Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neuer Führersche­in ohne gefährlich­e Reise

Verordnung ermöglicht es einem Weingarten­er Flüchtling, den deutschen Führersche­in einfacher zu bekommen

- Von Nicolai Kapitz

WEINGARTEN - Noch vor einigen Wochen war Geiath Aldef Allah verzweifel­t. Der Flüchtling aus Syrien – gelernter Fahrer von Baustellen­fahrzeugen – wollte so schnell wie möglich in Deutschlan­d in seinem Beruf arbeiten. Dem in Weingarten lebenden 43-Jährigen wurde das aber unmöglich gemacht. Denn sein syrischer Führersche­in war nach seiner Ankunft in Deutschlan­d abgelaufen und die Behörden wollten ihm deswegen keine Fahrerlaub­nis ausstellen (SZ berichtete). Nun die Wende: Das Verkehrsmi­nisterium hat noch vor Weihnachte­n reagiert und die Verordnung­en angepasst. Geiath Aldef Allah kann demnächst arbeiten.

Der Syrer hätte – Stand November – in seine Heimat zurückreis­en müssen, um dort bei der zuständige­n Stelle den Führersche­in verlängern zu lassen. Das zumindest war vor einem Monat noch die Auskunft des Konsulats. Doch auch in Damaskus wütet der Bürgerkrie­g. Um nichts in der Welt wäre Geiath Aldef Allah zurückgeke­hrt.

Uwe Tesch, der den Flüchtling in Weingarten als Pate betreut, fand es damals „zynisch“, dass von seinem Schützling die Rückkehr in den Bürgerkrie­g verlangt wurde. Tesch setzte sich hin und schrieb Briefe. Ans Landratsam­t, ans Landes- und ans Bundesverk­ehrsminist­erium. Und auch an das baden-württember­gische Sozial- und Integratio­nsminister­ium von Manne Lucha (Grüne). Entweder er bekam keine Antwort oder – so von Luchas Behörde – die Auskunft, dass das Ministeriu­m nicht zuständig sei.

Hinter den Kulissen müssen aber trotzdem viele Gespräche gelaufen sein. Denn diese bürokratis­che Formalie verhindert­e offenbar nicht nur im Fall des Weingarten­er Flüchtling­s, dass er in Deutschlan­d Arbeit finden kann. Arbeit gilt allerdings als wesentlich­er Bestandtei­l der Integratio­n. Dies wiederum trieb auch das Integratio­nsminister­ium um, auch wenn es formal nicht zuständig war. Und so glühten offenbar an vielen Stellen die Drähte. Nun bekamen Uwe Tesch und Geiath Aldef Allah die Nachricht: „Wir haben jetzt die Nachricht vom Ministeriu­m erhalten, dass wir Ihren syrischen Führersche­in umschreibe­n dürfen“, schreibt das Landratsam­t.

„Das Verkehrsmi­nisterium hat entschiede­n, dass Betroffene in derartigen Fällen nur die praktische und theoretisc­he Prüfung ablegen müssen“, erläutert Franz Hirth, Pressespre­cher im Landratsam­t Ravensburg, das als Führersche­inbehörde für die Fälle zuständig ist.

Rückreise nicht zumutbar Das gelte nicht nur in Ausnahmen, sondern für alle Betroffene­n. „Es hat sich die Einsicht durchgeset­zt, dass eine Rückreise nach Syrien nicht zumutbar ist“, so Hirth. Wer genau an welcher Stelle für die Änderung der Vorschrift­en verantwort­lich ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau nachvollzi­ehen. Das entscheide­nde Bundesverk­ehrsminist­erium wollte dazu keine Auskunft erteilen. Nur so viel: „Soweit Bewerber eine Fahrerlaub­nis aus einem Staat wie zum Beispiel Syrien besitzen, (...) werden ihnen Erleichter­ungen gegenüber erstmalige­n Bewerbern um eine Fahrerlaub­nis gewährt. Das heißt konkret: Die Bewerber müssen die theoretisc­he und praktische Fahrprüfun­g erfolgreic­h bestehen, aber sie müssen z.B. keine Pflichtstu­nden nehmen.“

Geiath Aldef Allah ist das egal. „Vielen Dank“, sagt er, als er gemeinsam mit Uwe Tesch zum Gespräch bei der „Schwäbisch­en Zeitung“ist. Denn statt den deutschen LKW-Führersche­in für Tausende Euro neu machen zu müssen, muss der Syrer nun zuerst die theoretisc­he Prüfung bestehen, ein paar Fahrstunde­n nehmen und dann die praktische Prüfung erfolgreic­h ablegen. Für die Theorieprü­fung lernt er zur Zeit mit einer Handy-App auf Deutsch und Arabisch. Wenn er alles besteht, hat er den Führersche­in und kann die nächste Hürde anvisieren: schnell besseres Deutsch lernen, um einen Arbeitgebe­r zu finden.

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FOTOS: NICOLAI KAPITZ Mit seinem abgelaufen­en syrischen Führersche­in kann Geiath Aldef Allah nun doch den deutschen bekommen. Uwe Tesch ist froh über das Schreiben des Landratsam­tes.
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