Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wetterkapriolen könnten die Party sprengen
Eisenbichler als Sechster in der Innsbruck-Quali wieder bester Deutscher – Sturm droht
INNSBRUCK (dpa/SID/sz) - Mit jedem Versuch mehr wird Markus Eisenbichler die Skisprunganlage auf dem Bergisel sympathischer. „Ich fand die Schanze am Anfang einfach ein bisschen schwierig“, erklärte der aktuelle Vierte der Vierschanzentournee nach seinem Qualifikationssprung auf 130 Meter. „Aber mittlerweile taugt mir die Schanze doch ganz gut“, fügte er an. Nach Platz sechs in der Qualifikation nimmt Eisenbichler ein gutes Gefühl mit in den Wettkampf am heutigen Mittwoch (14 Uhr/ARD). 2015, bei seinem zuvor einzigen Tourneeauftritt in Innsbruck war Eisenbichler in der Qualifikation gescheitert. „Früher bin ich hier schlecht bis erbärmlich gehupft“, sagte der Siegsdorfer gestern.
Nun soll es beim Wettkampf weit mehr als ein Hüpfer sein, am besten ein großer Satz. Das Podium fehlt Eisenbichler, der sich zu Deutschlands aktuellem Vorzeigespringer entwickelt hat, bei der Tournee ja noch. Beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen war er als Vierter nur knapp daran vorbeigesprungen. Äußerst zufriedenstellend ist die Vierschanzentournee bisher für ihn freilich auch ohne Podestplatzierung verlaufen, für die Experten gilt Eisenbichler, momentan Gesamtvierter, als eine Art Geheimfavorit – auch wenn er selbst sich nicht als solcher sehen mag. „Ich beschäftige mich nicht damit, ob ich die große Tourneehoffnung bin. Ich lasse mir keinen Druck machen“, sagte er gestern.
Fast im Rollstuhl gelandet Eisenbichler hält mit den Besten mit, nur Quali-Sieger Stefan Kraft (134,5 Meter) sprang deutlich weiter als er. Der Tourneeführende Kamil Stoch (Polen) ließ die Qualifikation aus. Der Angriff auf das Stockerl bleibt eine Herkulesaufgabe: Umgerechnet sieben Meter Vorsprung hat der derzeitige Dritte Daniel-André Tande auf Eisenbichler, der damit fast zwei Meter pro Wertungssprung aufholen muss. Stoch hat ein Polster von rund 10,5, Kraft von rund zehn Metern – kleine Welten angesichts der Extraklasse dieses Trios. „Die anderen vorne sind extrem stark, und hinten lauern alle. An das Podest zu denken, bringt mir nichts“, sagte Eisenbichler.
Die Fokussierung auf sich selbst, die innere Ruhe – das zeichnet ihn ohnehin aus. Die Aussicht auf sportliche Rückschläge kann Eisenbichler kaum mehr beeindrucken. Im September 2012 zerlegte es ihn bei einem Trainingssturz in Oberstdorf böse ein Brustwirbel gebrochen, vier weitere angeknackst, Eisenbichler wäre fast im Rollstuhl gelandet. „Ich bin zufrieden, dass ich überhaupt noch Skispringen und runterhupfen darf “, sagt der Oberbayer heute.
Bundestrainer Werner Schuster zeigte sich vom Qualisprung des Kämpfers derweil wieder äußerst angetan. „Ich bin sehr zufrieden, wie er derzeit agiert. Er hat wieder einen guten Sprung gemacht, aber das Niveau an der Spitze ist sehr hoch“, befand der Coach, „morgen kann er wieder vorne reinspringen, vor allem, wenn es schneien sollte“.
Tatsächlich scheint nicht nur Schnee wahrscheinlich zu sein in Innsbruck. Das Springen droht zur Lotterie zu werden. In Tirol hat sich Tief „Axel“angekündigt, das für Schnee, Sturm und einen Temperatursturz sorgen soll. Erst vor drei Jahren wurde in Innsbruck ein Wettbewerb wegen widriger Verhältnisse mit nur einem Sprung ausgetragen. 2007/2008 fiel das Springen gar ganz aus und musste später in Bischofshofen nachgeholt werden.
Für Severin Freund wäre dies vielleicht gar nicht mal so schlecht. Er erreichte zwar, so wie alle sechs deutschen Teilnehmer das Finale, allerdings war für den Vorjahreszweiten nach einem völlig verkorksten Sprung bereits bei 116,5 Metern Schluss. „Der erste Trainingssprung war ganz gut, aber danach habe ich wieder rapide abgebaut. Das ist extrem nervig“, haderte Freund. Auch für Schuster war der Versuch seines langjährigen Top-Athleten viel zu wenig: „Das müssen wir nicht weiter kommentieren. Wir sind nicht zufrieden und er ist nicht zufrieden.“
Exakt vor einem Jahr war der Bayer beim Probedurchgang am Bergisel gestürzt – danach begann der Abwärtstrend. Freund musste sich einer Operation an der Hüfte unterziehen und fiel mehrere Monate aus. In der laufenden Saison konnte er bis auf einen starken Start in Kuusamo noch nicht überzeugen, die Tendenz ist klar absteigend. Gegen den starken Österreicher Michael Hayböck droht Freund am Mittwoch sogar ein Ausscheiden im ersten Wertungsdurchgang.
Die K.o.-Duelle der deutschen Teilnehmer beim Springen in Innsbruck: Eisenbichler (6.) – Takeuchi (Japan/45.), Wellinger (9.) – Boyd-Clowes (Kanada/42.), Leyhe (12.) – Wassiljew (Russland/39.), Freitag (25.) – Tepes (Slowenien/26.), Geiger (41.) – Cene Prevc (Slowenien/10.), Freund (47.) – Hayböck (Österreich/4.)