Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fahrlässig­er Umgang

- Von Christoph Plate

Der Bundesinne­nminister fordert in seinen „Leitlinien für einen starken Staat“mehr Steuerungs­kompetenz des Bundes in Krisensitu­ationen. Dafür muss vermutlich nicht einmal das Grundgeset­z geändert werden. Thomas de Maizière (CDU) zeigt jetzt die Entschloss­enheit, die viele früher bei ihm vermisst haben, als die Flüchtling­e über die Grenzen kamen.

Es ist tragisch, dass erst der Terroransc­hlag vor Weihnachte­n an der Berliner Gedächtnis­kirche zum intensiver­en öffentlich­en Nachdenken über den Umgang mit der eigenen Sicherheit geführt hat. Früher schienen lediglich die anderen Europäer gefährdet zu sein. Der Berliner Flughafen Tegel wirkte nach dem Anschlag des IS auf den Brüsseler Flughafen weiter so schwach gesichert, als sei nichts geschehen. Obwohl Weihnachts­märkte seit Jahren als Anschlagsz­iel galten, wurden erst nach dem Terror am Breitschei­dplatz auch tatsächlic­h Betonpolle­r in Berlin aufgestell­t, die Nachahmer hätten stoppen können.

Die Bürger, das macht de Maizières Papier deutlich, werden umdenken müssen. Deutschlan­ds bisheriger Umgang mit der eigenen Sicherheit war fahrlässig. Die Mängel beim Schutz und vor allem der Koordinati­on der Sicherheit­sdienste mögen vordergrün­dig mit Personalma­ngel zu erklären gewesen sein. Vor allem aber waren sie Ausdruck von Gleichgült­igkeit, nicht nur der Politiker, sondern auch vieler Bürger. Dabei verletzt eine zusätzlich­e Videokamer­a auf dem Marktplatz niemandes Persönlich­keitsrecht­e. Massive Kontrollen am Flughafen verlängern zwar die Reisezeit, garantiere­n aber eben auch, dass der Reisende ankommt.

Jeder Innenminis­ter muss, ob im Bund oder in den Ländern, den „harten Hund“geben, immer mehr fordern, als ihm das Parlament jemals zugestehen wird. So tut es jetzt auch de Maizière. Nur redet er sicher nicht einem Polizeista­at das Wort. Im Gegenteil, er fordert bei allen Sicherungs­maßnahmen Mäßigung, die sei nämlich „ein zentrales Element unserer Freiheit“. Mäßigung ist gut, Schlendria­n ist es nicht.

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