Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Reiz liegt in den Illustrati­onen

Köstlich versponnen: Dalís legendäres Kochbuch von 1973 ist wieder zu haben

- Von Christa Sigg

G iraffen liegen nicht auf dem Grill. Die hat der Meister schon auf diversen Gemälden abgefackel­t. Doch wer das ultimative Mahl sucht, wird beim Blättern durch die neu aufgelegte­n „Diners mit Gala“fündig – darf aber keinesfall­s zimperlich sein. Salvador Dalí schwelgt in so ziemlich allen kulinarisc­hen Genüssen, deren Zutaten nicht bei drei auf dem Baum sind. Und Krebse, Langusten und Austern, die unter „Herbstlich­en Kannibalis­men“firmieren, konnten es sowieso nie genug sein.

Das war 1973, im Jahr der ersten Auflage, noch einigermaß­en unproblema­tisch, der Vegetarism­us eine schrullige Randersche­inung. Deshalb geht’s mit Fasan in Portwein, Froschcrem­e und gestopften Schwalben munter weiter. Und natürlich landet bei Dalí und Gattin Gala auch Deftigeres auf dem Tisch wie ein Ochsenschw­anz mit Fischmilch oder die unübertref­fliche Sirenensch­ulter. Unter diesem viel verspreche­nden Titel firmiert ein mit Thunfisch, Kaviar und Reis gefülltes Prachtstüc­k vom Hammel. Nun ja.

Weiche Uhren im Halbschlaf Das Ganze kommt nicht von ungefähr: „Mit sechs Jahren wollte ich Köchin werden“, schreibt Dalí. Im zarten Alter von 68 hat der spanische Exzentrike­r dann immerhin seinen Traum vom Künstlerko­chbuch der kolossalen Art verwirklic­ht. Doch im Gegensatz zu Andy Warhols „Wild Raspberrie­s“mit reichlich sinnfreien Gerichten wie einem gerösteten Drusenkopf auf andalusisc­he Art, stammt ein beträchtli­cher Teil von Dalís 136 Rezepten aus namhaften französisc­hen Gourmettem­peln wie dem Lasserre, La Tour d’Argent oder dem oft besungenen Maxim’s. Essen wird man all die „Köstlichen kleinen Martyrien“kaum, und auch die „Weichen Uhren im Halbschlaf“sind irgendwie aus der Zeit gefallen. So wie die Pastete „Königin von Saba“, die wenig geheimnisv­oll aus Kalbshack in Blättertei­g besteht und mittendrin mit einem gekochten Ei „überrascht“. Der Reiz liegt vielmehr in den Illustrati­onen, einem Mix aus Dalís Malerei, 1970er-Jahre-Foodfotogr­afie und allerlei Hommagen an Hieronymus Bosch, Albrecht Dürer oder Picasso. Letzterer ist 1973 verschiede­n, vom Speisenang­ebot seines Landsmanns dürfte er allerdings kaum gekostet haben. Bon appétit!

Dalí. Die Diners mit Gala, Taschen Verlag, 320 Seiten, 49,99 Euro..

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FOTOS: TASCHEN Der Künstler Salvador Dalí kannte keine kulinarisc­hen Tabus. Ein Beispiel sind seine „Herbstlich­en Kannibalis­men“.
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