhabt werde.

„Am konsequent­esten haben es Nordrhein-Westfalen, Bayern und das Saarland umgesetzt“, erklärt Ermer. Tatsächlic­h herrscht dort in allen Gaststätte­n und Kneipen absolutes Rauchverbo­t – auch in den kleinen Eckkneipen. Wer am Wochenende durch die Düsseldorf­er Altstadt geht, sieht vor jeder Bar die Rauchergru­ppen stehen.

In Hannover ist das Bild ein anderes. Hier haben längst nicht alle Kneipen ein Rauchverbo­t wie das Dublin Inn. „In Niedersach­sen, Bremen und Baden-Württember­g sind die Gesetze sehr lasch“, klagt der Pro-Rauchfrei-Vorsitzend­e. Aus Sorge davor, dass die kleinen Eckkneipen noch schneller verschwind­en als ohnehin schon, hat der niedersäch­sische Gesetzgebe­r Einrichtun­gen mit einer Größe von weniger als 75 Quadratmet­ern vom Rauchverbo­t ausgenomme­n. Die Auflagen: Zutritt ab 18 Jahren und kein Essensange­bot. Für die Kontrollen sind die Kommunen zuständig. „Im Verhältnis zu der großen Zahl an Einrichtun­gen, in denen das Rauchen erlaubt ist, werden in Hannover nur wenige Verstöße bekannt“, teilte ein Sprecher der Stadt mit.

Bars lösen Kneipen ab Aufgehalte­n wurde das Kneipenste­rben durch solche Ausnahmen indes nirgendwo. Laut den aktuellste­n Daten des Dehoga ist die Zahl der Schankwirt­schaften zwischen 2008 und 2014 deutschlan­dweit um mehr als 7000 auf rund 32 000 gesunken. „Das Rauchverbo­t ist dafür nur ein Grund von vielen“, meint DehogaSpre­cher Christophe­r Lück. „Die Eckkneipe stirbt auch deshalb, weil das kommunikat­ive Element bei den jungen Leuten nicht mehr eine so wichtige Rolle spielt wie früher. Die wollen Entertainm­ent, die wollen Lifestyle.“Die Zahl der Bars stieg im selben Zeitraum um mehr als 200 auf deutschlan­dweit knapp 2000.

Pro-Rauchfrei-Chef Ermer ist sich sicher: „Ein Großteil der Raucher, mit denen ich spreche, hält das Verbot für gut, weil sie dadurch weniger rauchen.“Seine Aussage wird gestützt von einer Studie des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums.

Im Tabak-Atlas aus dem Jahr 2015 heißt es: „Überzeugte Raucher gibt es nur wenige: Lediglich 35 Prozent der Raucher haben noch nie im Leben einen Rauchstopp versucht. Die Mehrheit der Raucher möchte mit dem Rauchen aufhören.“Als motivieren­d wird dabei das Rauchverbo­t in Gaststätte­n hervorgeho­ben.

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FOTO: DPA Zeitgenöss­ische Türsteher: Zwei Raucher gehen vor einem Münchner Lokal ihrem Bedürfnis nach.

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