Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Keine Sterne, aber viele Herzen
Otti Reck-Strehle ist seit sechs Jahren Chefin der Kuppelnauwirschaft – Fast eine reine „Frauenwirtschaft“
In Ravensburg gibt es viele Lokale, da kennen die Gäste den Wirt noch persönlich – weil er dort selbst kocht, kellnert oder hinter der Theke steht. In einer Serie stellt die „Schwäbische Zeitung“bekannte Wirtsleute vor. RAVENSBURG - Otti ist Kult, zumindest für viele ihrer Stammgäste, ihre Wirtschaft ist Heimat, Wohlfühlort, „Gast“-Haus im wahren Sinne des Worts. „I mag d’Leit und mi interessiert net, was oiner ischt“, sagt die Wirtin des Ravensburger Traditionslokals Kuppelnauwirtschaft. „Wir haben zwar keine Sterne, aber viele Herzen.“Seit 2010 führt Ottilie ReckStrehle das ehrwürdige Ravensburger Gasthaus, das 1777 von der Stadt erbaut wurde.
Die Otti ist – mit Verlaub – in Ravensburg so bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. 15 Jahre hat Die Kuppelnauwirtschaft hat eine alte große Tradition. Schon um das Jahr 1660, kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg, existierte ein Schützenhaus mit Schützenwirtschaft auf der Kuppelnau. 1777 baute die Stadt Ravensburg anstelle dieser Wirtschaft die heutige Kuppelnauwirtschaft, eine sogenannte Sommerwirtschaft, auf deren Platz sich die Bürger am Sonntag zu Schießnachmittagen trafen. Doch durften in der damaligen Schützenwirtschaft nur Getränke ausgeschenkt werden. Erst 1866 erhielt die Wirtschaft das Recht, Speisegaststätte zu sein – und firmiert seither als sie zuvor die Zehntscheuer bewirtschaftet, und Henne Engelberger, Urgestein des Kulturzentrums, ist voll des Lobes über die Otti: „Es gab nicht wenige Leute, die kamen nicht wegen der Künstler, sondern wegen der Otti in die Zehntscheuer“.
Otti und die Kuppelnauwirtshaft – da hat sich gefunden, was offenbar zusammengehört. „Ich wollte immer schon ein Wirtschäftle, wo man sich wohlfühlt“, sagt sie. Ihr habe auch der Heiner König (legendärer Wirt der Humpisstube) immer gefallen. Ihr Schwiegervater war einst Küchenchef im Hotel Hildenbrand, in dem sogar Adenauer und andere Promis übernachteten, und hat ihr beispielsweise gezeigt, wie man schwäbische Maultaschen macht und Leberspätzle und gefüllte Kalbsbrust – „wir machen das heute noch so“. Auf dem Küchenzettel stehen ausnahmslos schwäbische und voralpenländische Gerichte. Man mache fast alles selber, auch die Saucen, das Pesto und verwende wenn irgend möglich Produkte aus der Region. Was am besten geht? Maultaschen natürlich.
Die Otti stammt aus Tettnang. Der Vater war Bäcker. Und schon mit Kuppelnauwirtschaft. Im Jahre 1909 – so liest man es in einem Merkblatt, das bei Stadtführungen verteilt wird – bekam die Kuppelnauwirtschaft die Erlaubnis zum Ausschank auf dem Festplatz und im Turnhallengebäude. 1947 hieß die Wirtschaft für kurze Zeit „Gewerkschaftshaus“. 1971 erwarb die Brauerei Max Leibinger die Kuppelnauwirtschaft von der Stadt im Tausch gegen die einstige Gaststätte Belfort. Seither gab es mehrere Pächterwechsel. Bevor Ottilie Reck-Strehle das Wirtshaus im Jahre 2010 übernahm, war die „Geli“Wirtin in der Kuppelnau. (ka) zehn Jahren habe sie als Verkäuferin im Laden und auch im benachbarten Wirtshaus ausgeholfen. Ans Schaffe war sie von Kindheit an gewöhnt. Bäckereiverkäuferin hat sie hernach gelernt und später in Lindau die Fachhochschulreife erlangt. Eine Ausbildung als Erzieherin in Weißenau schloss sich an. Später erwarb sie über den Hotel- und Gaststättenverband den Wirtsbrief.
Otti ist – ohne ihr zu nahe treten zu wollen – eine temperamentvolle, eine leidenschaftliche Frau. Ob gewollt oder ungewollt – sie weiß sich ins gute Licht zu stellen und verbreitet Optimismus pur. Kann sein, dass da Tessiner und italienische Vorfahren eine Rolle spielten.
Ihr Team ist (fast ) eine reine Frauenwirtschaft. Im Service arbeiten ohnehin nur liebenswürdige Frauen, darunter eine leibhaftige neue Kreisrätin. Zwei Festangestellte in der Küche, wo jetzt auch ein Mann arbeitet, ein Azubi als Beikoch. Die Frauenwirtschaft habe sich halt so ergeben, versichert die Otti, fügt dann aber stolz hinzu: „Wir sind alles starke selbstständige Frauen“.
Eine von ihnen hebt sie besonders hervor: ihre Schwägerin Christine Strehle. Sie mache die Dienstpläne und vertrete sie auch im Urlaub, das sei für sie eine ganz große Beruhigung, versichert die Wirtin.
Politisch gehört Ottilie ReckStrehle zu den Grünen; sie hat Sitz und Stimme im Ravensburger Gemeinderat wie auch im Eschacher Ortschaftsrat. Und – klar doch, dass Manne Luchas Siegesfeier nach der Landtagswahl 2016 in der Kuppelnauwirtschaft stattfand. Doch will Otti Politik und Gastfreundschaft nicht vermengen. „Ich glaube schon, dass man mich als Mensch sieht und nicht vorrangig als Kommunalpolitikerin“, stellt sie fest. Die Praxis beweist: Bei ihr verkehren Anhänger aller etablierten Parteien und alle anderen auch.
Fit hält sich die bald Sechzigjährige durch regelmäßiges Schwimmen im Fläppe oder im Bodensee und durch Yoga. Zum Lesen aber komme sie kaum mehr.