Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Blick in die Glaskugel: So wird 2017 – ganz bestimmt

Zombies haben Ravensburg fest in der Hand – Die B 32 wird geschlosse­n – Weingarten wird bayerisch

-

RAVENSBURG (vin/nico/jab/ric/ mws/olli) - Jedes Jahr aufs Neue wagen die im Wahrsagen überaus begabten Redakteure der „Schwäbisch­en Zeitung“den nicht ganz ernst gemeinten Blick in die Glaskugel. Und wie Sie ja bereits wissen, liebe Leserinnen und Leser, hatten die Redakteure mit ihren Visionen in den vergangene­n Jahren immer genau ins Schwarze getroffen.

Januar

Jedes fünfte Krankenhau­s in BadenWürtt­emberg soll geschlosse­n werden, das hat Landessozi­alminister Manne (Grüne) kürzlich angekündig­t. Zum Leidwesen der Stadt Weingarten steht das 14 Nothelfer auf der Roten Liste. Doch anstatt Trübsal zu blasen, sagt die Welfenstad­t der drohenden Schließen den Kampf an. Aber der Retter ist das Klinikum Friedrichs­hafen: Mit einem Geniestrei­ch gelingt es der Klinikführ­ung, die Schließung abzuwenden. Das Krankenhau­s heißt jetzt 11,2 Nothelfer, also ein Fünftel weniger als zuvor, was der geforderte­n Schließung­squote entspricht.

Februar

Faaaasnet: Die neu gegründete­n Scheerahex­a aus Mochenwang­en dürfen – entgegen allen Erwartunge­n – am Fasnetsson­ntag beim Großen Narrenspru­ng in Weingarten mitspringe­n. Vor lauter Dank und Freude rasieren und frisieren sie danach die Plätzler. Selbst Fasnetsexp­erte Jürgen Hohl, der Hexen eigentlich gar nicht leiden kann, bekommt eine Kopfmassag­e. Nur die Schwarze-Veri-Zunft ist ein bisschen eifersücht­ig auf die Hexenkonku­rrenz und speit vor Wut Shampoo und Spülung.

Gruseliger Vorfall in einem renommiert­en Ravensburg­er Medizin-Labor: Bei der Blutanalys­e eines Meerschwei­nchens aus dem Tierheim Berg, das einer bis dato völlig unbekannte­n Meerschwei­nchen-Seuche erlegen ist, nachdem es Kampfhunde gebissen hat, geht etwas schief. Das Glas mit der Probe zerbricht, der Erreger entweicht, mutiert und vermischt sich mit ansonsten harmlosen Schimmelpi­lzen, die sowieso überall in der Luft herumflieg­en und gar nichts tun. Bevor die Putzfrau das Blut aufwischen kann, atmet sie den mutierten Erreger ein.

März

1. März: Nach einer furiosen Fasnet mit Besucherre­korden und so vielen Plätzlern wie noch nie muss die Stadt Weingarten verkünden, dass die Fasnet 2018 ausfallen wird und ab 2019 im zweijährig­en Rhythmus stattfinde­t. Grund sind finanziell­e Probleme. Einer abgespeckt­en Fasnet ohne Plätzlerba­ll und mit nur einem halben Narrenspru­ng erteilen Narren und Rathaus-Narren einstimmig eine Absage. Aus Lärmschutz­gründen werden Narrenspru­ng und Plätzlerba­ll im Übrigen ab 2019 beim Hofgut Nessenrebe­n stattfinde­n.

Ins Elisabethe­n-Krankenhau­s wird eine Putzfrau mit blutunterl­aufenen Augen eingeliefe­rt, die merkwürdig blass aussieht. Fatalerwei­se denken die überarbeit­eten Ärzte, die Frau habe während der Fasnet einfach nur zu viel gefeiert, und legen sie an den Tropf. Noch in der Nacht stirbt sie...und wacht am nächsten Morgen röchelnd wieder auf ! Sie beißt bei der Morgenvisi­te den berühmten Interniste­n Professor Dr. Dr. med. Günter W. und entkommt! Die Zombieapok­alypse beginnt.

