Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ein bürokratis­ches Monstrum“

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STUTTGART Eine weitere Superbehör­de auf Bundeseben­e braucht es nicht, um Deutschlan­d sicherer zu machen. Das sagte im Gespräch mit Katja Korf Professor Thomas Grumke (Foto: dpa), Politologe aus Nordrhein-Westfalen. Der ehemalige Verfassung­sschützer bildet angehende Polizisten aus.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière schlägt vor, die Landesämte­r für Verfassung­sschutz abzuschaff­en und sie in das zuständige Bundesamt zu integriere­n. Was halten Sie von dieser Idee? Der föderale Aufbau der Bundesrepu­blik sollte nicht infrage gestellt werden. Obwohl man über die Zusammenle­gung kleiner Landesämte­r für Verfassung­sschutz wie etwa der Behörden von Bremen oder dem Saarland reden kann, ist der Vorschlag einer Zentralisi­erung nicht zielführen­d. Bei den kleinen Ämtern übernimmt der Bund schon jetzt viele Aufgaben. Doch bereits jetzt ist das Bundesamt für Verfassung­sschutz ein bürokratis­ches Monstrum, das nicht noch wachsen muss. Eine Qualitätsv­erbesserun­g ist dadurch sicher nicht zu erwarten. Landesämte­r wie die in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württember­g sind gute Beispiele für handlungsf­ähige Landesbehö­rden.

Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt wurde bekannt, dass der mutmaßlich­e Täter Anis Amri monatelang observiert worden war, sogar einmal in Abschiebeh­aft saß. Es gab Defizite in der Absprache zwischen einzelnen Landes- und Bundesbehö­rden. Wie lassen sich solche in Zukunft vermeiden? Der Fall zeigt unter anderem, dass das strikte Trennungsg­ebot von Polizei und Verfassung­sschutz überholt ist. Es gibt zurzeit noch zu viele separate Datenbanke­n bei den verschiede­nen Behörden, die zum Teil auch noch durch überborden­den Datenschut­z gelähmt werden. Der Föderalism­us in Deutschlan­d, also die Zuständigk­eiten der Bundesländ­er, sind hier das kleinste Problem. Im Fall Amri und auch in vielen anderen Fällen liegen die zentralen Versäumnis­se bei der Justiz, die sich weigert, Gefährder in Haft zu nehmen oder zu halten.

Was ist aus Ihrer Sicht falsch gelaufen im Fall Amri und was sind die Lehren daraus für Politik und Behörden? Grundsätzl­ich ist nicht die Struktur der Behörden entscheide­nd, sondern die Qualität der Mitarbeite­r. Hier müssen dringend das in den Innenbehör­den herrschend­e Juristenmo­nopol gebrochen, Fachkarrie­ren ermöglicht und Fachausbil­dungen an den Fachhochsc­hulen für öffentlich­e Verwaltung eingericht­et werden.

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