Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwischen Enttäuschung und Erleichterung
Reaktionen der Gemeinderatsfraktionen auf den Verkauf des Schuler-Areals – CDU hätte sich Stadt als Käufer gewünscht
WEINGARTEN - Kurz vor Weihnachten hat Pressenhersteller Schuler bekannt gegeben, dass das südliche Firmen-Areal in Weingarten an den Lindauer Investor I+R Dietrich Wohnbau verkauft worden ist. Das rund fünf Fußballfelder große Gelände gilt als wichtigstes innerstädtisches Großprojekt der kommenden zehn Jahre. Umso wichtiger ist die Frage, was dort künftig entstehen soll. Genau das treibt auch die Fraktionen im Weingartener Gemeinderat um. Während sich die einen um das städtische Mitspracherecht sorgen, blicken andere positiv in die Zukunft. Die enttäuschte CDU-Fraktion hätte sich dagegen den ganz großen Wurf gewünscht – mit der Stadt Weingarten als neuem Eigentümer des Schuler-Areals.
„Es hat an politischem Mut gefehlt“, befindet CDU-Fraktionsvorsitzender Axel Müller. Er hätte sich gewünscht, dass die Stadt das Gelängen de erwirbt, um die Entwicklung komplett aus eigener Hand steuern zu können. „Das wäre unsere Zielsetzung gewesen. Wir hätten uns größeren Einfluss gewünscht“, sagt Müller und verweist auf seine Haushaltsrede 2016. Schon vor einem Jahr habe er ein Modell aufgezeigt, bei dem die 250 städtischen Wohnungen in einer privaten Grundstücksgesellschaft zusammengefasst werden, um flexibler agieren zu können. Auch hätte man damit einen Gegenwert gehabt, mit dem man die Finanzierung des Kaufes hätte absichern können. Sobald das Areal dann entwickelt worden wäre, hätte man das Geld durch Verkäufe wieder hereinholen können. „Das war unser Weg, den die Stadt nicht gehen wollte“, sagt Müller. „Ich glaube, dass es innerhalb der Verwaltung ganz erhebliche Widerstände gibt.“
Das sieht Oberbürgermeister Markus Ewald etwas anders. Er begrüßt die Idee im Grundsatz – bezo- auf eine veränderte Verwaltung des städtischen Eigentums – und lässt verschiedene Möglichkeiten seit geraumer Zeit prüfen. „Eine Ausgliederung in eine eigenständige GmbH hat viele Vor-, aber auch einige Nachteile. Das muss man sich gut überlegen“, sagt er. Eine GmbH oder ein Eigenbetrieb seien aber durchaus vorstellbar. Ein Kauf des SchulerAreals durch die Stadt sei aber kein Thema gewesen, da das finanzielle Risiko „unkalkulierbar“sei.
Grüne fordern Durchmischung Gleichermaßen kann Ewald aber auch die Sorgen der Gemeinderäte vor zu wenig städtischem Einfluss verstehen. Der Lindauer Investor habe aber versichert, man werde den Weg gemeinsam gehen. Auch zum Bündnis für bezahlbaren Wohnraum habe sich I+R Dietrich Wohnbau eindeutig bekannt. Und doch sorgt sich Claus Keßel, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Unabhängigen (G&U), genau davor. „Ich hoffe, dass man das nicht anmahnen muss“, sagt Keßel hinsichtlich der Einhaltung des Bündnisses. Die Wohnungen dürften nicht nur hochpreisig angeboten werden. Eine Durchmischung der gesellschaftlichen Schichten sei entscheidend: „Für mich ist das Soziale wichtig und welche Menschen dort einziehen können.“
Kritik an Schuler Dabei lobt der Fraktionsvorsitzende die Stadtverwaltung für den bisherigen Prozess. „Die Stadt bemüht sich um einen offenen Dialog“, sagt Keßel und kritisiert den Pressenhersteller: „Vonseiten von Schuler war die Kommunikation äußerst schwierig.“Das stört auch die SPD-Fraktion, allen voran Doris Spieß. „Die Stadt hat sich von Schuler treiben lassen und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt sie hinsichtlich der Kaufabwicklung. Auch sorgt sie sich, dass die Stadt zu wenig Mitspracherecht bei der Entwicklung des Areals bekommt. „Wir sind etwas enttäuscht und hätten erwartet, dass die Stadt eine bessere Position hat“, sagt Spieß, für die I+R Dietrich Wohnbau „ein Investor von außen“ist. Ihr Fraktionsvorsitzender Udo Mann hätte sich lieber einen Investor wie den Bau- und Sparverein oder das Siedlungswerk mit einer „größeren Sicherheit, dass auf das Gemeinnützige und nicht das Marktwirtschaftliche Wert gelegt wird“, gewünscht. Auch ein Konsortium von Bank, Bauunternehmen und Stadt hätte er begrüßt.
Freie Wähler bleiben gelassen Etwas entspannter sehen es die Freien Wähler Weingarten (FWW) und die Bürger für Weingarten (BfW). „Das ist ein seriöser Anbieter. Ich sehe das lässiger als vorher“, sagt Horst Wiest (FWW). „Ich hatte ein wenig Angst, dass es in irgendwelche dubiosen Kanäle gegangen wäre.“Auch sorgt er sich nicht wegen des Bündnisses für sozialen Wohnraum. „Es werden schon nicht alle die Villa in Waldburg verkaufen“, sagt Wiest, der auch das Handeln von Schuler kritisiert: „Es wäre interessant gewesen, beim Bieten dabei zu sein. Das ist ja ganz an der Stadt vorbeigegangen. Sie haben die Stadt ganz offensichtlich nicht im Bieterverfahren haben wollen.“
„Nicht der schlechteste Investor“Für Egon Girmes (BfW) „scheint das nicht der schlechteste Investor zu sein“. Wichtig sei, die Interessen der Gemeinde zu achten und in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Wie auch die CDU hätte er sich die Stadt als Investor vorstellen können – aber unter anderen Umständen. „Wenn die Stadt finanziell auf Rosen gebettet wäre und noch Geld hätte, hätte ich mir gewünscht, dass die Stadt selbst als Investor auftritt“, sagt Girmes.