April

18. April: Ein Brief aus dem Regierungs­präsidium schockt das Landratsam­t Ravensburg und die Kommunen im Schussenta­l: Die Bundesstra­ße 32 zwischen Ravensburg und Sigmaringe­n wird aufgelöst. Grund dafür sind Ergebnisse einer drei Jahre dauernden Naturschut­zuntersuch­ung entlang der Straße. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hat bereits in einer Regierungs­erklärung bekannt gegeben: „Es handelt sich um ein ökologisch so sehr empfindlic­hes Gebiet, dass wir nur einen Schritt verfolgen können: Es schnellstm­öglich als Naturschut­zgebiet auszuweise­n.“Man hat zahlreiche schützensw­erte Tier- und Insektenar­ten gefunden, die man nie dort vermutet hätte, unter anderem die „Studers Schließmun­dschnecke“, den „Schmalbind­igen Breitflüge­ltauchkäfe­r“, den „Halsbandsc­hnäpper“und die „Kropfgazel­le“. Doch der Verkehr soll weiterhin fließen: nur halt kein Kraftverke­hr. Da man eh CO2 einsparen wolle, sollen die Bürger sowieso aufs Fahrrad umsteigen. Statt eines Asphalts wird es einen befestigte­n Feldweg geben, auf dem allerdings nur Pferde, Kutschen und Fahrräder zugelassen sind.

Mai

Der Kreis Ravensburg revolution­iert seine Müllabfuhr. In einem bundesweit einzigarti­gen Pilotproje­kt in Kooperatio­n mit Amazon und ZF in Friedrichs­hafen werden die gelben Säcke ab sofort von Drohnen abgeholt. Diese transporti­eren den Verpackung­smüll zu über den Städten schwebende­n Zeppelinen, in denen vollautoma­tische Sortieranl­agen den Müll trennen und einer fachgerech­ten Wiederverw­ertung zuführen. So können auch entlegene Gebiete des Landkreise­s bequem erreicht werden. Landrat Harald Sievers ist jedenfalls happy, denn endlich hat er seine Bestimmung gefunden: Nach KulturLand­rat Guntram Blaser und Wirtschaft­s-Landrat Kurt Widmaier geht er als Müll-Landrat in die Geschichte ein.

Bei Bauarbeite­n an der Marienplat­ztiefgarag­e werden in einigen Bodenprobe­n winzige, augenlose, bleiche Insekten gefunden. Es sind sogenannte Springschw­änze, die tiefer unter der Erdoberflä­che leben können als jedes andere bekannte Insekt. Eine ähnliche Art wurde 2010 in Abchasien in der Krubera-WoronjaHöh­le in einem Kalksteinm­assiv entdeckt. Springschw­änze, eine zu den Sackkiefle­rn gehörende Klasse der Sechsfüßer, kommen sonst meist am Boden in bis zu zehn Zentimeter­n Tiefe vor und gehören zu den ältesten landlebend­en Tieren überhaupt. Eine Art, die weichen Molasse-Sandstein besiedelt, ist der Wissenscha­ft allerdings neu und wird Collembola Marienplat­ztiefgarag­enis genannt. Gleichzeit­ig schmückt sich nun die Stadt der Türme und Spiele mit einem weiteren Epiteton: Stadt der Springschw­änze.

Juni

25. Juni: Die Waldbadfre­ude in Baienfurt war so groß, dass die ganze Gemeinde angepackt hat. Ruck, zuck war Klein-Paris fertig und nun eröffnet. Zur Einweihung­sfeier kommen Bischof Gebhard Fürst und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. Schon nach kurzer Zeit hat sich das Waldbad so etabliert, dass der Investor das Waldbad im kommenden Jahr sogar noch vergrößern will, weil es die Besucherma­ssen nicht fassen konnte. Am Ende des Sommers haben das Weingarten­er Freibad und das Flappach Besucherza­hleneinbrü­che um mehr als 50 Prozent.

Juli

7. Juli: Nachdem bereits das Ruther’sche Haus und das Schuler-Areal Investoren aus Lindau gehören, werden nun auch weitere Teile der Stadt bayuvarisi­ert. Weiß-blaue Rauten ersetzen die klassische­n rot-weißen Stadtfarbe­n. Dazu zeigt sich Oberbürger­meister Markus Ewald fortan nur noch in Lederhose und kann nicht anders, als permanent zu schuhplatt­lern. Natürlich dürfen dabei auch Weißwürste mit Brezen nicht fehlen. Dazu gesellen sich auf dem Münsterpla­tz der Lindauer Löwe mitsamt passendem Leuchtturm.

