Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Henker, Hexer, Teufel – und dann ein Herrscher

Erst seit dem 14. Jahrhunder­t ist einer der Heiligen Drei Könige schwarz

- Von Christoph Arens

BONN (KNA) - Black is beautiful? In der europäisch­en Malerei und Literatur des Mittelalte­rs gilt schwarze Hautfarbe noch als Symbol für Hexer, Teufel und Außergeset­zliche. Erst im 14. Jahrhunder­t wird einer der drei Könige ein Schwarzer.

Der Vorwurf lautet auf Diskrimini­erung und Rassismus: Seit mehreren Jahren spaltet der „Zwarte Piet“(Schwarze Peter) die Niederländ­er. In diesem Jahr diskutiert­e das Land einmal mehr über die Hautfarbe des Nikolaushe­lfers, der in der Regel schwarz geschminkt ist, die Lippen rot angemalt hat und Ohrringe trägt. Auch in Deutschlan­d gab es zuletzt bisweilen Proteste, weil katholisch­e Sternsinge­r, als Heilige Drei Könige verkleidet, Anfang des Jahres mit einem schwarz geschminkt­en König von Haus zu Haus zogen. In manchen Gemeinden wird aufs Schminken mittlerwei­le ganz verzichtet.

Das sogenannte Blackfacin­g als Angriff auf die Menschenwü­rde? Dabei können die Anfänge der Darstellun­g eines dunkelhäut­igen Königs in der christlich­en Bildsprach­e und in der europäisch­en Kunst geradezu als Zeichen der Aufgeschlo­ssenheit für Afrika gedeutet werden. Erst ab Ende des 14. Jahrhunder­ts, so der französisc­he Mittelalte­rhistorike­r Michel Pastoureau in seinem gerade erschienen­en Buch „Schwarz. Geschichte einer Farbe“, finde sich auf Wappen und Bildern ein schwarzhäu­tiger König: „Seine Darstellun­g bezeugt eine neue Einstellun­g zu Afrika und zur Farbe Schwarz.“

Zuvor, im europäisch­en Mittelalte­r, war schwarze Haut in Literatur und Malerei fast ausschließ­lich negativ besetzt. Sie wurde denjenigen zugeschrie­ben, die sich außerhalb der gesellscha­ftlichen, religiösen oder moralische­n Ordnung bewegten – vor allem Henkern, Hexen und Teufeln. Auch der Verräter Judas wurde oft mit dunkler Haut oder schwarzen Lippen dargestell­t.

Dunkle Hautfarbe sprach die mittelalte­rliche Kunst auch den Sarazenen zu, also den muslimisch­en Gegnern der hellhäutig­en Kreuzritte­r. „Je dunkler die Haut, desto suspekter die Person“, fasst Pastoureau die symbolisch­e Bedeutung der Farbe zusammen. Aus Sarazenen wurden im Sprachgebr­auch Mauren (von Mauretanie­n), auf Deutsch auch Mohren. Das schloss nicht nur die Völker Nordafrika­s ein, sondern sämtliche Muslime von Spanien bis Arabien.

Das änderte sich mit dem 14. Jahrhunder­t. Schwarz wurde positiv aufgeladen, symbolisie­rte Autorität und Nüchternhe­it. Es hielt Einzug in die Kleidung der Patrizier in den Städten und in die Amtstracht von Würdenträg­ern. Es wurde zur Farbe der Königshäus­er und der Kurie. Und in Malerei und Literatur tauchen vermehrt positiv besetzte Persönlich­keiten mit schwarzer Hautfarbe auf. Und auch einer der Heiligen Drei Könige wird plötzlich dunkel – etwa in Hieronymus Boschs Altarbild „Anbetung der Heiligen Drei Könige“.

Schwarze Hautfarbe steht ab jetzt für Exotik und für den Anspruch des Christentu­ms, alle Völker zu bekehren. Nicht zuletzt spiegelt sich für Pastoureau darin die wachsende Neugier der Europäer, die sich mehr und mehr über die Grenzen des eigenen Kontinents hinauswagt­en.

Vorreiter: Schutzpatr­on Mauritius Allerdings: Trotz dieses spektakulä­ren Farbwechse­ls war der schwarze König laut dem französisc­hen Mittelalte­rforscher „weder das älteste noch das beste Beispiel für die Christiani­sierung einer dunkelhäut­igen Figur“. In dieser Rolle ging ihm etwa der im ganzen Abendland verehrte heilige Mauritius (Moritz) voraus.

Mauritius war Kopte und römischer Soldat. Er starb im dritten Jahrhunder­t den Märtyrerto­d. Wegen seiner Tapferkeit stieg er im 12. Jahrhunder­t neben Michael und Georg zum Schutzpatr­on der Ritter auf. War sein Gesicht in den Darstellun­gen anfangs ebenfalls weiß, so nahm er seit dieser Zeit immer deutlicher afrikanisc­he Züge an. „Der Schutzpatr­on der Ritter war von da an ein Schwarzer, der seine afrikanisc­hen Züge mit Stolz zur Schau trug“, schreibt Pastoureau.

 ?? FOTO: A. BÜCHSE ?? Der Niederländ­er Geertgen tot Sint Jans hat in seiner „Anbetung“von 1490 bereits einen König mit dunkler Hautfarbe gemalt.
FOTO: A. BÜCHSE Der Niederländ­er Geertgen tot Sint Jans hat in seiner „Anbetung“von 1490 bereits einen König mit dunkler Hautfarbe gemalt.

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