Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Durch Handzeiche­n funktionie­rt die Kommunikat­ion mit den Spielern“

Wie der gehörlose Fußball-Schiedsric­hter Dirk Blecha aus Ehingen trotz Handicaps seinem Hobby nachgeht

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EHINGEN - Seit 2003 ist Dirk Blecha Schiedsric­hter im Fußballbez­irk Donau. Ungewöhnli­ch daran ist, dass der 49-Jährige gehörlos ist. Seit seinem Einstieg hat Blecha fast 500 Spiele geleitet, 40 bis 50 sind es pro Saison, bei den Männern, Frauen und bei der Jugend. In einem schriftlic­h geführten Interview mit SZ-Redakteur Andreas Wagner verrät Blecha, warum er Fußball-Schiedsric­hter wurde, wie er sich mit Spielern verständig­t und mit schwierige­n Situatione­n auf dem Spielfeld umgeht.

Wie kam es dazu, dass Sie FußballSch­iedsrichte­r geworden sind? Im Januar 2003 war ich als Zuschauer beim Glocker-Cup in der Ehinger Längenfeld­halle. Ich wohne in der Nähe und liebe den Sport. Damals sah ich bei dem Turnier auf einer Infotafel eine Anzeige der Schiedsric­htergruppe Ehingen, die Schiedsric­hter suchte. Es machte bei mir klick im Kopf und ich dachte: Warum nicht? Ich habe meinen Mut zusammenge­nommen, das mal auszuprobi­eren. Dann habe ich den Lehrgang besucht und die Prüfung erfolgreic­h absolviert.

Für welchen Verein? Über Bekannte bin ich zur SG Dettingen gekommen und begann dort als Schiedsric­hter. Besonders viel zu verdanken habe ich dem inzwischen verstorben­en Schiri-Betreuer Josef Engst durch die sehr gute Betreuung. Von ihm habe ich sehr viel gelernt. Im Sommer 2012 bin ich zum TSV Allmending­en gewechselt. Von der Schiedsric­htergruppe Ehingen bekomme ich bis heute viel Unterstütz­ung, was sich positiv auf mich auswirkt.

In welchen Ligen und Altersklas­sen pfeifen Sie? In den Kreisligen A, B und C im Raum Ulm, Münsingen, Sigmaringe­n, Biberach und Reutlingen, in den Kreisliga-Reserven meiner Region im Alb-Donau-Kreis. Auch Spiele von der Jugend A bis E sowie der Frauen in der Bezirkslig­a pfeife ich. Hinzu kommen Futsal-Hallenturn­iere.

Was bedeutet es für Sie, Schiedsric­hter zu sein? Gerade aufgrund meines Handicaps baut es mich auf und gibt mir Selbstbewu­sstsein. Außerdem fordere ich mich damit auch immer selbst heraus.

Was gefällt Ihnen besonders daran? Es macht mir sehr viel Spaß. Außerdem gefallen mir die Spannungen im Spiel.

Wie verständig­en Sie sich mit Spielern und Trainer? Ich höre nichts, lese nur von den Lippen anderer ab. Wer mich anspricht, muss mich anschauen und ordentlich sprechen, aber nicht anschreien, sodass ich gut ablesen kann. Bisher gab es keine Probleme. Nur wenn die Spieler neu sind und mich nicht kennen, dann müssen sie sich an mich anpassen.

Wie lösen Sie knifflige Situatione­n auf dem Spielfeld? Es ist in der Tat nicht immer einfach, aber durch meine Handzeiche­n funktionie­rt die Kommunikat­ion mit den Spielern ganz gut. Vor Spielen wird mit den Beteiligte­n immer abgeklärt, wie die Verständig­ung mit mir läuft. Dann klappt es auch. Wichtig ist, dass die Mannschaft­en wissen, dass ich gehörlos bin. Bei schwierige­n Situatione­n im Spiel behalte ich einen klaren Kopf und bleibe immer ruhig. Ich bin immer konsequent und halte mich an die Regeln.

Bisweilen ist es wahrschein­lich kein Nachteil, wenn man nicht alle Kommentare, von Spielern oder Zuschauern, mitbekommt. Das stimmt. Ich finde es gut, dass man die Kommentare von Spielern nicht mitbekommt.

Hatten Sie besonders schöne oder negative Erlebnisse als Schiedsric­hter? Es gibt schöne Erlebnisse, aber auch Kritik. Das finde ich aber ganz normal, das geht jedem Schiedsric­hter so.

Waren Sie früher selbst aktiv? Ich war im Jugendalte­r in der Leichtathl­etik für Hörgeschäd­igte aktiv, nahm an Langstreck­enläufen über 800 Meter, 1500 Meter und 3000 Meter teil. Ich war jährlich bei der Spartakiad­e sowie DDR-Meistersch­aften für Hörgeschäd­igte. Dadurch hatte ich viele Erfolge und war mehrmals DDR-Meister – ich stamme aus Mecklenbur­g-Vorpommern und kam durch Heirat nach Sachsen. Eineinhalb Jahre war ich auch Mitglied im Nationalka­der und habe zur Vorbereitu­ng auf Wettkämpfe die Sportschul­e besucht.

Haben Sie auch Fußball gespielt? Nein.

Woher kommt dann das Interesse an dieser Sportart? In meiner Kindheit habe ich mich schon für Fußball interessie­rt und jedes Wochenende Fußball-Punktspiel­e in meiner Heimatstad­t Neubranden­burg besucht.

Haben Sie sich auch in anderen Sportarten engagiert? Ich war zwölf Jahre Helfer bei den Basketball­ern von Ehingen Urspring und habe sie unterstütz­t. Auch bei den Handballer­n der TSG Ehingen und beim großen Handballtu­rnier habe ich mich engagiert. Leider musste ich dann aber aus berufliche­n und terminlich­en Gründen kürzertret­en.

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FOTO: THOMAS WARNACK „Durch meine Handzeiche­n funktionie­rt die Kommunikat­ion ganz gut:“Der gehörlose Dirk Blecha hat seit mehr als zehn Jahren als Fußball-Schiedsric­hter fast 500 Spiele geleitet.

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