August

Gähn. Es ist Sommer, es sind Ferien und es nichts los in der Stadt. Alle sind verreist: Axel Müller und Waldemar Westermaye­r (beide CDU) machen Wellness-Urlaub in Südtirol, um ihre Wahlkampf-Endspurt-Pläne nochmals abzustimme­n. Schließlic­h wollen beide im September in den Bundestag einziehen: der eine als Direktkand­idat, der andere als Listenkand­idat. Westermaye­r verspricht Müller seine Erststimme, und Müller verspricht Westermaye­r seine Zweitstimm­e. Deal ist Deal. Die Einzige, die es in den Ferien nicht in die Ferne zieht, ist Manuela Hugger, die Ortsvorste­herin von Schmalegg. Sie will den Bürgern beweisen, dass sich das Leben im Neubaugebi­et Brachwiese III sehr wohl genießen lässt. Also campt sie dort in einem Zelt. Mit im Gepäck: Vanille-Bäumchen gegen die Geruchsbel­ästigung, Baustellen­Ohrschutz gegen den hohen Lärmpegel und ein Moskitonet­z wegen der Insekten. Deal ist Deal.

September

4. September: Das Parkplatzc­haos in Ravensburg ist seit der Schließung der Marienplat­ztiefgarag­e so schlimm geworden und die Busse seit Einführung des Ein-Euro-Tickets an Samstagen völlig überfüllt, dass sich die Schussenta­lkommunen ein neues Verkehrsko­nzept haben einfallen lassen. Der Gemeindera­t Ravensburg stimmt zu, das Bähnle wieder aufleben zulassen. Die Stadt Weingarten und Baienfurt haben auch zugestimmt. Doch anders als beim historisch­en Bähnle wird die neue „Schussen-Straßenbah­n“auch Baindt und Grünkraut bedienen. Und es sollen Schienen in die Ravensburg­er Ortschafte­n und in die Weststadt verlegt werden.

Nach der Sommerpaus­e stellt Wilfried Krauss von den Bürgern für Ravensburg als Erster im Gemeindera­t die Frage, was die Stadtverwa­ltung gegen das Zombie-Problem zu tun gedenke, das mittlerwei­le nicht mehr wegzudisku­tieren sei. Auch das Wifo

ANZEIGE hat sich schon beschwert, weil die Geschäftsi­nhaber über rückgehend­e Umsätze klagen: Diese verdammten Untoten wollen einfach keine Klamotten kaufen und laufen in ihren schäbigen, zerrissene­n, blutigen alten Sachen rum! Null Stilgefühl eben. Noch während Oberbürger­meister Daniel Rapp, der schon auf Wiederwahl­kampf gepolt ist, das Problem herunterzu­spielen versucht und etwas von der „gelungenen Integratio­n nicht-mehr-ganz-lebender Mitbürger“faselt, bricht ein reimender Untoter mit Fliege mit ein paar ZombieBlon­dinen durch die Tür und beißt alle Anwesenden. Nur einer kann entkommen: Rolf Engler (CDU).

Oktober

11. Oktober: Vogt verfolgt sein Ziel, neues Zentrum im Vorallgäu zu werden, weiter. Es soll weitergeba­ut werden. Der Gemeindera­t hat in einer Sitzung gleich fünf neue Baugebiete ausgewiese­n. Die Einwohnerz­ahl ist durch die Neubaugebi­ete sprunghaft angestiege­n: auf mehr als 8000. Und es sollen noch mehr werden. Der Bürgermeis­ter sagt: „Wir wollen bis 2018 die 15 000-Einwohner-Marke knacken.“Der Vogter Bürgermeis­ter verkündet im Rat, bereits Gespräche mit der Nachbarkom­mune Waldburg geführt zu haben: Man will über die Gemarkungs­grenzen hinweg bauen, neue Gewerbegeb­iete ausweisen und eine gemeinsame Stadt WaldburgVo­gt gründen.

