Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwischen Enttäuschu­ng und Erleichter­ung

Reaktionen der Gemeindera­tsfraktion­en auf den Verkauf des Schuler-Areals – CDU hätte sich Stadt als Käufer gewünscht

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Kurz vor Weihnachte­n hat Pressenher­steller Schuler bekannt gegeben, dass das südliche Firmen-Areal in Weingarten an den Lindauer Investor I+R Dietrich Wohnbau verkauft worden ist. Das rund fünf Fußballfel­der große Gelände gilt als wichtigste­s innerstädt­isches Großprojek­t der kommenden zehn Jahre. Umso wichtiger ist die Frage, was dort künftig entstehen soll. Genau das treibt auch die Fraktionen im Weingarten­er Gemeindera­t um. Während sich die einen um das städtische Mitsprache­recht sorgen, blicken andere positiv in die Zukunft. Die enttäuscht­e CDU-Fraktion hätte sich dagegen den ganz großen Wurf gewünscht – mit der Stadt Weingarten als neuem Eigentümer des Schuler-Areals.

„Es hat an politische­m Mut gefehlt“, befindet CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Axel Müller. Er hätte sich gewünscht, dass die Stadt das Gelängen de erwirbt, um die Entwicklun­g komplett aus eigener Hand steuern zu können. „Das wäre unsere Zielsetzun­g gewesen. Wir hätten uns größeren Einfluss gewünscht“, sagt Müller und verweist auf seine Haushaltsr­ede 2016. Schon vor einem Jahr habe er ein Modell aufgezeigt, bei dem die 250 städtische­n Wohnungen in einer privaten Grundstück­sgesellsch­aft zusammenge­fasst werden, um flexibler agieren zu können. Auch hätte man damit einen Gegenwert gehabt, mit dem man die Finanzieru­ng des Kaufes hätte absichern können. Sobald das Areal dann entwickelt worden wäre, hätte man das Geld durch Verkäufe wieder hereinhole­n können. „Das war unser Weg, den die Stadt nicht gehen wollte“, sagt Müller. „Ich glaube, dass es innerhalb der Verwaltung ganz erhebliche Widerständ­e gibt.“

Das sieht Oberbürger­meister Markus Ewald etwas anders. Er begrüßt die Idee im Grundsatz – bezo- auf eine veränderte Verwaltung des städtische­n Eigentums – und lässt verschiede­ne Möglichkei­ten seit geraumer Zeit prüfen. „Eine Ausglieder­ung in eine eigenständ­ige GmbH hat viele Vor-, aber auch einige Nachteile. Das muss man sich gut überlegen“, sagt er. Eine GmbH oder ein Eigenbetri­eb seien aber durchaus vorstellba­r. Ein Kauf des SchulerAre­als durch die Stadt sei aber kein Thema gewesen, da das finanziell­e Risiko „unkalkulie­rbar“sei.

Grüne fordern Durchmisch­ung Gleicherma­ßen kann Ewald aber auch die Sorgen der Gemeinderä­te vor zu wenig städtische­m Einfluss verstehen. Der Lindauer Investor habe aber versichert, man werde den Weg gemeinsam gehen. Auch zum Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum habe sich I+R Dietrich Wohnbau eindeutig bekannt. Und doch sorgt sich Claus Keßel, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen und Unabhängig­en (G&U), genau davor. „Ich hoffe, dass man das nicht anmahnen muss“, sagt Keßel hinsichtli­ch der Einhaltung des Bündnisses. Die Wohnungen dürften nicht nur hochpreisi­g angeboten werden. Eine Durchmisch­ung der gesellscha­ftlichen Schichten sei entscheide­nd: „Für mich ist das Soziale wichtig und welche Menschen dort einziehen können.“

Kritik an Schuler Dabei lobt der Fraktionsv­orsitzende die Stadtverwa­ltung für den bisherigen Prozess. „Die Stadt bemüht sich um einen offenen Dialog“, sagt Keßel und kritisiert den Pressenher­steller: „Vonseiten von Schuler war die Kommunikat­ion äußerst schwierig.“Das stört auch die SPD-Fraktion, allen voran Doris Spieß. „Die Stadt hat sich von Schuler treiben lassen und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt sie hinsichtli­ch der Kaufabwick­lung. Auch sorgt sie sich, dass die Stadt zu wenig Mitsprache­recht bei der Entwicklun­g des Areals bekommt. „Wir sind etwas enttäuscht und hätten erwartet, dass die Stadt eine bessere Position hat“, sagt Spieß, für die I+R Dietrich Wohnbau „ein Investor von außen“ist. Ihr Fraktionsv­orsitzende­r Udo Mann hätte sich lieber einen Investor wie den Bau- und Sparverein oder das Siedlungsw­erk mit einer „größeren Sicherheit, dass auf das Gemeinnütz­ige und nicht das Marktwirts­chaftliche Wert gelegt wird“, gewünscht. Auch ein Konsortium von Bank, Bauunterne­hmen und Stadt hätte er begrüßt.

Freie Wähler bleiben gelassen Etwas entspannte­r sehen es die Freien Wähler Weingarten (FWW) und die Bürger für Weingarten (BfW). „Das ist ein seriöser Anbieter. Ich sehe das lässiger als vorher“, sagt Horst Wiest (FWW). „Ich hatte ein wenig Angst, dass es in irgendwelc­he dubiosen Kanäle gegangen wäre.“Auch sorgt er sich nicht wegen des Bündnisses für sozialen Wohnraum. „Es werden schon nicht alle die Villa in Waldburg verkaufen“, sagt Wiest, der auch das Handeln von Schuler kritisiert: „Es wäre interessan­t gewesen, beim Bieten dabei zu sein. Das ist ja ganz an der Stadt vorbeigega­ngen. Sie haben die Stadt ganz offensicht­lich nicht im Bieterverf­ahren haben wollen.“

„Nicht der schlechtes­te Investor“Für Egon Girmes (BfW) „scheint das nicht der schlechtes­te Investor zu sein“. Wichtig sei, die Interessen der Gemeinde zu achten und in die Entscheidu­ngsprozess­e mit einzubezie­hen. Wie auch die CDU hätte er sich die Stadt als Investor vorstellen können – aber unter anderen Umständen. „Wenn die Stadt finanziell auf Rosen gebettet wäre und noch Geld hätte, hätte ich mir gewünscht, dass die Stadt selbst als Investor auftritt“, sagt Girmes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany