Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gegenwind aus Baden-Württemberg
Parteien lehnen Auflösung der Landesämter für Verfassungsschutz ab – Polizisten sehen drängendere Probleme
STUTTGART - Die Landesregierung hielt sich bedeckt, die Parteien in Baden-Württemberg dagegen haben am Dienstag Klartext geredet. Fazit: Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) erntet viel Kritik für seinen Vorschlag, die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen.
In seltener Einigkeit lehnen Grüne, CDU, SPD und FDP die Eingliederung der Ämter in eine Bundesbehörde ab. Baden-Württembergs Verfassungsschützer hätten genaue Kenntnisse der Lage im Land und seien daher unverzichtbar, große Behörden lösten Probleme zudem keineswegs besser als kleine. Die Landesämter observieren zum Beispiel potentielle Terroristen oder als gefährlich eingestufte Organisationen vor Ort. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann etwa dem Landesamt in Stuttgart keine Weisungen erteilen. Es untersteht der Landesregierung.
Deren Mitglieder hielten sich am Dienstag zurück. Das Staatsministerium wollte sich zu de Maizières einzelnen Vorschlägen nicht äußern. Ob eine Verlagerung von Kompetenzen – etwa bei der Abschiebung – von den Ländern auf den Bund oder eine bessere Vernetzung sinnvoll seien, gelte es zu besprechen, sagte Rudi Hoogvliet, Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ähnlich äußerte sich Thomas Strobl (CDU). Er ist als Landesinnenminister zuständig für jenes Amt, das sein Parteifreund de Mazière abschaffen will.
Konkreter äußerten sich Vertreter der Polizeigewerkschaften. „Der Vorstoß hat viel Charme, löst aber allein die Probleme nicht“, sagte Manfred Klumpp, Landesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter. Es könne Jahre dauern, bis eine Reform dieser Größenordnung umgesetzt sei. Klumpp fordert, Daten für Ermittler von Bund und Ländern leichter zugänglich zu machen. Polizisten müssten Informationen über Personen heute per Funk in der Dienststelle nachfragen, ein direkter Zugriff auf Datenbanken etwa mit mobilen Geräten sei nicht möglich.
Außerdem gebe es zu viele Einschränkungen durch den Datenschutz. „Wenn es in Niedersachsen eine Akte über eine Person gibt, erfahren Polizisten aus einem anderen Bundesland zunächst nur, dass es diese gibt – aber nicht was drinsteht“, erklärte der Kriminalpolizist. Aufwändige Anfragen zwischen den Ländern oder gar Rechtshilfeersuchen an andere EU-Staaten seien in solchen Fällen nötig und behinderten die Behörden.
Ralf Kusterer von der Deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg bemängelt vor allem Defizite bei der IT und beim Datenaustausch. Behörden arbeiten oft mit verschiedenen Computersystemen, das erschwere die Kommunikation. Dabei seien Erkenntnisse über örtliche Gegebenheiten zentral. Er hält daher den Vorstoß, die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen, für falsch. „Sie müssen gestärkt, nicht geschlossen werden“.