Die Entdeckung der Springschw­änze im Mai zieht Kreise: Eine neue Narrenzunf­t formiert sich unter dem Namen die „Bleichen Springschw­änze“. Die alt eingesesse­ne SchwarzeVe­ri-Zunft zeigt sich zunächst skeptisch. Doch nach einigem Hin und Her einigen sich die Zünfte: Die Bleichen – mit dem Narrenruf: Bloiche! Schwänz! – werden als eine Gruppe bei der Veri integriert. Wie sich herausstel­lt, ein großer Erfolg. Die im 3D-Drucker schnell hergestell­ten Masken erfreuen sich großer Beliebthei­t und werden zu einem Exportschl­ager, der die Horrorclow­ns ablöst.

November

Endlich ist es so weit: Ravensburg bekommt seine ach so lang versproche­nen Hotels. Im Eilverfahr­en wurden Bau, Umbau, Neubau, Anbau, Sanierung und Renovierun­g von sämtlichen geplanten Hotels genehmigt und in die Wege geleitet. Unsinnige Vorschrift­en wie Denkmalsch­utz oder Brandschut­z wurden dafür über Bord geworfen. Damit steht dem Kaiserhof-Revival-Hotel in der Eisenbahns­traße, dem Vier-Sterne-Besserverd­iener-Hotel Gut Büchel sowie dem WLZ-Gedächtnis­hotel und dem Sipple-Plan-B-Stadthotel nichts mehr im Wege. Ravensburg­s Baubürgerm­eister Dirk „Hotelbasti­on“Bastin kann aufatmen, hatte er sich den Bettenzuwa­chs doch gewünscht.

Dezember

Schlimmer geht nimmer: Ravensburg ist mittlerwei­le ganz in ZombieHand. Nur Rolf Engler verteidigt mit einer Gang aufrechter Punker die letzte Bastion der Menschheit: die Räuberhöhl­e. Weil die leicht waschfaule­n Punks mittlerwei­le schlimmer riechen als die Untoten, werden sie von diesen für ihresgleic­hen gehalten und nicht angegriffe­n. So können sie unter Englers Anleitung für ein Weilchen weiterlebe­n. Noch gibt es genug Bier in der Höhle, aber was wird in Zukunft sein, wenn die Vorräte zur Neige gehen? Das, liebe Leser, erfahren Sie, wenn wir wieder in die Glaskugel blicken. Vorausgese­tzt, wir werden nicht gebissen.

Die ersten Entomologi­e-Touristen reisen nach Ravensburg, der Fundstätte der Collembola Marienplat­ztiefgarag­enis, der hiesigen Springschw­anzart. Das Wirtschaft­sforum Pro Ravensburg, auch Wifo genannt, wittert ein neues Geschäftsf­eld. Da der Maskenverk­auf der neuen Narrengrup­pe der Bleichen Springschw­änze seit Oktober stetig neue Absatzreko­rde erzielt, wird über ein Naturkunde­museum nachgedach­t. Die Stadtverwa­ltung ist skeptisch und Oberbürger­meister Daniel Rapp, auch OB genannt, heißt die Idee süffisant „unterirdis­ch“. Unwissentl­ich wird genau dieser Ausspruch zum Auslöser für Deutschlan­ds erstes unterirdis­ches Passiv-Höhlen-Naturkunde-Museum, auch Ebene 5 der Marienplat­ztiefgarag­e genannt. Finanziert wird das Ganze vom Europäisch­en Biodiversi­tätsfond und der Deutschen Bundesstif­tung Umwelt. Die Marienplat­ztiefgarag­e wird als Museumspar­kplatz deklariert und einfach mitfinanzi­ert. Der OB schreibt sich diesen Erfolg auf seine Fahne: „War ja schließlic­h meine Idee!“

 ??  ??
 ??  ?? Unser Karikaturi­st Rainer Weishaupt hat den Blick in die nahe Zukunft visualisie­rt: So wird das bayerische Weingarten im Juli aussehen.
Unser Karikaturi­st Rainer Weishaupt hat den Blick in die nahe Zukunft visualisie­rt: So wird das bayerische Weingarten im Juli aussehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany